Väterchen Staat auf Shopping-Tour
Service public – und Väterchen Staat darf manche Dienstleistungen exklusiv erbringen, und zwar die, die die Bevölkerung wirklich benötigt.
Denn es sollen auch unrentable Kundenkreise bedient werden, die Grundversorgung für die Gesamtbevölkerung muss gewährleistet sein. So die Theorie.
In grauer Vorzeit klappte das. Die sogenannte PTT sorgte dafür, dass die Telefonie funktionierte und die Post zuverlässig kam. Die SBB liess klinisch saubere Züge mit voll transparenten Fenstern pannenfrei und auf die Sekunde pünktlich verkehren. Die Amtsstellen hatten zu normalen Geschäftsöffnungszeiten geöffnet. Und es gab diesen Stolz, Staatsbeamter zu sein. Und auch den Stolz, Schweizer zu sein, weil bei uns alles so viel besser klappte, als im Ausland. Gelebte Schweizeruhren-Welt. Vergangenheit.
Die Züge der SBB sind unpünktlich, pannenanfällig, und stehen vor Dreck. Die PTT heisst nun "DIE POST", sie hat die Finanzen ausgelagert an die POST FINANCE, was eigentlich "Nachfinanzierung" heisst, aber egal, Hauptsache Englisch. Unrentable Poststellen schliesst DIE POST, die gelben Briefkästen hängt sie weiträumig ab. Und die ebenfalls ausgelagerten Postautos, neumodisch nun "PostAuto", wären wir nie draufgekommen, also die PostAutos fahren unrentable Bergdörfer nur noch an, wenn einer aus dem Dorf einen kennt, der mit einem von der PostAuto in die Schule ging oder auch beim Staat arbeitet. Amtsstellen öffnen zwei Stunden täglich, und alle Anrufe enden in endlosen Warteschlaufen. Dieses Gespräch kann zu Qualitätszwecken aufgenommen werden.
"Viele Hände können viele waschen –
an der Bevölkerung vorbei."
Es war ja gut gemeint, dieser Versuch, mit etwas Auslagerei und Wettbewerb die Staatskosten zu senken. Aber der Schuss ging gehörig nach hinten los. Wir hatten noch nie derart viele Staatsangestellte, der Staatsapparat war noch nie so teuer. Und gleichzeitig stehen die an der Front, Polizisten, Pöstlerinnen, Trämlerinnen, Feuerwehrmänner und Sanitäterinnen, unter einem noch nie da gewesenen, enormen Druck.
Was in der Privatwirtschaft funktioniert, funktioniert beim Staat halt nicht, und kann auch nicht funktionieren, weil keiner da ist, in dessen Portemonnaie die Misswirtschaft wirklich Spuren hinterlässt. Es gibt keine Patrons, die Konkurs anmelden müssen. Und es gibt, ausser dem zahnlosen Tiger Geschäftsprüfungs-Kommission, keine Instanz, die kontrolliert. Die GPK macht zwar eine gute Arbeit, prüft und berichtet. Aber dann geht, meistens, nichts. Und so wächst er, der Staat, und misswirtschaftet fröhlich und frei von Verantwortung unbehelligt vor sich hin.
Die Mitarbeitenden des Staates sind nicht schlechter als andere. Aber auch nicht besser. Menschen loten aus, wie weit sie gehen können, neigen dazu, sich den grösstmöglichen Vorteil herauszuschlagen. Überall, beim Staat und in der Privatwirtschaft, wäscht eine Hand die andere. Der Staatsapparat aber ist riesig, viele Hände können viele waschen, an der Bevölkerung vorbei. Der Mensch ist so. Punkt. In der Privatwirtschaft spielen Kontrollmechanismen, und dessen wichtigster ist der Staat. Und es droht der Konkurs. Beim Staat spielt gar nichts, ausser der Vetternwirtschaft. Keine Kontrolle, keine Konsequenzen. Jedenfalls viel zu oft.
Anstatt vom Staat einen tadellosen Service public zu verlangen und die Möglichkeiten zu schaffen, dass die Leute an der Front diesen auch wieder erbringen können, wird genau dort gespart, und andernorts aufgeplustert. Es gibt immer mehr Staatspersonal an immer unnötigeren Stellen. Und der Staat mischt immer mehr in der Privatwirtschaft mit, kauft Immobilien, baut Häuser, gründet Genossenschaften. Wer wohnt dann da wohl drin? Eine Hand wäscht die andere. Wir haben doch gesehen, wie glorreich der Kommunismus genau an diesem Phänomen gescheitert ist. Das Parlament müsste durchgreifen. Und täte es wohl, wären nicht in ebendiesem Parlament ausgerechnet die Staatsangestellten überdurchschnittlich vertreten.
