Grenzerfahrungen mit Brot, Tram und Autobahn
So heisst es doch: Wer zahlt, befiehlt. Das dachte ich auch – einst. Doch dann spielte die Schweiz mit der EU Asterix und Obelix gegen die Römer, und ich stellte fest, dass es Situationen gibt, in denen man nur zahlt, Zauberbank statt Zaubertrank. Mit meinen Traum-Töchtern ist es natürlich ganz anders, da zahle ich und befehle auch. Nonstop. Nur dass keine gehorcht.
Dem schönen Baselbiet geht es nicht anders. Es zahlt der Stadt so dies und das und nicht zu wenig – zu sagen hat es zumindest dann rein gar nichts, wenn es dies gerne hätte. Kein Bus nach Allschwil, kein Autobahnanschluss, ein Tramvorschlag, den keiner will, jedenfalls keiner jenseits der Steinbühlallee. Das Theaterprogramm, das Konzertprogramm, der Stadtcasino-Neubau, die Universitäten und Spitäler, die neue Parkraum-Bewirtschaftung, der Ausbau des Kunstmuseums – die Stadt entscheidet. Und zwar anders als das Baselbiet entscheiden würde, toujours.
Nun ist es ja nicht so, dass wir Stadtbasler das alle so lustig finden. Es gibt auch hier noch zwei, drei Leute, die ganz gerne andere Entscheidungen hätten. Wir haben das Baselbiet also hofiert, ihm per Volksdekret einen Wiedervereinigungsartikel in unsere Verfassung gehängt, den roten Teppich geröllelet und geröllelet. Aber das Baselbiet feiert die Schlacht an der Hülftenschanz und den Triumph darüber, dass es anno 1833 diese bleichgesichtigen Stadtschnösel losgeworden ist. Näi, mir wei nit.
Man muss das verstehen. Keiner liebt es, sich als Land-Ei zu fühlen. Cool ist die Stadt, nicht der Bahnhof Läufelfingen. Kommt so ein geschliffener Hagestolz daher, die Nase hoch, in teurem Tuch, das neuste Auto, man fühlt sich nur noch elend in seiner alten Militärhose mit Erdklumpen am Hosenbein. Aber das neuste Auto war vielleicht ein Chevrolet 1948. Inzwischen ist längst alles anders: Die S-Klasse wohnt im Baselbiet und staut sich um sieben Uhr früh stadteinwärts und um 17 Uhr stadtauswärts. Die Hagestolze sind weg aus der Stadt, geblieben ist das Mittelmass. Regieren tut der Amtsschimmel, mit dem ihm ureigenen un-unternehmerischen Geist in Veloklammern. Denn wer hierzustadt Steuern zahlt, hat kaum Zeit, ins Parlament zu sitzen.
Und da wären wir dann beim grossen Fragezeichen, dem Geld. Das Baselbiet habe scheinbar Angst, zu tief in den Geldsäggel greifen zu müssen, wenn es die Stadt am Hals habe. All die Drögeler und Sozialfälle, die kosten halt, die hat man auf dem Land nicht so. Aber zahlen tut die Landschaft so oder so. Und eine saubere Rechnung, was da finanziell wirklich Sache wäre im Falle einer Heirat, hat keiner je erstellt, soviel ich weiss.
Eine Zahl haben wir aber: Auf zwei Städter kommen drei Baselbieter. Zumindest was die Mitsprache betrifft, zöge das Baselbiet also das grosse Los im Falle einer Wiedervereinigung. Denn wäreliwär hätte dann wohl die Mehrheit, bei allen Abstimmungen, Wahlen und so weiter?
Eben, die Landschäftler – aber nur, sofern sie sich auch wirklich einig und anderer Meinung als die Städter wären. In Tat und Wahrheit ist doch alles total vermischt und dem Bodenpersonal ist diese Kantonsgrenze so lang wie breit. Wir sind doch längst ein einzig Volk von Brüdern und Schwestern und Grenzsteine reine Dekoration. Will ich Stadtbaslerin in die nächste grössere Migros, düse ich ins Paradies. Gehe ich joggen, dann in den Allschi. Bei Frau Meier am Wanderplatz holen die aus Allschwil Ost ihr Brot, beim Sutter auf dem Neuzgi diejenigen aus Binningen, auf dem Heimweg vom Arbeitsplatz in der Stadt. Landschäftler sitzen in den Bussen der BVB, Städter im Trämli der BLT, wenn sie im "Vierzehner" vom Aeschenplatz an den Märtplatz fahren, auf Stadtboden. Man isst chinesisch in der Stadt, ob Baselbieter oder Städter, und italienisch auf der Landschaft. Oder umgekehrt: Was söll’s.
Was braucht es wohl im schönen Baselbiet, bis das auch die ganz oben merken? Noch jammern wir, befehlen nicht, und zahlen, das Baselbiet und ich. Aber irgendwann sind meine Töchter erwachsen und stehen auf eigenen Beinen. Spätestens dann habe ich ausgejammert. Und vo Schönebuech bis Ammel? Weiterhin zahlen, das schon, aber dafür auch mitreden, das müsste doch das Ziel sein. Eigentlich. Jo, mir wei! – Und mir wänn scho lang!
"Paradies" heisst das Einkaufszentrum in Allschwil, "Allschi" ist der Allschwilerwald und "Neuzgi" ist der Neuweilerplatz.
1. Februar 2010
"Beitritt der Agglomerations-Gemeinden würde reichen"
Ein schöner, wahrer Artikel. Aber – warum diskutieren wir eigentlich stets nur die "Alles-oder-Nichts"-Variante? Eigentlich würde es doch reichen, wenn die Agglomerations-Gemeinden um Basel dem Kanton Basel-Stadt beitreten würden. Das Baselbiet soll doch unabhängig bleiben! Alle diese Probleme, die laufend diskutiert werden, betreffen doch kaum Liestal oder das Oberbaselbiet – es betrifft einzig und alleine das, was jetzt schon eine Einheit mit völlig unnatürlichen Grenzen ist!
Peter Waldner, Basel