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Aurel Schmidt: "Seitenwechsel"

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Die Orte verschwinden – aber nicht ganz

Mit den Worten "Dies ist der schönste Ort auf Erden" beginnt das Buch "Die Einsamkeit der Wüste" von Edward Abbey. Abbey lebte von 1927 bis 1989 und war Park Ranger im heutigen Arches National Park im US-Bundesstaat Utah. Wenn es der schönste Ort sein soll, kann es nur einen geben, einen einzigen, aber er kann überall liegen. Für Abbey war es der schönste Ort, weil er es sagte. Jeder kann, wenn er will, seinen eigenen Ort als schönsten auf Erden bestimmen. Die Beschreibung von drei Aufenthalten als Ranger im Archer Park und die während dieser Zeit gemachten Beobachtungen bilden den Inhalt von Abbeys Buchs.

Heute so zu reden, ist schwierig geworden, weil unter dem Einfluss der elektronischen Medien die Distanzen entfallen sind und der physikalische Raum zu einer Illusion geworden ist, zu einer informationstechnologischen Sphäre. Wir müssen uns heute als Bürger der Zeit beziehungsweise des Zeitraums verstehen.

Das Suchen nach dem versteckten idealen Ort, dem locus amoenus, erscheint je mehr, desto länger aussichtslos. Was wir Welt nennen, ist unerbittlich ubiquitär geworden, all over the world, also überall anzutreffen. Präsenz stellt sich als Telepräsenz heraus, zum Beispiel beim Skypen, und meine von der Sicherheitsindustrie verwalteten Daten sind überall zugänglich, solange ein Anschluss besteht, an denen es jedoch nicht mangelt. Atopie, also Ortlosigkeit, ist zum unabänderlichen Schicksal geworden.

Paradoxerweise schrumpft aber nicht nur der Raum, sondern auch die Zeit. Wir halten uns an den verbliebenen distinkten Orten immer kürzer auf. Genau genommen, sind wir Menschen auf der Durchreise.


"Also ankommen, um den Ort zu lokalisieren
und einzunehmen."


A
ls der französische Seefahrer Louis-Antoine Bougainville auf seiner Weltumsegelung 1766-69 nach Tahiti kam, fand er ein Paradies vor, über das er sich in den höchsten Tönen ausliess – nach nur acht Tagen Aufenthalt. "Lebt wohl, glückliche und weise Menschen", schrieb er bei der Abreise in sein Schiffstagebuch. Der wenig hoffnungsvolle Ton ist unüberhörbar; Bougainville musste den bald beginnenden Untergang der Welt mit den natürlich lebenden Menschen geahnt haben.

Mit dem Raum lösen sich auch die realen Orte in Luft auf, aber es gibt doch immer noch viele Argumente und Bestrebungen, um sie zu bewahren oder zurückzugewinnen. Wenn ich überlege, scheint mir das Ankommen das entscheidenste Kriterium zu sein.

A
uf den Reisen in der Wüste, wenn abends die Führer beschliessen, Halt zu machen und ein Camp einzurichten, breiten sie die Matten im Sand aus, legen eine Feuerstelle an und kochen Tee. Das ist ein Akt, um zu manifestieren: Hier ist der Ort, von dem aus der Raum kartografiert und auf diese Weise eingenommen und bewohnbar gemacht wird.


Also ankommen, wo auch immer. Zum Beispiel in einer windschiefen Lodge in Nepal, wo ich mich nach der Tagestour ausruhte und wo, nachdem ich das Kopf- mit dem Fussende der Pritsche vertauscht hatte, der Blick durch das Fenster auf den Ama Dablam fiel, der sich wie ein Fingerzeig aus einer anderen Dimension erhob; oder in Arizona, wo mir der Besitzer eines Motels das letzte freie Zimmer nicht geben wollte, weil der Fernseher defekt war. Ich nahm das Zimmer trotzdem, und wenn ich nachts aufwachte und die Trucks über den Highway donnern hörte, wusste ich genau, dass dieser Ort der Mittelpunkt der Erfahrung war, die ich machte.

Viele Orte im Ablauf ergeben einen Reiseweg, der im Rückblick mit dem Lebensweg identisch wird. Aus einer Unzahl von geografischen Orten setzt sich meine Biografie zusammen. Cartesianisch gesprochen: Solange ich von Ort zu Ort reise, kann ich sagen, dass ich bin, lebe, meiner bewusst werde,  jedenfalls solange es noch einen nächsten Ort zum Ankommen gibt.

