Zaubersprüche und andere faule Zauber
Supercalifragilisticexpialidocious, mit den Fingern schnippen und ALLES war aufgeräumt. Einfach genial. Es funktionierte zwar nicht bei mir, jedoch bei Mary Poppins. Zaubersprüche sind unglaublich praktisch, denn sie sparen viel Arbeit. Harry Potter nimmt noch einen Stab dazu, andere nadeln Puppen – kurzum, das Ziel wird erreicht, ohne dass man den üblichen Aufwand betreiben muss.
Man kann Zaubersprüche auch kaschieren. Es wäre ja zu peinlich, wenn Grübel an der UBS-Generalversammlung so etwas wie Supercalifragilisticexpialidocious sagen würde und schon wäre alles durchgewunken, vor allem die Décharge. Er zaubert feiner, vor allem bei gewissen Unverhältnismässigkeiten.
So verdiente beispielsweise Herr Ospel, nicht ganz unschuldig am ganzen Schlammassel, 2006 (laut "Handelszeitung") 26'591'803 Franken. Und unsere Bundesräte kriegen pro Jahr brutto je ungefähr 500'000 Franken. Sie, die die UBS seit Ospel dauernd aus der Schusslinie gezogen haben. Wie soll denn das mit Boni und Mali aufgehen?
Kein Problem, denn: Herr Ospel hat 2006 siebenmal mehr verdient als der Gesamtbundesrat und etwa zweiundfünfigmal mehr als jeder einzelne Bundesrat, weil man seine wegen seiner Misswirtschaft erlittene Rufschädigung kapitalisieren und vom Einkommen abziehen muss. Und bei den Bundesräten muss man deren durch die UBS-Rettung erlangten moralischen Erfolg kapitalisiert zum mageren Salär hinzuschlagen. Dann verdienen die alle, was sie verdienen. Ist also total logisch. Und da heisst es immer, ich könne nicht rechnen. Es braucht nur ein wenig Supercalifragilisticexpialidocious, dann geht jede erdenkliche Rechnung auf.
Sogar auch dann, wenn die UBS nun schwarze Zahlen schreibt und nicht mehr gerettet werden muss. Das ist nämlich gut möglich, denn die UBS darf, wenn es nach Calmy-Rey geht, die Wahnsinns-Boni für die Manager bald nicht mehr als Aufwand abziehen. Damit wird sie schwärzer als schwarz, bei den Beträgen. Aber dann zahlt sie mehr Steuern, und das ist ja wieder ein Verdienst des Bundesrates, also müsste beim Bundesratslohn wieder ein zu kapitalisierender moralischer Erfolg zum Salär geschlagen werden. Womit alles seine Richtigkeit hat – wirklich? Müsste ein Bundesrat, eigentlich, nicht mehr verdienen als ein Banken-CEO? Der leitet ja nicht nur eine Bank, sondern ein ganzes Land. Aber wie gesagt, ich bin nicht so gut im Rechnen.
Aber an den Zaubersprüchen bleibe ich dran. Beispiel "kein Handlungsbedarf". Das ist ein Superspruch. Damit ist alles erledigt und man kann getrost die Beine hoch lagern. Es kann passieren, was will, die Presse zitiert die Behörde am Anfang einer neuen Problemstellung immer gleich: Das Sowiesodepartement "sieht keinen Handlungsbedarf". Einiges erledigt sich ohnehin von alleine. In wenigen andern Fällen muss man dann doch noch etwas tun, leider.
Spannend wird es jetzt zum Beispiel mit diesen Raucherclübli. Wir haben abgestimmt, die Mehrheit will rauchfreien Zutritt in öffentliche Lokale, also ist da ein Gesetz, alles klar, und im Ausland rundum klappt es auch schon lange. Nun gründen die superschlauen Beizer Vereinli, damit man weiterpaffen kann und sie keine Gäste verlieren – wozu sonst. Aber ein Verein muss gemäss Zivilgesetzbuch einen nicht-wirtschaftlichen Zweck haben. Und eine Beiz ist eben eine Wirtschaft. Also ist das klar illegal. Bedauerlicherweise, für die kantonale Exekutive, denn die müsste jetzt den Bölimann spielen. Aber: Man setzt auf die Vernunft der Leute und sieht – erraten! – keinen Handlungsbedarf. Noch.
Was die können, kann ich auch, dachte ich kürzlich. Eine meiner Töchter wollte nämlich mehr Taschengeld und hatte ein astreines Plädoyer vorbereitet. Ich erwiderte: "Kein Handlungsbedarf!" und lehnte mich entspannt zurück. Schliesslich ist dieser Zauberspruch sozusagen das Hugh! des modernen Schweizer Indianers. Sie zitierte mit ihrem Blick Freiherr von Goethes Mich deucht die Alte spricht im Fieber*, warf ihre Mähne nach hinten, und tschüss. Man kann sagen, was man will, solche Zaubersprüche sind echt der Hammer.
* aus dem Hexeneinmaleins, Faust I
26. April 2010