Fall Jacobi: Die Trennung war unumgänglich
Von PETER KNECHTLI
Es muss ein schwerer Gang gewesen sein. Am Mittwoch dieser Woche stand der zuvor krank geschriebene Baselbieter Kantonsingenieur Oliver Jacobi vor die Angestellten seines Tiefbauamts und kündigte ihnen seinen Abschied per Ende Mai an: Der 47-jährige Staats-Kadermann war buchstäblich über sein neues Eigenheim gestolpert, das er mit seiner Ehefrau seit einigen Monaten bewohnt. Einen Monat, nachdem OnlineReports ihm verschiedene Rechtsverletzungen beim Bau – wie unrechtmässige Grenzabstände oder Verstoss gegen Nutzungs- und Zonenvorschriften – nachgewiesen hat, ist Aus und Ende mit seinem Führungs-Job in der Bau- und Umweltschutzdirektion von Sabine Pegoraro.
Dieser Schritt war unumgänlich: Oliver Jacobi hat in dieser Affäre ziemlich alles falsch gemacht, was falsch gemacht werden konnte. Der gravierendste Verstoss geht zurück auf die Bauphase, als er gemeinsam mit seiner Ehefrau, der promovierten Juristin Vanessa Duss Jacobi, einen modernen Beton-Bau realisierte, der nicht nur in Details von den durch das Bauinspektorat bewilligten Plänen abwich.
Dann beantwortete er Fragen von OnlineReports unwahr ("kein Näherbaurecht nötig") und ohne eine Spur von Unrechtsbewusstsein ("wir sind uns keiner Unkorrektheit bewusst"), obwohl er schon damals von überdeutlichen Korrektur-Forderungen des Bauinspektorats als Bewilligungsbehörde Kenntnis hatte. Schliesslich erkannte der Bauingenieur ETH in einer persönlichen Erklärung plötzlich, dass er "bei einigen von mir in Auftrag gegebenen Änderungen die Rechtmässigkeit falsch beurteilt" habe.
"In den Ausstand zu treten,
macht die Sache nicht besser."
Diese Erklärung wirkte unglaubwürdig, da sich im Ehepaar Jacobi sowohl bauliche wie rechtliche Expertise beispielhaft vereint. Wer sollte – ausser dem Bauinspektorat – die banalsten Gesetzesgrundlagen beim privaten Eigenheim-Bau besser kennen als der Kantonsingenieur, der in seiner beruflichen Tätigkeit nie zu öffentlicher Kritik Anlass gab.
Heute verstärkt sich der Verdacht, dass die unrechtmässigen Änderungen zum eigenen Nutzen vorsätzlich erfolgten und dass mit ihnen das Bauinspektorat hätte ausgetrickst werden sollen. Belastet durch diesen Verdacht konnte sich Jacobi im Staatsdienst nicht mehr halten: Auch seine Vorgesetzte, Regierungsrätin Sabine Pegoraro, und die ganze Regierung drohten Glaubwürdigkeits-Schaden zu nehmen.
Ob Jacobi aus freien Stücken und aus Einsicht ging oder ob ihm Pegoraro die Kündigung nahelegte, ist nicht von Belang. Möglicherweise spielten bei der Trennung auch noch andere Gründe mit, die nichts mit der Eigenheim-Affäre zu tun haben.
Erschütternd ist aber eine andere Facette dieses beispiellosen Vorgangs: Dass sowohl der Seltisberger Gemeinderat als auch die kommunale Baukommission das ungesetzliche Bauvorhaben ohne geringste Vorbehalte durchwinkten. Das hat mehr als ein "Geschmäcklein": Vanessa Duss Jacobi gehört dem Gemeinderat an und sie kandidiert kommendes Wochenende für eine weitere Amtsperiode, Oliver Jacobi ist Mitglied der Baukommission. Drei von fünf Mitgliedern dieser Kommission waren, wie an anderer Stelle schon dargelegt, private Interessens-Vertreter beim Jacobi-Eigenheimbau.
Dass Herr und Frau Jacobi in eigener Sache in den Ausstand traten, macht diese Sache nicht besser: So fällt die Verantwortung für die bedenklichen kommunalen Entscheide auf alle andern – nur nicht auf sie. Dieses Verhalten zeigt Züge von Hochnäsigkeit. Dabei wäre es die Pflicht des privaten Bauherrn Jacobi gewesen, Bauvorschriften mit besonderer Sorgfalt einzuhalten – und im Zweifel eine fachlich korrekte Meinung aus der eigenen Direktion einzuholen.
Offen ist nun, wie die Bauherrn mit ihrem Problem umgehen werden. Wenn sie bereit sind, für zusätzliches Land, welches das Abstands- und Nutzungsproblem lösen wurde, einen mit der Nachbarschaft auszuhandelnden Preis zu zahlen, hätten sie letztlich ihr Ziel erreicht und erst noch ihren Landanteil zu Ungunsten der betroffenen Nachbarin vergrössert. Die andere, edlere Variante hiesse Rückbau auf das ursprünglich bewilligte Mass oder anders gesagt: auf das rechtmässig bewilligte Projekt.
Bei aller Klarheit der baulichen und rechtlichen Fakten bleibt der Fall Jacobi mysteriös: Welches Kalkül brachte das Profi-Ehepaar dazu, sich auf derart offensichtliche Weise ins Abseits zu manövrieren?
Weiterführende Links:
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