Die Atopie-Theorie hat natürlich recht, wenn sie die Problematik des Raums zur Diskussion stellt und zur Erklärung auf elektronische Kommunikation, Netz, Zirkulation, Logistik, Globalisierung hinweist. Das E-Mail kann den Briefkasten an der Haustüre vielleicht verdrängen, und für ein Börsengeschäft muss niemand nach Frankfurt oder London reisen, es ist in Echtzeit möglich. Auch wenn das Leben nomadologisch geworden sein sollte, ändert die um sich greifende und alles erfassende moderne Medientechnologie am täglichen Leben der Menschen in Wirklichkeit nur wenig. Der Alltag ist immer noch auf klar distinkte Orte angewiesen.
 
Der Coiffeurladen im Quartier, die Steckdose, der Stammtisch werden immer ihre lokale Bedeutung behalten. Und die lieux de mémoire, die Erinnerungsorte, zum Beispiel das Rütli, werden wie die bestiegenen Berggipfel ihre Ortsgebundenheit nicht verlieren. Das gilt zuletzt auch für das Grab.

Die Atopie-Verfechter haben dies aber auch nie bestritten. Sie gehen davon aus, dass die Standorte, Lokalitäten, Milieus erhalten bleiben, aber ihre Position jederzeit beliebig disloziert werden kann. Zum Coiffeur oder abends ein Bier trinken gehen kann ich überall. Worauf es ankommt, ist das, was geschieht. Wo es sich ereignet, ist eigentlich egal. Darüber werden wir in Zukunft neu nachdenken müssen.


15. Mai 2017
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Aurel Schmidt, 1935–2024, war bis Mai 2002 Redaktor der "Basler Zeitung" (vorher "National-Zeitung"). Er war mitverantwortlich für das jeden Samstag erscheinende "Basler Magazin" und verfasste zahlreiche philosophische Essays, Reise-Reportagen, Kommentare und Kolumnen. Schmidt, der heute als Schriftsteller und freier Publizist in Basel lebt, machte sich auch als Autor mehrerer Bücher einen Namen: "Der Fremde bin ich selber" (1982), "Wildnis mit Notausgang. Eine Expedition" (1994), "Von Raum zu Raum. Versuch über das Reisen" (1998). Ausserdem liegen vor: "Lederstrumpf in der Schweiz. James Fenimore Cooper und die Idee der Demokratie in Europa und Amerika" (2002), "Gehen. Der glücklichste Mensch auf Erden" (2006), "Auch richtig ist falsch. Ein Wörterbuch des Zeitgeists" (2009). Zuletzt erschienen: "Die Alpen. Eine Schweizer Mentalitätsgeschichte" (2011). © Foto by OnlineReports.ch

aurel.schmidt@bluewin.ch

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"Heute einen neuen Präsidenten wählt Tunesien."

Radio SRF 1
in den 8 Uhr-Nachrichten
vom 6. Oktober 2024
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Gepflegte News-Sprache hier zelebriert wird.

RückSpiegel

 

Die BaZ bezieht sich in einer Meldung über den neuen Geschäftsführer der Aids-Hilfe beider Basel auf eine Recherche von OnlineReports.

BaZ, bz, Baseljetzt und Happy Radio nehmen die Recherche von OnlineReports über den Abgang des Finanzchefs Tim Kretschmer beim Kunstmuseum Basel auf.

Die BaZ bezieht sich in einem Artikel zur Abstimmung über das Baselbieter Gesundheitsgesetz auf eine Recherche von OnlineReports zum Mangel an Kinderärzten im Oberbaselbiet.

Die BaZ zitiert die OnlineReports-Meldung über die Nachfolgelösung beim BackwarenOutlet.

Telebasel bezieht sich in einem Beitrag über Ticket-Betrüger beim Källerstraich auf ein Bild von OnlineReports.

persoenlich.com nimmt die Meldung von OnlineReports über den Wechsel des BaZ-Journalisten Sebastian Briellmann zur NZZ auf.

persoenlich.com bezieht sich auf die OnlineReports-Meldung über den Stellenantritt von Martin Regenass bei Prime News.

Die bz zitiert OnlineReports bei einer Meldung zur Wahl des neuen SVP-Fraktionschefs im Baselbieter Landrat.

20 Minuten, Baseljetzt und Happy Radio nehmen Bezug auf die OnlineReports-Recherche zur tanzenden Wagenführerin der BVB.

Das SRF-Regionaljournal Basel, die BaZ, die bz, Happy Radio und Baseljetzt zitieren die Recherche von OnlineReports zum Interimschef der Kantonspolizei Basel-Stadt.

Das SRF-Regionaljournal Basel verweist auf die OnlineReports-Recherche zu den finanziellen Problemen bei der Aids-Hilfe beider Basel.

20 Minuten und zentralplus zitieren die OnlineReports-Recherche über die Baselbieter Obstbauern, die ihre Kirschen nicht verkaufen können.

Die BaZ und 20 Minuten beziehen sich in einem Artikel über den tödlichen Unfall im St. Johann auf einen Bericht aus dem OnlineReports-Archiv.

