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Aurel Schmidt: "Seitenwechsel"

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Der Unterschied von Feind und Kontrahent

Jedes Mal, wenn ich den Ausdruck Rassismus höre, weiss ich, was kommt. Natürlich verdienen rassistische Reden und Akte, kategorisch verurteilt zu werden, wie es ja auch geschieht. Doch beim gegenwärtigen inflationären Gebrauch hat der Begriff seine Aussagekraft verloren. Er befreit von jeder semantischen Definition. Pharisäer reden so. Rassisten sind stets die anderen. Wer von ihnen redet, erhöht sich selbst.

Das gleiche gilt für viele weitere Bezeichnungen. Zum Beispiel für die Phrase vom Populismus. Die Einwände zum Beispiel gegen Marine Le Pen haben fast durchwegs etwas Überhebliches. Nicht, dass mir die Frau sympathisch wäre, aber mit vielem, was sie sagt, bin ich oft zu meinem eigenen Erstaunen einverstanden, genau wie mit vielem, was Linke sagen. Wahrscheinlich bin ich jetzt ein linker Populist. Oder eher ein rechter? An der Börse der Begriffe sind die Kurse heftigen Schwankungen ausgesetzt.

Was ich aber feststellen kann, ist der Umstand, dass die Welt weder schwarz noch weiss ist, sondern aus vielen Grau- und Zwischentönen besteht, eigentlich aus einem multikoloren Paradigma.

Populismus ist die Antwort auf eine vorausgegangene verfehlte Politik. Dass Marine Le Pen Partei ergreift für die kleinen Leute, die classes moyennes und populaires, die Opfer der globalisierten und neoliberalen Wirtschaftspolitik geworden sind, zu der in der Vergangenheit die Linke nicht wenig beigetragen hat (Blair, Schröder, Hollande) – das wird ihr nicht verziehen. Wenn sie jetzt das Heil in einer national orientierten Politik sucht, ist das eine Entscheidung wie für den globalen Weg, den die Mehrheitspolitik eingeschlagen hat, mit Konstruktionsfehlern, die sich auf beiden Seiten konstatieren lassen.


"Was an einem Ort richtig ist,
muss es nicht überall ebenfalls sein."


A
nsichten können differieren; entscheidend sind die zu Grunde liegenden Fakten sowie die Schlüsse, die daraus gezogen werden. Die Informationsgesellschaft scheint jedenfalls darauf schlecht vorbereitet zu sein. Für ein kompetentes Urteil fehlt oft die Grundlage, weil wir selten wissen, was hinter den verschlossenen Türen der Politik und Wirtschaft verhandelt und vereinbart wird, wie etwa jetzt gerade bei den Zahlen für den Atomausstieg.

Was wir wissen, ist selten mehr als ein Ausschnitt – oder wir haben ein Interesse an der Zurückhaltung bestimmter Informationen. Wer könnte etwas davon haben? Die Meinungen, die wir uns machen und verteidigen, sind etwas anderes. Vielleicht müssten wir die eine oder andere davon revidieren, wenn wir mehr wüssten.

Die einflussreiche belgische Politikwissenschafterin Chantal Mouffe hat daraus den Schluss gezogen, dass es unbedingt nötig sei, eine Meinung dezidiert zu vertreten, aber der Gegenseite das genau gleiche Recht einzuräumen.

"Liberale, demokratische Politik setzt voraus", schreibt sie, "die 'Anderen' nicht als Feinde wahrzunehmen, die es zu vernichten gilt, sondern als Kontrahenten, deren Ideen zwar – mit aller Schärfe – zu bekämpfen gilt, deren Recht, für diese Ideen einzutreten, aber nicht infrage gestellt werden darf." Das ist schon fast im Geist Voltaires gesagt und fast aussichtslos in der fragmentierten Welt von heute.

Was Mouffe vertritt, ist ein agonistischer Standpunkt gegen einen antagonistischen. Agonismus  heisst Auseinandersetzung zwischen Kontrahenten, nicht zwischen Feinden. Weil es einen "legitimen Dissens" gibt, sollen Konflikte keinesfalls eliminiert werden. Vor allem lehnt Mouffe eine "zu grosse Konsensorientierung" für die politische Willensbildung als negativ ab.

Das bedeutet: Wir sind vor lauter politischer Korrektheit, vor lauter Friedensgesprächen, vor lauter multikultureller Ergebenheit kaum mehr in der Lage, eine prononcierte Meinung zu haben. Vor lauter Ausgewogenheit werden die Probleme neutralisiert. Das kann unter Umständen manchmal eine vornehme Einstellung sein, aber nur manchmal. Zuletzt haben wir vergessen, was wir in einer vielfältigen Welt wollen und was nicht.