Service public eben. Der Staat hat dem Bürger zu dienen, nicht umgekehrt. Das wäre es, eigentlich.
10. Februar 2020
"Mehr in die Nähe des Volks"
Frau Strahm trifft den Nagel auf den Kopf. Wo sind die Parlamentarier, die sich getrauen, etwas dagegen zu unternehmen? Weniger Bürobeamte, mehr in die Nähe des Volks. Keine Warteschlangen mit blöder Musik mehr am Telefon. Danke Frau Strahm!
Vreni Zwicky, S-chanf
"Sozialistischer Untergang"
Andrea Strahm kann ich für ihren Artikel nur gratulieren. Es geht wirklich nichts mehr beim Staat. Die General Manager oder CEO oder wie man sie immer in schlechtem Englisch nennt, denn englisch muss es sein, kassieren Unsummen, bleiben jahrelang auf dem Posten und verbessern ihren Lohn, indem sie beim Kundendienst Leute entlassen. So dürfen wir beim Staat warten, warten, warten...Beispiel Spiegelhof Basel!
In der Migros und Coop wird das nachgemacht, nachdem die Konkurrenz, die aus kleinen Lädeli bestand, kaputt gemacht wurde. Nun dürfen die Kunden selber scannen und die Kassiererinnen werden entlassen. Einige Kunden rächen sich, indem sie für die Arbeit als Lohn einige Artikel nicht einscannen. Wie wäre es, wenn wir weniger Steuern zahlen würden für die Misswirtschaft? Das ist in den Augen des Staates ein Gewaltverbrechen, das über Mord steht. Im Gegenteil. Die Steuern werden immer höher und da einige davon profitieren, die noch nie im Leben Steuern gezahlt haben, aber natürlich stimmen können. Unser sozialistischer Untergang ist programmiert!
Alexandra Nogawa, Basel
"Gängelung des Volkes durch Regulierung"
Wie wahr! Und warum das alles? Ich meine – es sind die Parlamente von Bund und Kantonen, die grenzenlos alles und jedes gesetzlich regeln und "organisieren" wollen, ohne sich Gedanken über die Folgen zu machen. Ihre Erfüllungsgehilfen sind Amtsstellen, welche Ausführungsbestimmungen ausarbeiten und der Regierung zum Beschluss vorlegen. Vermutlich meist Juristen, die in einer für ganz normale Bürger unverständlicher Sprache eine unübersichtliche, noch extremer detaillierte "Bestimmung" verfassen; vermutlich auch für die Regierung nicht mit wachen Sinnen wirklich verständlich.
Der "Versuch, mit etwas Auslagerei und Wettbewerb die Staatskosten zu senken", war bestimmt nicht dazu gedacht, den "Service public" qualitativ zu bodigen. Es steht ja (vermutlich; hoffentlich!) den Gemeinden frei, Post- und Haltestellen oder "unrentable Strecken" gegen Entgelt durchzusetzen, und sich das über den kantonalen und bundesweiten Finanzausgleich mit-finanzieren zu lassen; dafür ist er ja da, dieser Finanzausgleich! Die "Auslagerei" sollte wirtschaftliches Denken und Handeln bewirken, aber auch die Verdeutlichung der effektiven Kosten, die von Steuergeldern finanziert werden.
Fazit: Das, was jetzt passiert, ist einerseits das völlig ausser Rand und Band geratene, teure Wachstum politischer Gängelung des Volkes durch Regulierung und Bürokratie; andererseits das nachgerade verantwortungslose, unkontrollierte Versagen jener "staatsnahen" Betriebe, die zwar auf eigene Rechnung – vermutlich noch immer den politischen Irren und Wirren ausgesetzt – die ihnen verbindlich zugeteilten Aufgaben zumindest qualitativ nicht erfüllen. (Wobei: Die allgemeine Entwicklung – momentan insbesondere im Bereich der Digitalisierung – darf auch beim "Service public" nicht an uns vorbeigehen. Dass dabei so einiges Liebgewonnenes aus der "guten alten Zeit" auf der Strecke bleibt, muss man hinnehmen.)
Peter Waldner, Basel
"Macht strebt nach mehr Macht"
So viel Wahres und Zutreffendes von Andrea Strahm in so wenigen Zeilen! Aber eben, die Grundregel "Macht strebt nach mehr Macht" gilt gerade auch beim Staat.
Peter Felber, Basel