Republikanisches statt religiöses Denken
Ob der Imam der Arrahma-Moschee in Basel den Vergleich von Nicht-Muslimen mit Tieren gemacht oder nur den Koran zitiert hat (Sure 7:179), ist fast unerheblich. Auf den Geist kommt es an. Der Koran ist voll von abschätzigen Aussagen über Anders- und Ungläubige (von Nicht-Gläubigen nicht zu reden), siehe die Suren 14:16-17, 22:19-21 oder 78:25. In 47:4 heisst es: "Und wenn Ihr die Ungläubigen trefft, dann herunter mit dem Haupt, bis ihr ein Gemetzel unter ihnen angerichtet habt."
Nicht alle Muslime halten sich an den Wortlaut des Korans, aber wie viele es doch tun, weiss niemand genau. In gleicher Weise ist auch nicht für alle Christen der wortwörtlich genommene Text des Alten Testaments mit seinen Ungeheuerlichkeiten relevant, und auf das Alte ist immerhin das friedlichere Neue Testament gefolgt. Doch auch dort sagt Jesus, dass er nicht gekommen sei, Frieden zu bringen, sondern das Schwert (Matthäus 10:34).
Was Fundamentalisten auszeichnet, ist die Tatsache, dass sie nur den Wortlaut gelten lassen. Sie übergehen die Textgenese, das heisst die Art und Weise, wie die Urtexte entstanden, überliefert und interpretiert worden sind. Niemand weiss es. Offenbarungen sind nicht überprüfbar. Die religiösen Urtexte sind Menschenwerk. Ihre göttliche Herkunft ist eine propositionale Behauptung – so unwidersprochen, wie ein Schriftstück, das aus dem Drucker kommt.
Die Sache wird nicht besser dadurch, dass alle Religionen hierarchisch organisiert sind und zu Autoritarismus neigen. Was zur Folge hat, dass sie sich für unfehlbar halten und sich jede notwendige kritische Auseinandersetzung verbeten.
Ihren Anhängern geben sie dafür die Perspektive, im rechten Glauben zu leben. Alle Religionen verkünden den einzig wahren Glauben. Für die Amerikaner sind die USA "God's Own Country", was sinngemäss auch der Polterer Jeremias Gotthelf in seiner Schützenfestrede von 1842 gesagt hat.
Aus der Einzigartigkeit jeder Religion ergeben sich die Konflikte der Religionen untereinander. Zum Beispiel behauptet die katholische Kirche, die einzige wahre christliche Kirche zu sein, und beruft sich dazu auf die apostolische Sukzession. Was wahre Moslem über Christen sagen, ist unerträglich, aber was wahre Christen über Moslem sagen, ist keinen Deut besser.
Das gilt auch für die orthodoxen beziehungsweise fundamentalistischen Juden, die sich auf die Bibel berufen, wenn sie Palästina annektieren. Obama erhielt von ihnen den Rat, einen Blick in die Bibel zu werfen, um die israelischen Rechtsansprüche auf das "heilige" Land zu verstehen. Sie meinten natürlich nicht das Buch Josua, in dem die gewaltsame Vertreibung und Tötung der Amoriter, Hetiter, Peresiter, Kanaaniter, Hiwiter, Jebusiter durch die Israeliten beschrieben wird. Die Luther-Bibel spricht von "Ausrottung". Heute wiederholt sich die Geschichte. Frieden im Nahen Osten wird es nur geben können, wenn diese religiöse Diktion aufgegeben wird.
Zum Thema gehört auch der Einfluss der christlichen Rechten in den USA sowie von Freikirchen und Sekten, die dem Obskurantismus, zum Beispiel in den Naturwissenschaften, Tür und Tor öffnen. Religionen stiften mehr Unfrieden als Versöhnung. Tolerant sind sie nur gegen die eigenen Anhänger, und auch nur, wenn sie es bedingungslos sind. Ihr Vorteil und ihre Verführung liegen darin, dass sie von der Unsicherheit des Daseins und der Schwere des Denkens entlasten.
Statt religiöser Überzeugungen brauchen wir mehr republikanische Grundhaltung. Die Verantwortung für das eigene Handeln im Sinn des kategorischen Imperativs des Philosophen Immanuel Kant zu übernehmen, ist eine Aufgabe fürs Leben.
19. April 2010
"Klarer Denker mit Logik und Verstand"
Man braucht nicht mit jeder von Aurel Schmidts Kolumnen einverstanden zu sein, aber diesmal hat ein klarer Denker mit Logik und Verstand einer schweigenden Mehrheit dieses Landes eine Stimme verliehen.
Hans M. Wegmüller, Binningen
"Sagen, was Sache ist"
Diesen klaren Worten gibt es nichts beizufügen. Es ist geradezu tröstlich, dass es doch noch Journalisten gibt, die sich nicht wortreich um eindeutige Stellungnahmen zu heiklen Themen herumdrücken, sondern sagen, was Sache ist.
René Ernst, Basel