Totaler Triumph für die Basler Linke
Von PETER KNECHTLI
Eine gehörige Portion Frustration über die Abwahl seines Parteikollegen Sebastian Frehner aus dem Nationalrat dürfte mitgespielt haben, als der Basler SVP-Grossrat Joël Thüring folgenden Satz in den Computer hämmerte: "Man kann den Bürgerlichen gratulieren. Dank einer selten dämlichen Listenverbindung rutscht der Sitz nach links. So funktioniert bürgerliche Politik in Basel-Stadt."
Es war die bittere reale Proporz-Erfahrung eines treuen Parteigängers, dass Katja Christ dank einer Wählerstärke von 5,2 Prozent als erste grünliberale Baslerin die Wahl nach Bern schaffte, die SVP mit 11,5 Prozent ihren Frehner-Sitz aber verlor. Grund ist die breite, von sechs sich als "Mitte" verstehenden bürgerlichen Parteien eingegangene Listenverbindung unter Ausschluss der SVP, wie es sie in Basel so noch nie gab.
Dass die SVP in dieser Allianz fehlte und völlig isoliert in Wahlen ging, liegt aber weniger an den Allianz-Parteien als an ihr selbst. Sie hat sich in der letzten Legislatur als Krach- und Intrigantenstadel von seltenem Beispiel gezeigt und es mit ihrer – für die Mitte-Parteien inakzeptablen – SVP-Begrenzungs-Initiative verunmöglicht, mit Gegnern einer Kündigung der Personenfreizügigkeit ins gleiche Bett zu steigen.
"Ob FDP und CVP ihre Regierungs-Sitze
halten können, bleibt ungewiss."
Anderseits ist Thüring insofern beizupflichten, als die breite Mitte-Allianz nun zu einer Basler Nationalrats-Delegation führt, die grüner und linker ist als die bisherige. Der ökologisch affine Liberale Christoph Eymann bildet in diesem Quintett den "rechten Flügel". Die Vermutung dürfte nicht abwegig sein, dass sich von dieser Listenverbindung in erster Linie die Freisinnigen die Rückeroberung des Sitzes erhofft haben, den Daniel Stolz vor vier Jahren an LDP-Eymann verlor.
Die einst stolze staatstragende FDP hat in Basel innerhalb von vier Jahren ein Drittel ihrer Wählerschaft eingebüsst und sieht sich heute mit einem Wähleranteil von mickrigen 5,4 Prozent in den Status einer Kleinpartei zurückversetzt. Die Mega-Themen hat sie komplett verschlafen. Mit Ausnahme einer übergelaufenen Grünliberalen ist die freisinnige Grossrats-Fraktion ein reiner Männer-Club. Von konstruktiven Klima-Vorschlägen, die auch vom Verhalten des Individuums Bewusstseins-Änderungen fordert, keine Spur.
Während drei Jahren begnügte sich die Partei mit Präsenz- und Profillosigkeit – und als der gestrige Wahltermin in die Nähe rückte, reagierte sie mit purer Verzweiflung: Der Drogenliberalisierer, ehemalige Stadtentwickler und flugs noch FDP-Quereinsteiger Thomas Kessler war als Zugnummer gedacht. Der erwartete Ruck durch die Partei blieb aus. Sie bedarf einer grundlegenden Erneuerung.
Aus dem politischen Niemandsland zauberte die Partei mangels Alternativen auch die Frauen-Regierungskandidatur Nadine Gautschi aus dem Hut. So erfrischend ihre subjektiv-kritische Zustands-Beschreibung des Stadtstaates, so unerfahren und mit der politischen Geschichte der Region wenig vertraut präsentierte sich die von einigen Medien kaum zu ihrem Vorteil hochgeschriebene Kandidatin.
Mit einem ähnlich starken Wählerverlust in die Bedeutungslosigkeit abgerutscht ist die CVP, die – vielleicht mit Ausnahme ihrer Prämieninitiative – aus eigener Kraft kaum mehr etwas zustande bringt. Wenn die Wahlen vom Wochenende einen anhaltenden Trend beschreiben, dann müssen sich FDP und CVP im Hinblick auf die Regierungsratswahlen in einem Jahr ernsthafte Sorgen um ihre Amtsträger Baschi Dürr und Lukas Engelberger machen. Die beschwingten Grünliberalen werden mit einer eigenen Kandidatur kommen und ihre Chancen in einem zweiten Wahlgang nutzen wollen.
Die Liberalen konnten seit 2011 in mächtigen Schritten zulegen und haben nun mit 14,2 Prozent die SVP als stärkste bürgerliche Kraft abgelöst. Präsidentin Patricia von Falkenstein ist es mit ihrer pflichtbewussten, engagierten Art, einer gewissen Leichtigkeit und einer sorgfältigen Personalpolitik gelungen, die Partei auf Erfolgskurs zu führen. Die Ständeratswahl gegen die klare Favoritin Eva Herzog war nicht zu gewinnen, aber ihr Platz als erste Nachrückende lässt doch einige Spekulationen zu.
Dank einem Zusatz-Effort gegen Wahlkampf-Schluss gelang der Zitterkandidatin Sibel Arslan vom Grünen Bündnis die Wiederwahl. Dass dies auf sozialdemokratischer Seite auch Beat Jans schaffte, mit Mustafa Atici und Sibel Arslan aus Basel gleich zwei kurdischstämmige Politiker nach Bern ziehen, Eva Herzog mit ihrer Doppelkandidatur erfolgreich war und Tanja Soland auf Anhieb den Sprung in die Regierung glückte, macht den Wahltag vom 20. Oktober für die Basler Linke zu einem uneingeschränkten Triumph.
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21. Oktober 2019
"Grossartige Zusammenfassung"
In sechs Sätzen das FDP-Dilemma zusammengefasst und die "von einigen Medien hochgeschriebene Kandidatin" eingeordnet. Grossartige Zusammenfassung dieser Wahlen und genau auf den Punkt gebracht.
Erwin Schönholzer, Basel
"Ohne OnlineReports bliebe uns ..."
Herzlichen Dank, Peter Knechtli, für Ihren differenzierten Kommentar. Ohne Ihr Portal blieben uns in Basel einzig "Prime News" mit seinen schwarz/weiss geschwängerten und in meiner Wahrnehmung völlig unqualifizierten Kommentaren des Chef-Redaktors.
Franz Vettiger, Basel