Was spricht zum Beispiel für eine Leitkultur, was dagegen? Sollen wir aus Gründen des kulturellen Relativismus Kinderehen gutheissen? Gerade weil die Welt ein "Pluriversum" (Mouffe) ist, sind starke Stellungnahmen erforderlich und das Suchen nach Ausgleich kein unbedingt erstrebenswertes Ideal. Sicher ist nur, dass jede Meinung an den Grenzen des Pluralismus gemessen werden muss.

Individualismus und Säkularismus sind im Westen wichtige Werte, in anderen Teilen der Welt nicht. Was an einem Ort richtig ist, muss es an einem anderen nicht auch sein, meint Mouffe.

Ist das nun aber nicht doch wieder ein fauler Kompromiss, der sich hier abzeichnet? Sicher liegt hier der Schwachpunkt von Mouffes Theorie, die nur erfolgreich sein kann, wenn alle Beteiligten die gleiche Bereitschaft mitbringen. Wenn überhaupt Einhelligkeit in Frage kommt, dann kann es nur ein "konflikthafter Konsens" sein. Das ist das äusserste Zugeständnis, das Mouffe bereit ist zu machen.

17. April 2017
 Ihre Meinung zu dieser Kolumne
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Aurel Schmidt, Jahrgang 1935, war bis Mai 2002 Redaktor der "Basler Zeitung" (vorher "National-Zeitung"). Er war mitverantwortlich für das jeden Samstag erscheinende "Basler Magazin" und verfasste zahlreiche philosophische Essays, Reise-Reportagen, Kommentare und Kolumnen. Schmidt, der heute als Schriftsteller und freier Publizist in Basel lebt, machte sich auch als Autor mehrerer Bücher einen Namen: "Der Fremde bin ich selber" (1982), "Wildnis mit Notausgang. Eine Expedition" (1994), "Von Raum zu Raum. Versuch über das Reisen" (1998). Ausserdem liegen vor: "Lederstrumpf in der Schweiz. James Fenimore Cooper und die Idee der Demokratie in Europa und Amerika" (2002), "Gehen. Der glücklichste Mensch auf Erden" (2006), "Auch richtig ist falsch. Ein Wörterbuch des Zeitgeists" (2009). Zuletzt erschienen: "Die Alpen. Eine Schweizer Mentalitätsgeschichte" (2011). © Foto by OnlineReports.ch

aurel.schmidt@bluewin.ch

(Die Kolumnisten sind in ihrer Meinung frei;
sie braucht sich nicht mit jener der Redaktion zu decken.)
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"Mit Wonne gelesen"

Ihren Artikel in OnlineReports habe ich mit Wonne gelesen und finde diesen sehr passend, dazu auch wunderbar geschrieben. Besten Dank für diese guten Worte.


Veronika Vionnet, Buckten


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"Bais steht vor Gewissens-Entscheid"

OnlineReports.ch
Im Titel des Newsletter-Textes vom 18. April 2024 über die SVP-Basis.
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Auch Nomen sind Glückssache.

RückSpiegel

 

Klein Report nimmt die Recherche von OnlineReports über Roger Blums Buch über die Basellandschaftliche Zeitung auf.

Die BaZ bezieht sich in einem Artikel über die Zerwürfnisse in der Baselbieter SVP auf OnlineReports.

Die bz verweist in einem Bericht über die Kita-Krise im Baselbiet auf OnlineReports.

BaZ, Baseljetzt und Happy Radio nehmen die OnlineReports-News über das geplante Ministertreffen in Basel auf.

Der Sonntagsblick zitiert OnlineReports in einer grossen Recherche über die Baselbieter SVP-Politikerin Sarah Regez.

Baseljetzt verweist im Bericht über Basler Schiffsunfälle auf ein OnlineReports-Video.

Die Volksstimme greift die OnlineReports-Recherche über das Aus des Textildruck-Unternehmens Permatrend auf.

Im Bericht über "Unruhe am Regioport" bezieht sich Bajour auf die OnlineReports-Ursprungsrecherche aus dem Jahr 2018.

Die Basler Zeitung bezieht sich in einem Artikel über die Kantonsfinanzen im Baselbiet auf OnlineReports.

Die bz verweist in einem Bericht über die Neuausrichtung der Vorfasnachts-Veranstaltung Drummeli auf einen Artikel aus dem OnlineReports-Archiv.

Die Basler Zeitung zitiert in einem Leitartikel über die SVP aus OnlineReports.

Baseljetzt bezieht sich in einer Meldung über den Rücktritt von Ralph Lewin als SGI-Präsident auf OnlineReports.

Die Basler Zeitung nimmt die OnlineReports-Recherche über den blockierten Neubau der BVB-Tramstrecke über das Bruderholz auf.