Die bz nimmt die OnlineReports-Recherche über den Kunst-Coup der Stiftung Im Obersteg auf.

Die bz vermeldet den Tod von Aurel Schmidt und bezieht sich dabei auf OnlineReports.

Baseljetzt, bz, Volksstimme, SDA und Happy Radio nehmen die Recherche von OnlineReports über den geschassten CEO Marcel Allemann auf.

Die bz berichtet, dass Landrat Hannes Hänggi das Mitte-Präsidium übernehmen will, und verweist dabei auf OnlineReports.

Das Portal kath.ch nimmt die OnlineReports-Recherche über die Pläne der Basler Hicret-Moschee in Reinach im Medienspiegel auf.

Baseljetzt nimmt die Recherche von OnlineReports über den "Fuck SVP"-Schriftzug am Nebiker-Turm in Sissach auf.

In ihrem Bericht über die Wahl des neuen Baelbieter SVP-Präsidenten zitiert die Basler Zeitung aus einem OnlineReports-Kommentar.

Weitere RückSpiegel







In einem Satz


Die Architektin und Stadtentwicklerin Barbara Buser erhält den Basler Kulturpreis 2024.

SRF-Literaturredaktor und Drummeli-Regisseur Michael Luisier ist neu Mitglied des Schnitzelbank-Comités.

Der frühere Diplomat Paul Seger übernimmt das Präsidium der Winterhilfe Basel-Stadt von Marianne Eggenberger.

Grünen-Politikerin Natalie Oberholzer aus Liestal rückt für Erika Eichenberger in den Landrat nach.

Beatrice Stirnimann, CEO der Baloise Session, wird zur "Ehrespalebärglemere 2024" ernannt.

Eventmanager Beat Läuchli wird Projektleiter des Eurovision Song Contest (ESC) 2025 in Basel.

Michael N. Hall vom Biozentrum der Universität Basel erhält den Balzan-Preis 2024 für seine Forschung zu den biologischen Mechanismen des Alterns.

Der 27-jährige Journalist Maximilian Fankhauser übernimmt im Oktober die Leitung von Baseljetzt, der Online-Newsplattform von Telebasel; die jetzige Stelleninhaberin Lea Meister wechselt zu Prime News.

Manuela Witzig, bisherige Leiterin der deutschsprachigen Unternehmenskommunikation, übernimmt per 9. September 2024 von Direktor Matthias Suhr die Leitung der Kommunikation und Public Affairs beim EuroAirport.

Evelyn Borer,
Synodenpräsidentin der Evangelischen Kirche Schweiz, ist neue Präsidentin des Vorstands von Mission 21.

Markus Habegger übernimmt am 2. August die Leitung des Tageshauses für Obdachlose in Basel als Nachfolger von
Paul Rubin.

Der Basler Rechtsanwalt und Baurechtsexperte Daniel Gebhardt wird neuer Verwaltungsratspräsident der Rhystadt AG, der grössten Eigentümerin auf dem Klybeck-Areal. 

Die Baselbieter Grünen-Landrätin Erika Eichenberger tritt im September zurück, Natalie Oberholzer rückt nach.

Ass. Prof. Dr. Prisca Liberali wird für ihre Forschung auf dem Gebiet der Gewebebildung mit dem Wissenschaftspreis der Stadt Basel ausgezeichnet.

Sarah Mehler folgt am
1. Oktober als neue Geschäftsführerin der Kaserne Basel auf Eva Heller.

Markus Jordi,
langjähriges Mitglied der SBB-Konzernleitung, übernimmt am 1. Januar 2025 den Vorsitz des Fachhochschulrats der Fachhochschule Nordwestschweiz.

Karoline Sutter und Urs Berger treten nach über zehn Jahren per 31. März 2025 aus dem Bankrat der Basler Kantonalbank zurück, die Vakanzen werden demnächst ausgeschrieben.

Jacqueline Herrmann und Alexander Bieger lösen Brigitte Jäggi ab, die als Rektorin des Gymnasiums Muttenz in Pension geht.

Bettina Zeugin folgt als Präsidentin von insieme Baselland auf Röbi Ziegler.

Der frühere Baselbieter SP-Regierungsrat Peter Schmid gibt das Präsidium des Freundevereins Zoo Basel an seine Parteikollegin und Landrätin Miriam Locher ab.

Eine Findungskommission sucht eine Nachfolge für Anna Schmid, Direktorin des Museums der Kulturen Basel, die 2025 in Pension geht.

Grünen-Politikerin Flavia Müller aus Allschwil rückt für Biljana Grasarevic in den Baselbieter Landrat nach.

Doppel-Pensionierung am Euro-Airport: Direktor Matthias Suhr geht Ende März 2025, sein Stellvertreter Marc Steuer Ende Dezember 2025 in den Ruhestand.