Trychler-Faktencheck mit Uranus
Die Sterne attestieren mir, dass ich mich heute besonnen und versöhnlich durchsetzen kann. Grossartig, das kann ich gerade eben besonders gut gebrauchen, denn üblicherweise gehen bei diesem Thema die Pferde mit mir durch. Marco Chiesa, der SVP Schweiz-Chef, kann also den Sternen dankbar sein, heute. Denn nächste Woche bin ich ja vielleicht aggressiv drauf, wer weiss, Jupiter in Uranus oder so.
Diese Freiheitspartei, diese Impfgegner- und Trychler-Partei, die auf Bundesebene zur Nein-Parole zu den Anpassungen des Covid-19-Gesetzes aufruft, ist denn diese Partei von allen guten Geistern verlassen? Wie war denn das mit dem Rütli-Schwur, mit alle für einen, einer für alle, mit der Solidarität? Dass gegen fremde Feinde, und nichts anderes ist dieses Virus, zusammengestanden, zusammen gekämpft und einander geholfen werden soll?
Und was tut sie, diese Partei? Fährt ihr Ego-Züglein, im Jahr 2023 sind schliesslich Wahlen, bimmelt mit Kuhglocken rum und hetzt die Leute gegeneinander auf. So war das nicht gedacht, anno 1291, ganz und gar nicht.
Aber wir sind ja heute cool und besonnen drauf. Deshalb zur Sache: Worum geht es denn eigentlich bei dieser Änderung des Covid-19-Gesetzes, über die wir nun abstimmen sollen?
"Alle ab nach Lugano in die Ferien,
zu Herrn Chiesa?"
Wir stimmen lediglich über die im März 2021 vom Bundesrat neu beschlossenen Änderungen ab, der Rest des Gesetzes bleibt in Kraft. Bei diesen Änderungen geht es einerseits um die finanzielle Unterstützung von Menschen, die wirtschaftlich durch die Pandemie besonders getroffen wurden und werden. Um zusätzliche Taggelder, um Kurzarbeits-Entschädigung und die Entschädigungen von Veranstaltern. Das ist unerlässlich. Oder was denken Sie denn, Herr Chiesa, wie ein Reisebüro seit März 2020 überleben konnte und kann? Eben.
Und es geht andererseits darum, weiterhin ein Zertifikat ausstellen zu können, welches es Geimpften, Genesenen und eventuell auch Getesteten erlaubt, sich ohne Einschränkungen zu bewegen. Nur so können Restaurants geöffnet bleiben und Events stattfinden. Ohne Zertifikat droht bei der nächsten Welle wieder ein Lockdown.
Denn alle anderen Massnahmen, liebe Kuhglocken-Schwinger, die Pflicht, eine Maske zu tragen, die Möglichkeit, Betriebe zu schliessen, das Verbot von Veranstaltungen, ein Lockdown, können weiterhin ergriffen werden. Falls das Virus mutiert, ansteckender wird, und die Ansteckungszahlen wieder durch die Decke gehen, und ein Zertifikat nicht mehr ausgestellt werden darf, muss und wird ein Lockdown folgen. Auslandsreisen in Länder, die ein Zertifikat verlangen, werden nicht mehr möglich sein. Derzeit würde dies alle Flugreisen und fast alle Länder weltweit betreffen. Alle ab nach Lugano in die Ferien, zu Herrn Chiesa?
Deshalb: Wir stimmen am 28. November 2021 natürlich "Ja" zur Änderung des Covid-19-Gesetzes, wir schiessen uns doch nicht ins eigene Bein. Und lassen uns impfen. Ich jetzt dann das dritte Mal. Wo ist denn das Problem?
Herr Chiesa sollte vielleicht auch einen Blick in sein Horoskop werfen. Dort steht möglicherweise, er solle sich nicht in idealisierte Vorstellungen jenseits aller Fakten verrennen. Uranus halt.
8. November 2021
"Auf den Punkt gebracht"
Ich lese ihre Kommentare immer sehr gerne – mal kann ich mich Ihrer Meinung anschliessen, ein andermal eher nicht. Mit Ihrer Kolumne von heute haben Sie das "leidige Thema" auf den Punkt gebracht. Ich hoffe noch viel von Ihnen zu lesen und wünsche Ihnen alles Gute.
René Roth, Basel
"Ein einfacher Trick"
Viel zu viel des Aufhebens, finde ich. Natürlich darf jeder für sich entscheiden, ob er sich impfen lassen will oder nicht. Und dass die Massnahmen gegen die Verbreitung der Seuche letztlich nur jene treffen dürfen, die ungeimpft bleiben wollen, ist doch auch nur logisch.
Es ist aber halt wieder ein emotionales Thema. Und man kann davon ausgehen – die SVP geht in Opposition, sobald es um eine Frage geht, bei welcher die Emotionen das Denken durch Überhöhung überdecken könnten. Ich vermute, das ist ein einfacher Trick, bei einem Teil der Bevölkerung um Sympathie zu heischen, der grösser als ihr Anteil an Wählern ist. Simple Parteipolitik, der die SVP leider alles, was die Schweiz ausmacht (und stark gemacht hatte), unterordnet.
Peter Waldner, Basel