Der heilige Sankt Florian und sein Prinzip
Der heilige St. Florian war ursprünglich ein römischer Beamter. Er konvertierte zum Christentum und weigerte sich fortan, den römischen Göttern zu dienen. Das brachte ihn um seine Stellung, sein ganzes Hab und Gut und schliesslich, anno 304, auch um sein Leben. Sein selbstloser Einsatz für die Christen wurde erst posthum geehrt, er wurde heilig gesprochen. Einerseits ist er einer der beiden Hauptschutzpatrone Österreichs, daneben aber auch der Schutzpatron diverser Berufszweige, beispielsweise der Feuerwehr. Den einfachen Bürger schützt Sankt Florian vor Feuer, wie es heisst.
Es war exakt diese Angst vor dem Feuerteufel, die das Sankt Florian-Prinzip gebar: Ein bayrischer Bürger brachte an seinem Haus eine Votivtafel an, und darauf schrieb er: "Heiliger Sankt Florian / Verschon mein Haus / Zünd andre an!"
Eigentlich suchte ja nur so ein verängstigter Kerl einen passenden Reim - und schon war das Sankt Florian-Prinzip geboren, und die Welt des heiligen St. Florian stand Kopf. Denn "Hauptsache, mir geht es gut, was kümmern mich die andern" war wirklich nie das Gedankengut des heiligen St. Florian, ganz im Gegenteil. Aber umso populärer ist es heute. Beispiele gefällig?
Wir brauchen Strom. Wir bauen AKWs, und schon läuft alles bestens. Dumm nur, dass die Problematik des radioaktiven Abfalls nicht zu lösen ist. Man bohrt hier und dort nach Endlagern, hat ideale Orte, an denen theoretisch die nächsten paar Jahre nichts passieren sollte, wenn man dort radioaktiven Abfall verlocht - und wundert sich, dass die Anwohner Amok laufen. Irgendwo gammelt also dieser Abfall derzeit ungelöst herum, wo eigentlich? Aber sollen doch die nächsten Generationen schauen, Hauptsache, wir haben erst mal Strom.
Wir haben zu viele Autos in der Stadt: Stau am Morgen, Stau am Abend, Gestank und Lärm die ganze Zeit. Also müssen die Dauerparkierer weg, aus Weissen werden Blaue Zonen. Mir ist zum einen nicht klar, weshalb es weniger Verkehr gibt, wenn von allen blauen Parkplätzen alle 60 bis 90 Minuten jemand wegfährt und jemand anders wieder einparkt (ein stillstehendes Auto stinkt ja stundenlang nicht). Zudem: Wo sollen die Dauerparkierer denn hin, sind doch die meisten unter ihnen unentbehrliche Arbeitskräfte? Sankt Florian hätte sicher nicht gedacht, dass die in Riehen, Allschwil, Binningen und St. Louis doch selber schauen sollen, wie sie aus dem Drive & Park ein Park & Ride machen.
Wer an einer Bahntrasse wohnt, kämpft nur gegen den Eisenbahnlärm, den Anrainer einer Ausfallstrasse interessieren die Flieger nicht. Und wer in der Flugschneise wohnt, dem ist die Eisenbahn so lang wie breit, Hauptsache Flieger weg. Jeder will seine Ruhe und keine Angst, wenn die Kinder die Strasse überqueren müssen, Züge mit Sondermüll vorbeirattern, oder Flieger nur knapp über die Dächer donnern.
Wir sind eine Ego-Gesellschaft geworden. Wir denken bis vor die eigene Haustüre, und keinen Schritt weiter. Das Resultat: Probleme werden verlagert, nicht gelöst.
So wie eine elegante Dame, auf die ich vor vielen Jahren in Italien traf. Ich ratterte als Studentin in einer uralten Vierrad-Kiste ohne Benzinanzeige durchs Land und blieb prompt vor dem blitzblanken Haus der Signora stehen. Also fragte ich sie nach der nächsten Tankstelle. Sie erklärte hilfsbereit und fragte ihrerseits, ob ich denn nicht einen Kanister brauche. Sie habe nämlich gerade kürzlich einen alten auf die Wiese gleich gegenüber geschmissen. Da lag er dann auch, mitten im kniehohen Unkraut. Hauptsache, das Haus war picobello, was kümmerte die Dame die Wiese gegenüber.
Und dies alles, weil jenem Hausherrn in Bayern kein besserer Reim einfiel. Dabei wäre es doch so einfach gewesen: "Heiliger Sankt Florian / Verschon mein Haus / Zünd keines an!" Und die Welt wäre eine andere. Vielleicht.
17. Mai 2010