Die wirklichen Helden dieser Welt
"Ein ganz normaler junger Mann". Mit diesem Titel beschrieb mich kürzlich eine doch relativ grosse und nicht weniger polarisierende Zeitung der Region. Ich bekam daraufhin so viele Rückmeldungen wie selten.
Die einen waren zuerst einmal über die Objektivität des ganzen Berichtes überrascht, vielleicht weil sie die Berichterstattung über SP-Mitglieder ansonsten nicht so schätzen. Diesmal war es anders. Weder wurde über meine Reise nach Schweden letzten Winter hergezogen noch unterstellte mir der Autor eine Affinität zu homosexuellen Abenteuern – leider lobte er meine Tanzkünste eben so wenig.
Die anderen nervten sich über den Normbegriff. Wer sei denn schon normal? Alle seien doch verschieden. Berechtigter Einwand.
Ich war für den Titel eigentlich ziemlich dankbar. Weil er so nüchtern analysierte. Es ist unglaublich, wie hoch die Erwartungen an mich nun sind. Neu Co-Präsident der Baselbieter SP beschreiben mich die Medien nun als "Shootingstar", der eine "steile Karriere" hinlegt – ein Hoffnungsträger sei ich. Tragt eure Hoffnung doch wieder selbst! Schweizer Politikerinnen und Politiker sind meist keine Helden. Auch wenn sie das manchmal meinen. Politiker neigen sowieso dazu, sich selbst zu wichtig zu nehmen. Aber damit will ich gar nicht erst anfangen.
"Nicht alle Menschen haben dasselbe Glück
wie wir, wenn sie geboren werden."
Helden. Klar gibt es sie auch in der Schweiz. Viele Alltagsheldinnen und -helden. Auf unserer Insel der Glückseligen. Aber nicht alle Menschen haben dasselbe Glück wie wir, wenn sie geboren werden. Ich finde: Man soll hier sein Glück finden dürfen. Auch wenn man in Sandalen ankommt und es schneit. Es braucht dazu sicher einen starken Willen – aber auch Solidarität der Mitmenschen und ihr Mitgefühl. Und auch die Politik soll dazu da sein, möglichst viele Menschen dabei zu unterstützen.
Warum verlassen Eltern mit ihren vier Kindern ihre Heimat im nordöstlichen Afrika? Warum kratzen sie ihr ganzes Geld zusammen, um eine gefährliche Überfahrt nach Europa zu zahlen? Vielleicht, weil sie zu einer Minderheit gehören, die verfolgt wird. Vielleicht aber auch, weil sie hoffen, auf der anderen Seite Arbeit zu finden, eine wirtschaftliche Zukunft. Mit der Absicht, ihre Familie ernähren zu können. Die Boulevardzeitung nennt diese Familie dann Wirtschaftsflüchtlinge. Ich finde, Menschen, die für ihre Familie dieses Risiko auf sich nehmen, das sind Helden.
Es gibt überall Helden. In Syrien. In Palästina. Auch in Nepal.
Wenn ich dann nach einer solch schrecklichen Flüchtlingskatastrophe im Fernsehen sagen darf, dass auch wir als Schweizerinnen und Schweizer eine Verantwortung haben, als Insel der Glücklichen, glaube ich an die Menschlichkeit. Und rechne für einmal nicht mit Widerspruch. Aber er kommt. Von rechts. In einem solchen Moment werde ich daran erinnert, weshalb ich mit Überzeugung links bin. Sozialdemokratie ist Chancengleichheit und Solidarität.
Diese Solidarität ist natürlich nicht gratis. Es ist nicht kostenlos, Asylzentren zu bauen und Menschen in Not aufzunehmen. Aber niemand will zahlen und niemand will das Asylzentrum bei sich in der Gemeinde haben. Fast niemand. Auch die Hölsteiner Gemeindepräsidentin nicht, die bald in Liestal arbeitet.
Doch letzte Woche meldete sich der Stadtpräsident des Baselbieter Kantonshauptortes zu Wort, ganz nüchtern: "Es können sich nicht alle Gemeinden verweigern." Liestal bietet Hand für ein Asylzentrum. Ich bin einfach froh, dass es solche Politiker gibt. Jene, die über ihren Gemeindebann hinaus denken. Vielleicht hat der Liestaler Stadtpräsident dabei auch an den Vater und die Mutter gedacht, die sich mit ihrem letzten Geld die letzten Plätze auf dem bereits überfüllten Boot erkauft haben. Und nicht wissen, ob sie jemals ankommen. Sie haben unser Mitgefühl verdient. Auch wenn sie nichts mitbringen, ausser Sandalen.
4. Mai 2015