Die Gewissensbisse an der Blumenwiese
Ich wohne in Basel im unteren St. Johann-Quartier – den Weg in die Innenstadt lege ich, wenn das Wetter und mein Zeitplan es zulassen, zu Fuss zurück. Und zwar nicht der Tramlinie entlang, sondern auf der Rheinpromenade. Allein der Blick flussaufwärts, mit der grossartigen Stadtkulisse des Grossbasler Ufers, gekrönt vom Münster, ist den Umweg wert.
Seit kurzem gibt es einen Grund mehr, der für diese Routenwahl spricht. Die Spaziergänger an der Uferböschung erwartet nämlich eine blumige Überraschung: Links und rechts, an der Böschung, blühen im kniehohen Gras Margeriten, Mohn, Salbei und sogar – nicht weitersagen! – das gefleckte Knabenkraut, eine geschützte Orchideenart.
So, habe ich mir gesagt, wenn wir uns schon immer über den Dreck und die Abfälle beklagen, die nach lauen Nächten die Spazierwege säumen und sich rund um die Ruhebänke anhäufen (und dies, obwohl alle hundert Meter eine Möglichkeit besteht, seine Abfälle in einem Korb oder sogar einen Container zu entsorgen), dann sollen wir auch das Positive erwähnen. Was hiermit geschieht.
"Die Gärtnerin fischte mit einer langen Zange
eine Bierdose aus dem Blumenmeer."
Die Angestellten von Stadtreinigung und Stadtgärtnerei sind häufig in der Anlage anzutreffen, allerdings weniger mit Gärtner-Utensilien als mit Besen, Schaufeln und langen Zangen, mit welchen sie sich alle Mühe geben im Kampf gegen die Abfälle. Ich wandte mich an eine junge Frau im orangefarbenen Overall. Woher die Blumen kommen? - Die sind ausgesät worden im Rahmen des Stadtprojektes "Blumenwiesen", erklärte sie mir. "Gemäht wird erst wieder, wenn sie sich versamt haben."
Stimmt, davon hatte ich irgendwo gelesen, aber dass dies auch quasi vor meiner Haustüre verwirklicht wird und nicht nur in Parkanlagen, wurde mir erst jetzt bewusst. "Super Idee, das trägt konkret zur Quartiersaufwertung bei", sagte ich ihr. "Hoffentlich werden diese Stadtwiesen auch respektiert und nicht zertrampelt", fügte ich bei. "Na ja", sagte die Frau vieldeutig, und fischte mit einer langen Zange eine Zigarettenpackung und eine Bierdose aus dem Blumenmeer.
Sie war knapp ausser Sichtweite, als mein Hund – angeleint, wie es sich gehört – ein Bedürfnis verspürte. Er zog sich dafür, soweit es die Länge der Leine zuliess, ins hohe Gras zurück. Und mir stellte sich die Gewissensfrage, ob ich meinen Hundehalterpflichten in diesem Fall nachkommen und den Kot mit einem der gelben Plastiksäcklein aufnehmen sollte, wozu ich allerdings eine Verbotsübertretung begehen würde, weil ich die Wiese mit dem kniehohen Gras mindesten mit einem Fuss betreten müsste. Oder sollte ich ihn liegen lassen, als Dünger, sozusagen?
Hineintreten und sich die Schuhe schmutzig machen sollte ja niemand, und wer doch, wäre selber schuld, denn das Betreten der Wiese war ja verboten. Ich hätte die Frau in Orange fragen sollen. Sie war aber nicht mehr in Sichtweite, und so griff ich zum gelben Säcklein.
3. Juni 2013
"Danke, Stadtgärtnerei"
Grossen Dank an die Stadtgärtnerei Basel. Die Blumenwiesen in den Rabatten der Stadt sind eine Augenweide. Das gelbe Säcklein bei den Hundehaltern ist für mich eine Selbstverständlichkeit.
Heinz Studer, Allschwil