Die Basler Zeitung und Infosperber übernehmen die OnlineReports-Meldung über den Tod von Linda Stibler.

Die bz zitiert den OnlineReports-Artikel über die Wiedereröffnung des Gefängnisses in Sissach.

Baseljetzt erzählt den OnlineReports-Artikel über die Räppli-Krise nach.

Das Regionaljournal Basel, Baseljetzt, BaZ und 20 Minuten vermelden mit Verweis auf OnlineReports den Baufehler bei der Tramhaltestelle Feldbergstrasse.

Die Basler Zeitung bezieht sich in einem Interview zu den Gemeindefusionen auf OnlineReports.

persoenlich.com und Klein Report vermelden mit Verweis auf OnlineReports die Personalrochade bei Prime News.

Die Volksstimme schreibt über die Wahl von Claudio Miozzari zum Grossratspräsidenten von Basel-Stadt und zitiert dabei OnlineReports.

In einem Artikel über die Leerstandsquote bei Büroflächen in Basel nimmt die bz den Bericht von OnlineReports über einen möglichen Umzug der Basler Polizei ins ehemalige Roche-Gebäude an der Viaduktstrasse auf.

Das Regionaljournal Basel und die bz berichten über die Bohrpläne der Schweizer Salinen im Röserental und beziehen sich dabei auf OnlineReports.

Weitere RückSpiegel

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In einem Satz


Der Baselbieter Regierungsrat hat Raphael Giossi zum Nachfolger des langjährigen kantonalen Bieneninspektors Marcel Strub gewählt.

Cyril Bleisch übernimmt bei den Jungfreisinnigen Baselland das Präsidium von Lucio Sansano.

Die Basler Sozialdemokraten haben die SP queer Basel-Stadt gegründet und als neues Organ in den Statuten der Partei verankert.

Eiskunstläuferin Kimmy Repond und Wasserfahrer Adrian Rudin sind Basler Sportlerin beziehungsweise Basler Sportler des Jahres.

Jean-Luc Nordmann übergibt das Präsidium der Stiftung Tierpark Weihermätteli per 1. Januar 2024 an Martin Thommen.

Iris Graf steigt von der Projektleiterin und akademischen Mitarbeiterin der Baselbieter Fachstelle für die Gleichstellung von Frauen und Männern zur Leiterin auf.  

Sonja Kuhn,
ehemalige Co-Leiterin der Abteilung Kultur Basel-Stadt, ist neu Präsidentin der SRG Region Basel.

Florian Nagar-Hak und Saskia Bolz übernehmen die Leitung des Gesundheitszentrums Laufen, das zum Kantonsspital Baselland gehört.

Mohamed Almusibli übernimmt ab März 2024 die Direktion der Kunsthalle Basel von Elena Filipovic.

Marilena Baiatu ist neue Kommunikationsbeauftragte der Staatsanwaltschaft im Kanton Baselland und ersetzt Thomas Lyssy, der Ende November pensioniert wird.

 

Mitte-Landrat Simon Oberbeck folgt am 1. August 2024 als Geschäftsführer der Schweizerischen Vereinigung für Schifffahrtund Hafenwirtschaft auf André Auderset.

Die Junge SVP Basel-Stadt hat Demi Hablützel (25) einstimmig für zwei weitere Jahre als Präsidentin wiedergewählt.

Dominic Stöcklin wird neuer Leiter Marketing und Mitglied der Geschäftsleitung von Basel Tourismus.

 

Samir Stroh, aktuell Gemeindeverwalter in Brislach, übernimmt Anfang Mai 2024 die Leitung von Human Resources Basel-Stadt.

Das Sperber-Kollegium hat Sterneköchin Tanja Grandits zur "Ehrespalebärglemere 2023" ernannt.

Der mit 50'000 Franken dotierte Walder-Preis geht dieses Jahr an Konrad Knüsel, den Präsidenten des Vernetzungsprojekts Rodersdorf und des Naturschutzvereins Therwil.

Götz Arlt tritt am 1. Januar 2024 die Nachfolge von Christian Griss an und übernimmt die Stufenleitung der Sekundarschulen I im Bereich Volksschulen des Erziehungsdepartements Basel-Stadt.

Michael Gengenbacher tritt am 1. Februar 2024 seine neue Stelle als Chief Medical Officer (CMO) und Mitglied der Spitalleitung beim Bethesda Spital an.

Markus Zuber übernimmt am 1. Oktober die Leitung der St. Clara Forschung AG (St. Claraspital).

Das Präsidium der Juso Baselland besteht neu aus Clara Bonk, Angel Yakoub (Vize) und Toja Brenner (Vize).