... Yangon I: Politisch korrekt?
Yangon in Myanmar ist seit den Demonstrationen vom September kein Traumziel westlicher Touristen mehr. Zuvor war das jedoch eine Destination, die nach Aussagen von Touristen deshalb so anziehend war, weil alles noch so war wie vor vierzig, fünfzig Jahren. Sicher. Nur eben: Die Mehrheit der Bevölkerung hat das weniger anziehend und charmant gefunden, die zerfallenden Häuser, die holprigen Hauptstrassen, die permanente Teuerung. Seit vierzig, fünfzig Jahren werden Burmesinnen und Burmesen von Militärs regiert, die von Wirtschaft keine Ahnung haben und das einst wirtschaftlich reiche Land nach UNO-Statistiken zu einem der ärmsten Länder der Welt "entwickelten".
Über Burma/Myanmar, über Boykott oder Nicht-Boykott lässt sich im Westen wegen gravierender Menschenrechtsverletzungen in diesem südostasiatischen Land heute nur noch schwer diskutieren. Es fängt schon beim Namen an. Nach Meinung vieler westlicher Burma-Hilfs- und Menschenrechts-Organisationen müsste es, politisch korrekt, anstatt Yangon Rangoon und, anstatt Myanmar Burma heissen. Schliesslich haben die Generäle, seit 1962 an der Macht, "selbstherrlich" die neuen Namen gewählt.
Neu? Nun, es sind die alten, traditionellen Namen. Burma und Rangoon sind jene Bezeichnungen, welche die britischen Kolonialherren dieser Region - zunächst Teil britisch Indiens und seit 1937 Kronkolonie - gegeben haben. Muss nun im Namen der Menschenrechte die koloniale Bezeichnung Burma und Rangoon verwendet werden, nur weil die Generäle beim Namenwechsel nicht das Volk befragt haben? Absurd. Schliesslich wurde - um nur eines von vielen Beispielen zu nennen - die demokratisch regierte indische Stadt Bombay ohne Volksabstimmung in Mumbai umbenannt.
Yangon oder eben Rangoon, die grosse Hafenstadt Myanmars oder eben Burmas, ist trotzdem eine Reise wert - vorausgesetzt, der ausländische Besucher ist gut informiert, offen, neugierig und respektvoll. Seit den brutal von den Militärs unterdrückten Unruhen von Mönchen, Studenten und einfachern Burmesen und Burmesinnen allerdings ist das nach Ansicht vieler im Westen politisch total inkorrekt. Der Touristenstrom ins interessante, geheimnisvolle Myanmar ist denn in den letzten Monaten auch abrupt zusammengebrochen. "Das Licht von Myanmar", die offizielle Tageszeitung der Militärjunta mit dem Orwellschen Namen "Staatsrat für Friede und Entwicklung", beziffert den Touristen-Rückgang auf satte 50 Prozent gegenüber der Vergleichsperiode des Vorjahrs.
"Warum", fragte ein alter Bekannter beim vertraulichen Gespräch in der Nähe der Sule-Pagode im Zentrum Yangons, "warum bleiben die Touristen aus? In Vietnam, China oder Laos, wo doch auch autoritäre Regierungen an der Macht sind, und wo Menschenrechte ja auch nicht gerade hochgehalten werden, floriert doch der Tourismus, oder nicht? Proteste oder Boykott-Aufrufe aus dem westlichen Ausland sind dort auch nicht zu hören. Warum?"
Warum? Nun, wenn die Moral zwischen Interessen-, Wirtschafts- und Machpolitik gerät, dann ist guter Rat in der Tat teuer.
Die Sule-Pagode und die berühmte Schwedagon-Pagode standen im Zentrum des Widerstandes. Schon bei den Protesten 1988 hielt Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi - Tochter des Unabhängigkeitsheros Aung San - flammende Reden in der Schwedagon-Pagode. Bei den Protesten im September warteten die Militärs lange, schlugen dann aber umso härter zu und beendeten den Protest in einem Blutbad. Drei Monate danach sind die Soldaten aus der Öffentlichkeit verschwunden. Der naheliegende Schluss: Die Generäle fühlen sich in ihrer neuen Hauptstadt Naypyidaw sicher im Sattel.
24. Dezember 2007
"Wer wird bestraft, wenn die Touristen fehlen?"
November/Dezember 2007 waren wir für drei Wochen in Myanmar und können nur bestätigen, was Peter Achten schreibt. So schwierig das Leben für die Bevölkerung auch ist und so menschenverachtend die Regierung auch handelt, mit unserem Ausbleiben verschlimmern wir die Situation noch.
Es war "eindrücklich" zu sehen, wie viele Menschen von den Einkünften aus dem Tourismus leben, und wenn diese schon sehr spärlich sind, wer wird bestraft wenn sie fehlen - die Generäle? Wir wurden empfangen mit den Worten: "We appreciate your coming" und in diesem Sinne möchten wir alle Reisefreudigen ermuntern, dieses faszinierende Land mit seinen freundlichen Bewohnern zu besuchen.
Annemarie und Jürg Stahel-Lanz, Klosters