Pink Panther und Rote Zora: Von Homos und Hetis
Kürzlich kam eine meiner Töchter irritiert nach Hause, sie müsse am Pfadi-Nachmittag einen "schwulen" Coiffeur spielen. Ein Coiffeur schneidet Haare, diese Rolle war ihr klar, aber "schwul"? Wir haben ein paar schwule Freunde, auch den einen oder andern vielleicht schwulen Coiffeur kennen wir. Aber die vermutlich schwulen Coiffeure sind sich in etwa so ähnlich, wie Carla del Ponte und Paris Hilton: beide bekanntlich keine Lesben. Wir einigten uns auf einen "modischen" Coiffeur, darunter konnte sie sich dann etwas vorstellen.
Ja, es mag unglaublich lustig sein, wenn im Volkstheater ein schriller Vogel mit überschnappender Stimme und knallengen Röhrenjeans "den Schwulen" mimt. Und eine gespielte "Lesbe" mit Bürstenschnitt in Döffmontur daherflucht. Wahnsinnig lustig - bis dann die eigene Tochter oder der Sohn oder sonst jemand aus der Familie, der einem wichtig ist und den man liebt, daher kommt und bleich gesteht, dass er oder sie offensichtlich von Mutter Natur nicht auf "hetero" programmiert wurden. Fertig lustig.
Eltern und Geschwister hätten ja eigentlich nichts mit dem Liebesleben ihrer Familienangehörigen am Hut. Es könnte ihnen also absolut egal sein, wen der geliebte Mensch da nun glücklich an seinem Arm herbeiführt.
Aber da kehrt dann plötzlich der Wind. Je konservativer das Umfeld, desto schlimmer. Die Begründung ist immer die gleiche: Die schönste Nebensache der Welt hat laut ein paar Doktrinen nur der Fortpflanzung zu dienen, und das funktioniere nur, wenn Männlein mit Weiblein. Alles andere sei "unnatürlich", "Sünde" oder was auch immer. Homos werden deswegen in manchen Kulturen verfolgt, gefoltert, ermordet.
Hierzulande ist der Vorwurf der Sünde subtiler geworden, die Ablehnung kaschierter. Vom Basler Messeplatz bis zum Barfüsserplatz und dann die Theaterstrasse hinunter bis zur Heuwaage – überall sehe ich sehr viel von dieser schönsten Nebensache der Welt. Von ziemlich nackten Damen, insbesondere, die den Hetero-Mann zu allem verführen wollen – nur nicht zum Kinderkriegen. Es dürfte also weltweit klar sein, dass gewisse Nebensachen auch Spass machen dürfen, ohne dass gleich Luzifer auffährt, wenn die Übung nicht der Aufzucht dient. Andernfalls wäre wohl bald halb Basel in der Hölle anzutreffen.
Es wurde gemunkelt, Aids sei die gerechte Strafe für dieses sündige Tun, weil eine Zeitlang vor allem Schwule betroffen waren. Dumm nur, dass es Lesben praktisch gar nicht trifft, hingegen Heteros sehr wohl. Oder, so heisst es, Homosexualität sei eine Krankheit und heilbar. Das stimmt etwa so genau wie die Behauptung, die Erde sei eine Scheibe. Es ist wissenschaftlich längst erwiesen: Man kann sich seine Neigung nicht aussuchen, die ist so angeboren wie die Schuhgrösse.
Was ist also dran, an dieser Hysterie und der Angst, wenn Mann auf Mann trifft, oder Frau auf Frau? Es ist die Unkenntnis. Ob man sich mit Homos anfreundet, ist auch ein wenig Zufall, denn nur etwa zehn Prozent der Bevölkerung sind nicht hetero. Aber immerhin zehn Prozent, jeder wird also zumindest auf Homos treffen, und wenn er dies unvoreingenommen tut, kann es sein, dass er einen tollen Menschen kennen lernt. Oder auch nicht.
Denn Homosexuelle sind so unterschiedlich wie Heteros. Schwule sind nicht unmännlich. Lesben nicht unweiblich. Nicht alle männlichen Heteros "männlich" und nicht alle weiblichen "feminin". In manchen Ehen hat die Frau "die Hosen an", in manchen spielt er den Macho. Und manchmal hält sich die Dominanz die Waage. Exakt so ist es auch in den eingetragenen und nicht eingetragenen Partnerschaften – mit dem kleinen Unterschied, dass sich gleich zu gleich gesellt hat. Was ist daran eigentlich so interessant? Was zählt, ist die Persönlichkeit, der Mensch, und nicht sein Liebesleben.
Wir haben die Zürcher Stadtpräsidentin Corinne Mauch und den Basler Polizeikommandanten Gerhard Lips, von denen wir wissen, dass sie in einer glücklichen, gleichgeschlechtlichen Partnerschaft leben. Dass sie dazu stehen, ist angesichts der Beschränktheit mancher Leute (zu erinnern ist an einen gewissen Schnitzelbangg und seinen Streit mit dem Comité) eine mutige Tat. Es gab auch früher schon Schwule und Lesben in Führungspositionen, doch versteckten die ihre Partner und kamen "solo" oder mit gegengeschlechtlichen "Begleitungen" an die obligaten Anlässe.
Einerseits ist es heute einfacher, sich zu outen. Aber gerade in der Szene der jungen Secondos und Secondas ist dies noch äusserst schwierig, sie stossen im Elternhaus oft auf gar kein Verständnis. Sie ringen jahrelang, versuchen ihre Neigungen angstvoll zu unterdrücken, lügen die Umgebung und sich selber an, schämen sich und leiden. Wir Schweizer Homos und Hetis sind gleichermassen gefordert, hier zu helfen: Die einen, indem sie als Vorbilder zu ihrer Veranlagung stehen, die andern, indem sie Homosexualität als selbstverständliche Tatsache bestehen lassen.
Es spricht im Übrigen gar nichts dagegen, dass Sie sich halbtot lachen über einen tuntigen Schwulen im Kino, die Kampf-Lesbe im Boxring oder den zerstreuten Professor und die desperate Housewives. All diese Charaktere sind überzeichnete Darstellungen dessen, was wir alle sind. Es gibt nichts Besseres als über sich selber zu lachen.
Aber reissen wir keine Witze über die schrille Blondine, die vor uns an der "Coop"-Kasse den String oberhalb der Hüfthose spienzlet, den Mann, der hinkt, eine Brillen-Schlange, wie ich sie bin, oder die Frau, die mit einer Frau zusammenlebt. Dazu besteht nicht der geringste Grund.
15. März 2010
"Bravissima"
Wunderbar! Da hat mir eine Frau aus meiner schwulen Seele gesprochen. Vielen Dank. Und bravissima!
-minu, Basel