... Yangon II: Resignation und Hoffnung
In Yangon wird natürlich das Touristenprogramm absolviert, nämlich Pagoden, Buddhas, Naturschönheiten, der britische Militärfriedhof für die Gefallenen des Zweiten Weltkriegess, der Früchte- und Gemüse-Engros-Markt. Auch eines der vielen westlichen, darunter auch Schweizer Charities (Waisenhäuser, Lehrlingsausbildung, Schulen) sollte besichtigt werden. Doch sich einfach zwei, drei Tage in Yangon ohne Programm zu bewegen, in Strassenküchen essen, beobachten, das bringt Kontakte.
Derzeit allerdings sind viele Burmesinnen und Burmesen extrem vorsichtig , sich öffentlich überhaupt mit einem Ausländer zu zeigen. Angst geht um. Die Fernsehbilder, welche Ende September die Welt bewegten, sind von den Sicherheitsleuten des "Staatsrats für Frieden und Entwicklung" dazu verwendet worden, systematisch Leute zu identifizieren und lange schwarze Listen anzulegen.
Wie viele Leute verhaftet und wie viele wieder freigekommen sind, wie viele ums Leben gekommen oder verletzt worden sind, das ist schwer abzuschätzen. Von den zu niedrigen Propaganda-Zahlen der Militärs bis hin zu den wohl zu hohen Schätzungen der westlichen Medien und Menschenrechtsorganisationen gibt es eine weite Spanne. Doch das Gezänk um Zahlen - hier Militär-Propaganda, dort die Absicht, die Militärs mit hohen Zahlen möglichst dunkel und verbrecherisch aussehen zu lassen - ist unwürdig. Was ist denn - moralisch gesehen - der Unterschied zwischen den von der Regierung zugegebenen 15 toten Mönchen und Demonstranten und den "Hunderten, vielleicht Tausenden von Toten" der Exil-Burmesen und westlichen Menschenrechts-Organisationen und Medien? Jeder Tote ist zuviel. Jeder Tote ist ein Skandal. Und dafür ist der "Staatsrat für Friede und Entwicklung" verantwortlich.
Nach meinen in Yangon und Mandalay gesammelten Informationen - Augenzeugen und Ärzte - kamen damals im September zwischen drei- und vierhundert Menschen ums Leben. Wieviele der damals Verhafteten wieder in Freiheit sind, ist kaum abschätzbar. Die Generäle behaupten, fast alle seien wieder entlassen. Selbst wenn das zutreffen sollte, sitzen noch immer weit über tausend politische Gefangene in den Kerkern, und das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) darf sie nicht besuchen.
Ob den Generälen die ausländischen Touristen willkommen sind? Jein. Ausländische Reisende bringen nämlich politisch inkorrekte Ideen ins Land; andrerseits bezahlen sie ihren Aufenthalt aber auch mit dringend benötigten Devisen. Doch die Touristen-Dollar und Euros kommen auch all jenen zugute, die im Tourismus-Sektor arbeiten. Die einfachen, freundlichen Burmesinnen und Burmesen profitieren jedenfalls. Sie haben Arbeit und das Gefühl, dass sie vom Ausland nicht ganz vergessen werden. Dass die Generäle mitkassieren, versteht sich von selbst.
Wird sich bald etwas ändern? Von ausländischem Druck, Boykott und den UNO-Vermittlungsbemühungen erwartet kaum jemand etwas. "Die Worte von Politikern wie US-Praesident Bush oder UNO-Vermittler Gambari sind Schall und Rauch und geben dem Westen ein gutes Gewissen fuers Nichtstun", sagt ein jüngeres Mitglied der oppositionellen Liga für Demokratie.
Wird sich also nichts ändern? In den Strassen von Yangon, Bago oder Mandalay erhält man überall die gleiche Antwort. Es werde nicht so bald wieder zu Protesten kommen, ganz einfach deshalb, weil die Militärs im September so hart zugeschlagen haben. "Wir haben Angst", sagte ein Mönch in Bago, "aber wir geben nicht auf". In Yangon meint ein Strassenhändler: "Wir leben zwischen Resignation und Hoffnung. Aber wir wissen jetzt auch, dass wir es nur aus eigenen Kräften schaffen werden. Und irgendwann werden wir frei, demokratisch und ohne Angst sein."
14. Januar 2008