... Hoi An: Après nous le déluge!
Es regnet in Strömen. Bereits zum fünftenmal in nur sieben Monaten ist Hoi An überflutet worden. Die schlimmsten Regenfälle in Nord- und Zentral-Vietnam seit vierzig Jahren – das meldeten wenigstens die vietnamesischen Medien. Die historische Altstadt hat gelitten. Einige Häuser aus dem 17., 18. und 19. Jahrhundert sind vom Einsturz bedroht.
Mein alter Bekannter Nguyen Vansung, Besitzer und Koch in einem der vielen kleinen Touristen-Restaurants in der Altstadt, ist ratlos. Die Regierung sei durchaus gewillt und in der Lage, sagt Vansung, einen Teil der dringend notwendigen Reparatur- und Renovationsarbeiten zu finanzieren. Aber eben nur zum Teil, das heisst 45 bis 55 Prozent. Den Rest müssen die Hausbesitzer übernehmen. Ähnlich wie Vansung sind aber viele Hausbesitzer nur selten in der Lage, den Rest der Kosten zu berappen. Teuere Bankkredite oder der Verkauf des "Familiensilbers" sind, so wird wortreich geklagt, die letzte Lösung.
Fachgerechte Renovationsarbeiten in der pittoresken Bach-Dang-, Nguyen-Thai-Hoc- oder Tran-Phu-Strasse im Zentrum Hoi Ans sind aufwendig und teuer. Die Häuser nämlich im japanischen, chinesischen und vietnamesischen Stil sind Hunderte von Jahren alt und heute Grundlage für den lukrativen Tourismus. Zwischen dem 17. und 19. Jahrhundert war Hoi An der bedeutenste Hafen Südostasiens. Zwischen dem malaysischen Malakka im Westen und dem chinesischen Macao im Osten gelegen, blühte Hoi An wirtschaftlich und kulturell. Die Altstadt-Häuser zeugen noch heute davon. Seefahrer aus aller Herren Länder gaben sich ein Stelldichein: Holländer, Portugiesen, Chinesen, Japaner, Franzosen, Inder , Engländer, Perser, Araber. Gehandelt wurden mit grossem Profit Pfeffer und andere Gewürze, Seide, Porzellan, Tee, Papier, Lacquer, Kaffee und vieles mehr.
Der Niedergang im 19. Jahrhundert begann, als der Hafen am Cai-Fluss langsam verschlickte. Im unweit nördlich gelegenen Tourane (heute Danang) fand die christliche wie die östliche Seefahrt bald Ersatz in einem Tiefseehafen. Hoi An als internationale Handelsstadt war Geschichte. Erst seit Ende der achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts bekam Hoi An mit der vietnamesischen Wirtschaftsreform Doi Moi neues Leben eingehaucht. Denn die Altstadt blieb vom Krieg verschont und wurde nicht zerstört – sowohl während der japanischen Besetzung im zweiten Weltkrieg als auch in den Unabhängigkeitskriegen gegen die Franzosen (1945-54) und die Amerikaner (1961-1973). Heute lebt Hoi An vom Tourismus. Deshalb seien die Renovationsarbeiten so wichtig, sagt Vansung in seiner Küche, wo er gerade für eine europäische Touristengruppe Nudeln (Pho), vietnamesische Frühlingsrollen und Meerfrüchte zubereitet.
Beim nächsten Besuch wird Vansungs Haus gewiss fachgerecht renoviert in neuem Glanz erstrahlen. Schon einmal nämlich, vor vier Jahren, haben mehrere Überflutungen das Haus fast zerstört. Irgendwie hat es Vansung dann doch geschafft.
Nguyen Vansungs vietnamesische Küche übrigens ist köstlich und delikat. Zusammen mit dem Restaurant in einem Haus im portugiesischen Stil mit vietnamesischen Charakteristiken schon fast eine Reise wert. Sogar wenn’s regnet. Après nous le déluge, n'est-ce pas.
26. Januar 2009