![]() Als Student in der ZwangspauseVergangene Woche hatte ich Pause. Mitten im Stress des Semester-Endes steckte ich mich an einem Konzert mit Corona an. Am ersten Tag mit leichten Symptomen zwang ich mich noch an die Uni. Stress- und Pollen-bedingt schnupfen und husten da gerade sowieso alle ein wenig herum. Am zweiten Tag kam das Fieber. Ich testete erneut und erstmals positiv: ab in die Selbstisolation.
Der Verlauf war harmlos, aber zwang mich, Pause zu machen: Statt mir bei über dreissig Grad in der brechend vollen Uni-Bibliothek Adorno in den Kopf zu drücken, genoss ich zuhause den Balkon. Meine Mutter versorgte mich mit Einkäufen. Mein Kühlschrank war noch nie so voll.
Die Zeit vertrieb ich mir mit Velorennen im Fernsehen. Gegenüber meinen Mitbewohnenden, die den Reiz darin nicht sahen, argumentierte ich wie ein Mittfünfziger – man sehe dabei ganz viel schöne Landschaft – und schlief trotzdem immer ein. "Jetzt machen bereits Gymi-Abschliessende So entspannt war ich aber nicht durchgehend. Gerade in der Prüfungszeit, wenn sich das ganze Leben in der Bibliothek abspielt, bleibt immer das Gefühl, erstens nicht genug erledigt zu haben und zweitens etwas zu verpassen. Sei es das Bier, das alle nach dem letzten Seminar zusammen trinken gehen oder das Rheinschwimmen in der Mittagspause – FOMO ("Fear of missing out") entsteht selbst im grössten Stress noch.
Die verlängerten Öffnungszeiten während der Prüfungsphase tragen auch ihren Teil dazu bei, dass Freizeit und Uni komplett ineinander übergehen. Von acht Uhr morgens bis zehn Uhr abends offen, verleitet die Uni-Bibliothek zum Wettbewerb, wer es am längsten aushält. Dass nie Feierabend ist, lernen wir schon früh – perfekte Vorbereitung für das Berufsleben.
Neu ist für mich, dass dieses Jahr bereits Gymi-Abschliessende für ihre mündlichen Prüfungen in die Bibliothek drängen. Mit ihren Reclam-Büchlein machen sie den Studis die raren Plätze im Lesesaal streitig und haben den entscheidenden Vorteil, wegen der Schule noch nicht verlernt zu haben, früh aufzustehen.
Von der Coronainfektion zur Verschnaufpause gezwungen und ein wenig erholt, stand ich am Tag nach überstandener Selbstisolation, als ich sicher war, jenen in der Reihe vor mir nicht mehr in den Nacken husten zu müssen, wieder um kurz nach acht in der Bibliothek.
Bis im Sommer bin ich jetzt also wieder von Jus-Studis umgeben, die nur noch in Gesetzesartikeln reden und einander die Rechtsgrundlage ihres Pausenbrots erläutern müssen, bevor sie es essen können.
Eine meiner Begleitpersonen und die halbe Band hat es am Konzert übrigens ebenfalls erwischt. Während ich die Pause genossen habe, musste diese ihre Tour unterbrechen. Eine Verschnaufpause kann guttun, aber manchmal kommt sie echt im falschen Moment. 23. Mai 2022
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