Politische Aussagen in Stereophonie
Die politischen Lautsprecher sind voll aufgedreht. Mal tönt es: Die Steuern müssen gesenkt werden, mal: Wir müssen sparen. Diese Verlautbarungen erzeugen einen Stereoeffekt und ein informationstheoretisches Rauschen, ein unverständliches Brummen und Kratzen in der Leitung, aber noch besser wäre es, von einer Double-Bind-Situation zu sprechen. Mit Double Bind wird in der Psychiatrie eine doppelte, aber sich widersprechende Botschaft bezeichnet, die beim Zuhörer eine Verwirrung erzeugt, für die es keine klärende Antwort gibt.
Wir müssen sparen. Jawohl, weil das Geld in der Kasse nicht ausreicht. Aber warum reicht es nicht? Weil wir zu wenig einnehmen. Das ist das Geheimnis.
Nach dem Zusammenschluss von Lufthansa und Austrian Airlines verpasste der oberste Chef dem neuen Unternehmen einen Sparkurs: beim Service, bei den Löhnen. Der Zusammenschluss war teuer gewesen, aber das Fliegen durfte deshalb nicht teurer werden. Es ist zwar ohnehin schon lächerlich billig, aber statt zu sparen könnte man ja auch die Tarife anheben. Doch das kam nicht in Frage.
Die SBB haben lange gespart. Bis der Betrieb bedenklich ins Lottern geriet. Es vergeht bald kein Tag ohne Zwischenfälle. Jetzt sollen die Fahrpreise angehoben werden. Das ist für niemand erfreulich. Aber wir müssen wohl anfangen zu begreifen, dass eine Sache ihren Wert und deshalb ihren Preis hat. Das ist eine unangenehme Aussage in einer Zeit, in der alles gratis sein soll. Ich bin doch nicht blöd. Aber auf die Länge geht diese Rechnung nicht auf.
Das ist bei den Steuern das Gleiche. Wir müssen sparen, weil wir die Steuern senken beziehungsweise damit wir sie senken können. Und weil wir das tun, müssen wir sparen. An allen Ecken und Enden. Das ist heute das politische Credo der Populisten. Sogar der deutsche Philosoph Peter Sloterdijk hat sich in diesen frommen Kirchenchor gestellt. Des Beifalls derer, die sich nicht nur das grösste Stück des Kuchens nehmen, sondern gleich die ganze Bäckerei haben wollen, kann er gewiss sein.
Niemand zahlt gern Steuern. Aber die Diskussionsrunde ist nicht so intelligent, wie sie sich gern geriert. Wenn der Staat nichts einnimmt, kann er auch nichts ausgeben, um es einfach zu sagen. Dann müssen eben die Kehrichtsack-Gebühren erhöht werden. Zahlen werden wir immer. Vielleicht nicht alle, aber einige, und einige mehr im Verhältnis als andere, und einige weniger. Zum Beispiel werden Unternehmen und Dividenden steuerlich entlastet. Unser Finanzminister ist der Unternehmensberater geblieben, der er seit jeher war.
Unterdessen wächst die Staatsverschuldung ins Astronomische. Jeden Tag müssen Millionen für die Schuldverzinsung ausgegeben werden. Dafür werden die Ausgaben für Bildung, Forschung, Gesundheit (ausser bei Pandemie-Alarm), soziale Qualität des Zusammenlebens gedrückt.
Wer heute meint, die Steuerpolitik fortsetzen zu müssen wie bisher, handelt unüberlegt. Nein, eher unverantwortlich. Wir werden zu spät wissen, was wir nicht gewollt haben.
9. Oktober 2009
"Hervorragende Infrastruktur der Schweiz"
Der Kommentator Peter Waldner schreibt das, was ihm der ehemalige UBS Verwaltungsrat Merz einimpft. Vergessen wird, dass es die hervorragende Infrastruktur der Schweiz ist, die die Topverdienste hier möglich macht. Diese Infrastruktur kostet Geld, sonst verliert der Wirtschaftsstandort Schweiz an Exportfähigkeit.
Wer jetzt weniger Steuern bezahlen will und damit Einsparungen erzwingt, schadet der Konkurrenzfähigkeit der Schweiz in der Zukunft. Es scheint so, als hätten die Steuerreduzierer vergessen, dass die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Schweiz nur mit langfristigen Ausgaben des Staates geschaffen wurde.
"Geiz ist geil" kann der Werbespruch eines Wirtschaftsunternehmens sein. Als Maxime der Staatsführung versagt dieser Spruch kläglich.
Peter Trübner, Biel
"Staat frisst Produktivität seines Volkes auf"
"Das Geld in der Kasse reiche nicht, weil wir zu wenig einnehmen" – das sei das ganze Geheimnis? Dass "wir" zuviel ausgeben, soll also gar nicht erst in Frage gestellt werden? Dass dieser Moloch "Staat" immer mehr von der Produktivität seines Volkes auffrisst und regelrecht neutralisiert, bis sie Gefahr läuft, paralysiert zu werden – diese Gefahr ist weitaus bedeutender. Immer mehr "nice-to-have" – dafür dort sparen, wo es weh tut: Sprayereien, Littering, Überfälle und unterbesetzte Polizei – dafür Gleichstellungs- und andere "Kommissionen" sowie teuere Baustellen allüberall? Und mit Sicherheit viele Departemente, Ämter, Ministerien etc., welche ihr Budget lieber überziehen, damit sie im nächsten Jahr zumindest ein gleich hohes zugeteilt erhalten.
Peter Waldner, Basel