Von den Langen Erlen und Blut saugenden Egeln
"Die Langen Erlen sind eine Schweizer Ebene mit Uferwald entlang dem Fluss Wiese und erstrecken sich über die Stadtgrenze von Basel bis nach Riehen an die deutsch-schweizerische Grenze." Das habe ich – ich gebe es zu – gegoogelt.
Der Name dieses beliebten Basler Naherholungs-Gebiets weist auf die Zeit hin, da der vom Feldberg herkommende Fluss Wiese noch nicht in einem zementierten Bachbett schnurstracks dem Rhein zustrebte, sondern sich mal links mal rechts durch die Ebene schlängelte, so dass sich mit der Zeit eine lang gezogene, mit Erlen bewachsene Auenlandschaft bildete – daher der Name "Lange Erlen". Wegen dem geringen Gefälle bildeten sich im flachen Gelände aus dem Wasser der Wiese zahlreiche kleine Tümpel, Teiche und Seen, in denen sich Fische tummelten.
An diese ehemalige Auenlandschaft erinnert auch der Name des Gartenbads Eglisee. Auch dies habe ich herbeigegoogelt. Und ernüchtert festgestellt, dass der Name des Bads nicht wie ich mir das immer vorgestellt hatte vom edlen Süsswasserfisch "Egli" hergeleitet wird, sondern, weit prosaischer, von "Egel", also einer Art Ringelwurm, auch Blutegel genannt. Dieser saugt sich mit seinen winzigen Saugnäpfen an Warmblütern – Tieren und Menschen – fest, um sich an deren Blut gütlich zu tun. Dabei geben die Egel – um sich die Nahrungsaufnahme zu erleichtern, und nicht etwa aus Menschenliebe – eine das Blut verdünnende Substanz ab. Diese Substanz, Hirudin genannt, wird in der Medizin noch heute als Blutverdünnungsmittel eingesetzt.
Nach solchen Blutegeln wurde also die 1910 an der Stelle der früheren Tümpel errichtete "Luft-und Badeanstalt" ursprünglich "Egelsee" später "Eglisee" benannt. Ob diese Umbenennung auf Grund des "Pfui-Effektes" des Begriffes "Egel" erfolgte, ist nicht überliefert.
Ganz abgesehen davon, dass der Pfui-Effekt diesen Tierlein gegenüber ja völlig unangebracht ist. Denn Blutegel haben ihre guten Seiten. Dies soll bereits 460 Jahre vor Christus im alten Griechenland entdeckt worden sein. Die Wirkung einer Blutegel-Therapie wurde, und wird noch heute, als "gerinnungshemmend", "blutreinigend", "entgiftend", "entzündungshemmend", "entstauend", "krampflösend", "beruhigend" und "schmerzlindernd" angepriesen.
In diesem Eglisee also, das damals noch das einzige Gartenbad in Basel war, habe ich schwimmen gelernt. Mein Vater spazierte am Beckenrand des so genannten Lernschwimmbeckens auf und ab, kontrollierte meine Körperhaltung und zählte die geschwommenen Längen. Und zum Schluss winkte ein Cornet vom Glacé-Wägeli. Aber erst ganz um Schluss, denn "mit vollem Bauch schwimmt man nicht, sonst ertrinkt man", war die Devise meines Vaters. Als ob man von einem Cornet einen vollen Bauch hat, dachte ich, aber ich fügte mich. Denn Glacé, besonders die Vanille und Schokaldekugeln, waren meine Leibspeise.
Zum Glück hatte ich damals noch keine Ahnung darüber, wie das Eglisee zu seinen Namen gekommen war – es hätte mir womöglich den Appetit verschlagen.
4. November 2013
"Ausgezeichnet geschrieben"
Corina Christens Kolumne ist auch dieses Mal wieder sehr lesenswert und ausgezeichnet geschrieben. Sie versteht ihr Handwerk. Kompliment. Ich lese all ihre Aufsätze und freue mich auf den nächsten Beitrag.
Georg Schnell, Laufen