Je mehr Wirtschaft, desto weniger Politik
Der schottische Nationalökonom Adam Smith hat in seinem epochalen Werk "Der Wohlstand der Nationen" dem Handel eine zivilisierende Wirkung zugeschrieben. Der Regierung in London empfahl er, mit den nordamerikanischen Kolonien eher Handel zu treiben als Krieg zu führen.
Ob Wirtschaft und Handel immer noch diesen Ruf verdienen wie vor bald 250 Jahren, ist ungewiss. Seit Smith' Zeiten, als Küfer, Nagelschmiede und Einmanndrucker, die auch Zeitungsverleger waren, seine Theorie prägten, haben sich die Verhältnisse geändert. Heute sehen wir folgenden Sachverhalt: Die Wirtschaft muss um jeden Preis expandieren, wenn sie auf dem Markt bestehen will. Und das will sie. Stillstand ist angeblich Stagnation, sogar Rückschritt. Die Folge ist, dass die Unternehmer ihr Ziel darin sehen, höhere Umsätze zu erzielen, aber nicht angeben können, auf wessen Kosten die Entwicklung geht, oder postulieren können, worin überhaupt der Sinn dieses Handelns liegt.
Es gibt also einen immanenten Zwang, von Jahr zu Jahr und um jeden Preis einen verbesserten Leistungsausweis vorzulegen. Kapitalgeber und Investoren erwarten unter dem Beifall der Kleinanleger einen Return, und der Druck der Konkurrenz sorgt für eine Maschination, der sich das Unternehmertum nicht entziehen kann, weil alle anderen Unternehmer sich in der gleichen Situation befinden und das Gleiche tun. Wachstum ist zu einem verkehrten, verderblichen Imperativ geworden.
Die Ökonomielehre wird es anders auslegen, aber man müsste unter Umständen die Sache einmal von einer anderen Seite ansehen. Dabei würde man feststellen können, dass die Wirtschaft heute auf die neuen Märkte in den aufstrebenden Ökonomien angewiesen ist, es sich bei ihnen aber meistens um nationalistische oder autoritäre, wenn nicht totalitäre Regimes handelt, die sich weder um Demokratie, Menschenrechte, Arbeitsrechte, Umweltrechte und so weiter gross scheren.
Während dies alles Werte sind, die bei uns einigermassen respektiert werden, geraten die Unternehmer in eine Situation, in der sie andernorts Konzessionen machen oder gern bereit sind zu machen, um ihre Position zu halten. Wenn es um den Handel mit diesen Ländern geht, gelten mit einem Mal andere Regeln. Besucht der Dalai Lama die Schweiz, haben die Mitglieder des Bundesrats als verlängerter Arm der Wirtschaft keine Zeit, den Gast zu empfangen. Die Handelsbeziehungen mit China könnten darunter leiden. Wird der Völkermord an den Armeniern kritisiert, drohen die Beziehungen mit der Türkei in Aufruhr zu geraten. Viele Länder, mit denen wir Handel treiben wollen, können aus einer Position der Stärke heraus Wohlverhalten in ihrem Sinn fordern.
So nötigt der wirtschaftliche Erfolgsdruck Politik und Wirtschaft, sich Verhältnissen zu beugen, die kaum vertretbar sind. Am Ende werden auch bei uns selbst demokratische politische Rechte aufgeweicht und in Frage gestellt werden, wenn und weil sie sich als Hindernisse für die Wirtschaftsentwicklung herausstellen. Opfer wird die republikanisch fundierte Gesellschaft sein. Das wäre dann aber das Gegenteil dessen, was Adam Smith, einer der grossen Vertreter der schottischen Aufklärung, sich vorgestellt hat.
29. März 2010
"Leben statt Profit"
Aurel Schmidt bringt es auf den Punkt. In Basel werden wir am 1. Mai unter dem Motto "Leben statt Profit" eine andere Wirtschaftsordnung einfordern. Schon die bürgerliche Revolution wäre ohne Proletariat und Linke nicht erfolgreich gewesen. Jetzt in Zeiten der Krise (die noch eine Weile andauern wird) ist es umso wichtiger, der Maximalrendite den Kampf anzusagen. Wir sind dabei. Wer noch?
Pascal Pfister, Juso und SP Basel-Stadt, Basel
"Abkehr von 'immer mehr'"
Marion Gräfin Dönhoff hat in ihrem Buch "Zivilisiert den Kapitalismus – Grenzen der Freiheit" alles vorausgesehen. Sie sah die menschliche Zukunft in einer Abkehr von "immer mehr". Die "Zwölf Thesen gegen die Masslosigkeit" müssen Leitlinien sein – nicht nur für Manager.
Michael Przewrocki, Basel
"Eine ethische Wirtschaft dient den Menschen"
Die permanent wachsende Wirtschaft ist das Krebsgeschwür einer kranken Gesellschaft. Eine ethische Wirtschaft dient den Interessen und Bedürfnissen der Menschen, heute dient der Mensch einer abgehobenen Ausbeuterkaste.
PJ Wassermann, Hersberg