Die improvisierte Eis-Prinzessin
Ich wohnte als Kind im Gundeli (im Basler Gundeldinger-Quartier), ganz in der Nähe der Kunsteisbahn. Das hatte viele Vorteile. Ich konnte zum Beispiel die abendlichen Eishockeyspiele – damals war der EHC noch hoch im Kurs – life mitverfolgen, zumindest akustisch, denn die Ansagen über die Lautsprecher waren dank der kurzen Luftdistanz in meinem Zimmer, auch bei geschlossenem Fenster, gut zu vernehmen.
Und natürlich verbrachte ich im Winter einen beträchtlichen Teil meiner Freizeit auf der Kunsti. Ich bewunderte die Mädchen in ihren weissen Kunstschlittschuhen, wenn sie ihre Pirouetten drehten und ihre Röckchen sich zu einem Teller um ihre Taille formten. Sie kamen mir vor wie Prinzessinen, und ich wäre gerne eine von ihnen gewesen.
Dem stand allerdings einiges im Weg. Ersten hatte ich, pummelig wie ich war, nicht gerade die Idealfigur für ein kurzes Röckchen, fand meine Mutter. Aus meiner heutigen Sicht muss ich zugeben: nicht ganz zu Unrecht. Immerhin besorgte sie mir, ich glaube im Brockenhaus, ein knielanges, blaues Röckchen mit einem Elasticbund.
"Ich drehte Pirouetten und ritzte "Achter"
ins Eis bis zum Gehtnichtmehr."
Die Kunstschlittschuhe hatte ich von einer älteren Cousine geerbt. Sie hatten aber einen grossen Nachteil: Sie waren braun statt weiss wie jene der Eisprinzessinnen, denen ich nachzueifern trachtete. Nachdem meine Versuche, sie mit weisser Farbe anzumalen, alle gescheitert waren, suchte und fand ich eine andere Lösung: ich überredete meine Grossmutter, mir an Stelle der üblichen Kniesocken zu Weihnachten für einmal weisse Überzüge für die Schlittschuhe zu stricken, "damit ich keine kalten Füsse bekomme", wie ich schwindelte. Sie fand die Farbe zwar unpraktisch, da fleckenanfällig, es gelang mir aber, sie zu überzeugen.
Das Problem mit dem für ein Schlittschuhröcklein viel zu langen Jupe aus dem Brockenhaus löste ich auf einfache Art: ich trug es knielang, bis ich ausserhalb der Sichtweite von zuhause war, dann krempelte ich es am Elasticbund hoch bis Mitte Oberschenkel und kam mir vor wie eine Ballerina. Ich drehte meine Pirouetten, legte meine Dreiersprünge hin und ritzte "Achter" ins Eis bis zum Gehtnichtmehr.
Mit meinem neuen Outfit rechnete ich mir auch grössere Chancen aus, bei den Buben als Rettungspfeiler beim "Bananen-Fangis" auserwählt zu werden. Bei diesem Spiel ging es darum, dass die Buben auf ihren Hockey-Schlittschuhen einander nachjagten, wobei der Gejagte, solange er sich an einem Mädchen festhielt, nicht gefangen genommen werden konnte.
Wir Mädchen kreischten, wenn uns einer der Gejagten als "Rettungspfeiler" benutzte – aber mehr, weil das dazu gehörte als dass es uns unangenehm war. Im Gegenteil, es war ja auch ein wenig schmeichelhaft, einen Buben davor zu bewahren, dass er gefangen genommen wird. Wobei, das sei zugegeben, die Auswahl des einen oder anderen Mädchens durch die Gejagten bei dem Tempo des Geschehens wohl eher dem Zufall zu verdanken war.
Anders als ein paar Jahre später in der Tanzstunde. Da war die Wahl der Tanzpartnerin ein gezieltes Manöver, weshalb ich – da immer noch pummelig – öfters zu den Sitzengebliebenen zählte, oder allenfalls von einem mit jungen Mann voller Pickel im Gesicht aufgefordert wurde. Einmal verspielte ich mir meine Chance: Als mich ein Tänzer ohne Pickel aufforderte, wollte ich ihm imponieren, indem ich ihn bei, Rundendrehen fragte, ob er Kochlehrling sei. Er bejahte erstaunt. Wie ich darauf gekommen sei? "Weil Ihre Hände (man siezte sich damals noch in der Tanzstunde) nach Zwiebeln riechen!", offenbarte ich voller Stolz meine kluge Schlussfolgerung.
Bei der nächsten Runde blieb ich wieder sitzen!
7. Oktober 2013
"Ich war auch auf jener Kunsteisbahn"
Der amüsante Bericht von Corina Christen hat meine schönen Erlebnisse im Eislaufsport wieder wachgerufen! Für mich ist das Eistanzen
eine der schönsten Sportarten, die es gibt! Interessanterweise war ich wie die Autorin dieses Berichts ebenfalls aktiv auf der Kunsteisbahn "Margaretenpark" in Basel. Als Mitglied des Eislauf Club beider Basel war ich während etwa 50 Jahren Funktionär, während 15 Jahren in den Sparten Kunstlauf und Eistanz. Ich nahm selbst an den Basler Eistanzmeisterschaften teil und absolvierte auch den 5. Eistanztest. Da ich ebenfalls kein Eisprinz war, aber Männer für den Eistanz rar waren, hatte ich das Glück, junge hübsche Tänzerinnen zum Tanzen und für die Teilnahme an den Basler Meisterschaften zu gewinnen. Heute wage ich mich immer noch auf das Eis, aber nur noch sporadisch und ohne Tänzerinnen!
Heinz Jäggi, Allschwil