... Bern: Breaking News
Vor der Weiterreise nach Asien noch einmal einen Brief in einen Schweizer Briefkasten werfen. Zur Erinnerung: Handgeschrieben wie immer, mit Füllfeder, schwarzer Tinte auf feinem, weissen Papier. Nach Basel ist jetzt also, nein nicht Zürich Downtown Switzerland ohne Südanflug, an der Reihe, sondern Bern, du scheene Schwyzer Schtärn. Über Bern rümpfen Zürcher stets die Nase und für Basler ist Bern - ausser in der Politik - schlicht kein Thema. Für andere Schweizer wiederum ist gerade mal der Dialekt "heimelig", die Stadt selbst unbekannt oder als kulturloses Bürokraten- und Politikaster-Zentrum verschrieen.
Nichts falscher als das. Bern hat das, woran es Zürich trotz aller Kultur, Wirtschaft, Bahnhofstrasse und Banken so schmerzlich mangelt: Charme nämlich. Nur die Lausanner, Genfer und Staviacois können es mit den Bernern in dieser Beziehung noch aufnehmen. Mit den Baslern - voller Witz und einem Quäntchen Charme - teilen die Berner die Liebe zur Kultur. Nicht nur, weil die Mutzen zu ihrer Altstadt Sorge getragen haben, während die Zürcher und Baseler im Aufbruch zur Moderne zu vielen Beton-Träumen nachhingen. Auch die darstellenden und bildenden Künste kommen in der Bundeshauptstadt nicht zu kurz.
Nach soviel Lob vielleicht doch ein kritisches Wort zur aktuellen Lage. Kommt der Reisende nämlich derzeit am Hauptbahnhof an - die wenigsten werden wohl am "internationalen" Flughafen Belpmoos landen - empfängt ihn Chaos pur. Der Bahnhofplatz ist eine riesengrosse Baustelle und eben auch ein Tram-Knotenpunkt. Die Orientierung für die ankommenden Basler, Zürcher, Genfer, Deutsche oder eben Pekinger ist nahe an Null. Mit andern Worten, der stadtunkundige irrt wild hin und her, versucht aus den schlecht und unklar beschrifteten Orientierungstafeln sich einen Reim zu machen. Nur eben, nichts reimt sich mehr auf dem Berner Bahnhofplatz. Die schönen roten Trämli - was für eine Wohltat nach so viel Blau in Zürich und Grün in Basel - sind, wenn überhaupt, erst dann zu finden, wenn der erste Termin bereits geplatzt ist. Alles aber soll, so trösten einem Ortsansässige, bis zur Euro 08 fertiggestellt sein. So lange?, fragt man sich da als Pekinger automatisch. Nun ja, das ist eben Schweizer Tempo. Nicht Berner Tempo, wie die neunmalklugen Zürcher sofort antworten würden.
Auch Schweizer Radio DRS unweit des Bahnhofplatzes ist - ein kurzes Wort in eigener Sache - eine einzige Baustelle. Und auch dort gehen die Bauarbeiten im obligaten Schweizer Tempo nur langsam voran. Im Unterschied zum Bahnhofplatz aber merkt das ausser den Radiomachern niemand. Schon gar nicht die Radiohörer und Hörerinnen. Im Gegenteil. Die Qualität der Informationssendungen aus der Baustelle Studio Bern wird immer besser. Seit kurzem gibt es sogar ein Nachrichten-Radio mit dem gut schweizerischen Namen "DRS4-News". Dort sind rund um die Uhr Nachrichten, Beiträge mit Hinter- und Vordergründigem zu hören ohne einen einzigen Takt Musik. Toll. Nur eben, warum muss das denn "DRS4-News" heissen? "DRS4-Nachrichten" hätte ja wohl auch gereicht.
Nun ja, im Zeitalter in dem auch in der Schweiz bei sogenannten Qualitätszeitungen - und hélas auch auf OnlineReports - ganz selbstverständlich und ohne jede Scham neudeutsch "Breaking News" im Vokabular enthalten ist, ist "DRS4-News" eine geradezu lässliche Sprachsünde.
Da tickt halt Peking doch ein wenig anders. Breaking News gibt es da schon deswegen nicht, weil nichts "Breaken" kann. Der Zensor als Gate-Keeper - um stilgerecht in neudeutsch fortzufahren - verhindert das noch immer erfolgreich. Rund um die Uhr.
26. November 2007