Essen und Politik: Zutaten entscheidend
Die "Bolognese" brodelte schön vor sich hin und ich griff zum Rahm, Gerichte werden verfeinert, noch ein Bitzeli von dem rein, zum Abrunden das da, und dann noch ein paar Butterflocken dazugeben, etwas Curry drüber gepudert. Meine Florentiner Freundin Paola traf schier der Schlag, ein Schrei des Entsetzens, leichenblass war sie geworden. Sie verstand die Welt nicht mehr, und schon gar nicht ihre Basler Freundin.
Ich bin mit französischer Küche aufgewachsen. Bocuse hatte Hörnli mit Gehacktem verdrängt, meine Mutter machte auf "Nouvelle Cuisine", an alles kam Crème fraîche, der Salat wurde mit einer weisslichen Sauce überzogen, es wurde verfeinert, reduziert, potenziert, püriert. Und am Ende schmeckte es wunderbar, bloss nicht mehr nach dem, was da eigentlich drin war. Gucken Sie sich die Gesichter im Restaurant an, dieser nachdenklich verinnerlichte Ausdruck, schmecke ich hier etwa etwas Koriander heraus?
Paola also, in Schockstarre, hatte und hat keine Ahnung von Bocuse, der interessiert sie einen Dreck. Italienerin durch und durch, und etwas anderes als die Küche der Toskana kommt ihr nicht auf den Tisch. Nun isst man nirgendwo so gut wie in der Toskana, und von allen Köchinnen der Toskana ist Paola die beste, also ich ging ich bei ihr in die Lehre.
"Weniger ist mehr. Vorausgesetzt,
das Wenige ist das Richtige."
Wir gingen morgens in die Markthallen von Florenz. Jede Kartoffel, jede Tomate wurde mit allergrösster Aufmerksamkeit ausgelesen. Die Mozzarella holst du hier, nur hier, und zwar Buffala, und geh' nie zu dem dort, der hat alte Ware, und die Tauben von der Alten an der Ecke vorne sind die besten, von denen brauchen wir drei. An "Ragù alla bolognese" kommt nichts ausser dem, was da rein muss, das richtige Fleisch nämlich, die richtigen Tomaten, am Ende un filo d’olio. Vom richtigen all der Olivenöle, die Paola hat, natürlich. Eines zum Anbraten, eines für die "maionese", eines für den filo d’olio, beispielsweise.
Die Kunst dieser fantastischen Küche ist es, die natürlichen Aromen der Lebensmittel zum Erblühen zu bringen, keine Zutat tötet die andere. Zum Schluss etwas Käse und Obst. Kuchen und dergleichen sind für Taufen und Hochzeiten, wer kommt auch auf die Idee, sowas noch zu essen, nach einer vollen Mahlzeit. Ich schweige vornehm, ich weiss schliesslich, wer.
Natürlich hat sie auch ein paar Tricks auf Lager, die Paola. Jubelt da noch ein Kräutchen unter, welches dem Ganzen eine noch perfektere Note gibt, und dort noch ein paar Tropfen Limettensaft, gegen die Schwere. Aber die Philosophie, die bleibt. Weniger ist mehr. Vorausgesetzt, das Wenige ist das Richtige.
Womit wir bei der Politik wären. Zumindest die hätten wir hierzulande besser drauf als die Italiener. Aber auch da kochen wir mit zu vielen Zutaten, verlieren den Fokus, verzetteln uns in Vorstössen aller Art. Am Ende ist da ein Einheitsbrei, eine Flut an Normen und Vorschriften aller Art, eine Armee an Leuten, die sie ausführen müssen. Weniger ist mehr, wäre mehr. Es steht im Parlament halt Bocuse neben Paola, Sushi neben Peking Ente und Döner. Der Preis der Demokratie ist manchmal zu hoch, wir verlieren uns.
Lassen Sie fürs erste einfach Zucker und Rahm bei der "Bolognese" weg. Qualitativ gute Zutaten und frische Kräuter nehmen. Und lange köcheln lassen. Mehr braucht es nicht.
27. September 2021
"Frau Strahm wäre ideale Politpredigerin"
Hab erfolgreich gehofft ob ich als alter Junggesellen-Renter hier was fürs Essen lernen darf aber gedacht wann kommt der Schwenk zur Politik? Er kam doch noch. Frau Strahm wäre eine ideale Politpredigerin. Wann kommt der Livestream?
Michael Przewrocki, Basel