Theater Basel, Schauspielhaus
Premiere
"Die Zofen"
Autor: Jean Genet
Regie: Susanne Heising
Bühne: Martina Ehleiter
Mit Isabelle Menke, Johanna Falckner, Claudia Jahn
Das böse Spiel
Sie beschimpfen, beissen und schlagen sich. Sie spucken sich oft ins Gesicht, die Eine der Anderen, die Claire der Solange und retour, und grinsen dabei. Ist die Madame aus dem Haus, tanzen die Zofen ihre Choreographie der Unterwerfung. Zofe Solange (Menke) im engen Lederjupe wirft sich ergeben wie ein Mönch flach auf den Bauch, vor ihrer Zofenschwester Claire (Falckner), die sich Fummel und Klunker von Madame gleich schichtweise übergezogen hat, und auf dem Bett von Madame einen sonderbaren Tanz der sieben Schleier vollzieht. Sie monologisiert gespreizt von ihrem Liebsten, dem sie bis ans Ende der Welt folgen wolle.
Claire spielt nicht bloss Madame, sie darf, ja soll, ja muss jetzt Madame sein, und Solange richtig demütigen: Ihr etwa eine Affäre mit dem Milchmann vorhalten. Das alles ist natürlich der pure Inzest, und der Milchmann ist eben bloss der "Milchmann": Eine Schablone mit schlüpfrigem Klang, um das geschwisterliche Spiel mit Verachtung, Hass, Geilheit auf der Negativspirale einen Zacken weiter zu treiben.
Aber die Choreographie hat sich abgenutzt. Das Leben ist längst vorbeigezogen an den älter gewordenen Mädchen, hier auf der Kleinen Bühne eingesperrt in einem eiskalten Designer-Loft mit hohem Maschendrahtzaun und Lilien, beleuchtet von einem grellen Weiss, das schmerzt, aber nichts wirklich erhellt. Wenn sich also Menke und Falckner angrinsen, dann grinsen sie mit leeren Augen. Das böse Spiel, das dauernd gespielt werden muss, weil es eben gespielt werden muss, ist das Einzige geblieben, es wird siegen, sie mussten es steigern, und so endet es tödlich. Den Liebsten von Madame haben sie bei der Polizei verleumdet, Mordanschläge haben sie geplant. Die Todesangst, die Menke ihrer Solange ins Gesicht schiessen lässt, ist ein toller Kick. Ihm bleibt sie verpflichtet. Am Ende steht da eine Tasse mit vergiftetem Lindenblütentee für Madame. Madame ist es nicht, die sie austrinkt.
Der Schock, den die Uraufführung 1947 auslöste, kann sich mit dem Stoff nicht mehr wiederholen. Die adlige Herrschaft, die auf moralische Höherstellung Anspruch erhebt, ist heutzutage längst vom Sockel gestossen. Regisseurin Susanne Heising liess Solange sogar Madame duzen, Claire hingegen nicht, und sie schafft so ein weiteres hierarchisches Gefälle im Trio. Zofen, das gibt es nur noch in einschlägigen Sex-Inseraten: Sadomaso zieht noch immer.
Die Jung-Regisseurin hat darauf den Schwerpunkt gelegt und führt in ihrer Debut-Inszenierung pausenlos entsprechende Bild-Chiffren vor. Lilien werden zu Peitschen. Bevor die gnädige Frau nach Hause kommt, bespucken die Zofen das ganze Bett. Und es ist wirkt eine unangemessene Vertraulichkeit, wenn Solange für die Herrin eine Zigarette im eigenen Mund anzündet und sie ihr dann erst rüberbringt. Den abgewetzten Begriff von Erotik in der Reibung des dauernden Spiels betonen die dauernden Kleiderwechsel der Zofen.
Und jetzt gibt's da aber noch einen Text, der mit dunkler Poesie dem Spiel, dieser Choreographie der Zofen, einen doppelten Boden gibt: Die böse Moral, die negativ gemeinte Ironie, die in die Figuren hineinführt. Das kommt in der Atemlosigkeit permanenter Aktion und auch teilweise unnötiger Spielereien zu kurz. Über Strecken wird der Text behandelt als wäre er Material, das es eher zu "bewältigen" gilt. Am Ende aber darf Menke in einem kurzen, vibrierenden Monolog brillieren. Der Abend unterhält, man folgt ihm mit Interesse und teilweise mit leisem Schrecken. Das Publikum applaudierte freundlich am Premierenabend.
14. November 2008