100 Jahre Fasnacht – Zeit für Strapse
Strapse? Uf gar kei Fall, jedenfalls nicht sichtbar. Wir Basler sind das ganze Jahr hindurch unglaublich sexy, so dass wir es an der Fasnacht nicht auch noch sein müssen. Der Kopf kommt also hinter die Larve und unter die Perücke und man kleidet sich hochgeschlossen. Wichtig ist das Gesamtkunstwerk Goschdym, nicht die Person, die drin steckt. So der Status Quo.
Aber den muss man hinterfragen. Basel muss nämlich besser verkauft werden. Touristenmässig, nicht an uns Einheimische, denn wir zahlen hier die Steuern und somit liegt an der Fasnacht höchstens noch ein Bierlein drin – bei den Preisen, die die dann haben –, und ein Hotelzimmer brauchen wir auch nicht.
Der Basel-Verkauf ist institutionalisiert, wir haben eine Top-Marketing-Gilde in Behörde und anverwandten Gremien. "Standortmarketing", "Wohnortmarketing", "Stadtmarketing", "Kantons- und Stadtentwicklung" heissen ein paar davon. Auch einen "Denkmalschutz" und die "Stadtbildkommission" soll es geben. Was da der Unterschied ist und wer nun genau was macht, weiss ich nicht. Die einen verhunzen das Stadtbild mit knallblauen Plastik-Mistsäcken, die andern retten es wieder, indem sie knallblaue Plastik-Stühle verbieten, irgendwie so. Damit das alles koordiniert abläuft, haben wir ein Präsidialdepartement und dieses hat den Thomas Kessler. Der kann natürlich nur koordinieren, wovon er erfährt. Deshalb müssen ihm alle alles mitteilen. Es hat also alles seine Ordnung.
Manche Marketinger reisen durch Deutschland und bringen Basel den Deutschen näher. "Die Imagewerbung konzentriert sich auf Deutschland, das Hauptexportland der Schweiz", verkündet die Website des Standortmarketing. Das hat man also messerscharf erkannt, denn die deutschen Gelder fliessen ja nun nicht mehr aus anderen Gründen in die Schweiz. Man hat deshalb bereits einen Weihnachtsmarkt erschaffen, so wie die Basler Behörde sich des deutschen Touristen Geschmack vorstellt: Dresdner Stollen anstatt Basler Läckerli, seltsame Gewänder anstatt Basler Tracht, Glühwein aus deutschen Landen, weisse Filz-Schnee-Dächer, Plastik-Holzbalken, Kürbis-Gondeln. Eine frische Mischung aus Europapark, Schwarzwald, Lübecker Handwerk und Halloween.
In Nürnberg wäre dieses Kitsch-Sammelsurium verboten, deshalb hofft man wohl, die Deutschen suchten das hier. Da Marketingleute ja immer mittels Umfragen, Erhebungen und Statistiken sattelfest abklären, was Sache ist, wird es wohl so sein. Grüezi Fräu äähm Schtrrrraaaahm, min Namme isch Ruedi Vaporetto, händ si es Momänteli zyt für zwöi, drü Fröögli? Sie kennen das.
Das aktuelle Touristen-Ereignis heisst Fasnacht, und da ist es nach 100 Jahren Zeit, marketingmässig über die Bücher zu gehen, denn alles neu macht der Mai (wie bei ÖKK-Sympany und all den veralteten Bezeichnungen, die nun originell mit "Swiss…" daher kommen). Terminlich gibt es nichts zu beanstanden, das wird jede Meinungsumfrage bestätigen: eine Woche später als überall sonst. Aber natürlich viel zu kurz. Bei derart vielen Touristen an derart wenigen Tagen kann Basel nicht optimal vermarktet werden. Eine ganze Woche Fasnacht oder zehn Tage, das muss schon sein.
Dann die Bekleidung. Man weiss ja: Sex sells. Kunst ist nett im Museum, an die Fasnacht aber gehören Eyecatcher. Goschdym darf also bei der Fasnächtlerin nur noch zwischen Busen und Oberschenkel stattfinden, Playboy-Häschen-Kostüme gibt das Comité gratis ab. Die plumpen Junteressly als Vortrab haben ausgedient, sie werden durch jugendlich-frische Tanzmariechen ersetzt.
Des weitern müssen Sie zugeben, dass so ein Piccolo saumässig schrill ist. Es wird deshalb durch ein harmonisch klingendes Waldhorn ersetzt. Der männliche Fasnächtler zeigt in kurzen Lederhosen, was er hat. Über dem Mäsklein ein kecker Filzhut mit Gamsbart.
Dann die Zeedel, die versteht nun wirklich keiner. Also bitte auf Hochdeutsch. Und nicht so lokalpolitischen Miggis. Wer kennt schon Carlo Conti; es meinen ja alle, das sei der Mann der Sophia Loren. Sie meinen, die Jungen kennten der Sophia Loren ihren Carlo nicht mehr? Natürlich nicht. Aber die kommen ohnehin nicht an diesen verordneten Folklore-Mix, sondern starten direkt nach Zürich durch.
Etwas Angst habe ich nun nur noch vor dieser freiwilligen Denkmalpflege oder dem Basler Heimatschutz. Das sind die, die den Weg am linken Rheinufer nicht wollen, den die Marketinger wollen sollten. Hoffen wir also, dass die hier, mit der Fasnacht, nicht auch wieder auf Verhinderlis machen. Denn wenn die nun wieder mit hundertjähriger Tradition und Ähnlichem kommen, dann geht wieder gar nichts. Und das ganze präsidiale Marketing ist für die Füchse. Aadje Steuergelder.
7. Februar 2010