... Hami: Süsses aus Kumul
Die Oase Hami liegt im Wilden Westen Chinas an der legendären Seidenstrasse. Wenn das Wort Oase fällt, kommt man ins Träumen. Flimmerndes Grün in einem Ozean von ockerem Wüsten-Sand. Echt oder Fata Morgana. Im Zentrum von Hami (Uigurisch: Kumul) freilich sieht es so aus, wie in jeder Stadt im Reich der Mitte, nämlich chinesisch, das heisst eine uninspirierte Plättli-Siedlung.
Das von der Wüste Gobi umgebene Hami hat dennoch seinen Reiz. Es ist eine aufstrebende Stadt, denn wie an vielen Orten der Autonomen Region Xinjiang – bevölkert von je zur Hälfte etwa Uiguren und Chinesen sowie viele "nationale Minderheiten" wie Kasacken, Kirgisen, Russen, Mongolen – lagern hier Bodenschätze. Nicht wie weiter südlich im Tarim-Becken, in den Wüsten Lop oder Taklamakan, Öl und Erdgas. Hami ist bekannt für die zweitgrösste Nickelmine der Volksrepublik. Doch auch Kupfer, Gold, Eisen und natürlich Kohle – sagt stolz ein uigurische Abgeordneter des lokalen Volkskongresses – haben zum Reichtum Hamis beigetragen.
Doch Hami ist nicht nur eine Stadt. Hami ist auch eine Präfektur und gibt einem Teil der Gobi-Wüste seinen Namen. Das Gebiet ist gross, sehr gross, nämlich dreimal so gross wie die Schweiz mit knapp einer halben Million Einwohner. Wer heute vom südöstlich gelegenen Dunhuang mit dem Auto anreist, braucht auf den mittlerweile leidlich guten Asphaltstrassen sieben Stunden. Flache Wüste so weit das Auge reicht. Von der im Nordwesten gelegenen Hauptstadt Ulumuqi (Uigurisch: Urumqi) mit der Eisenbahn über den Berg ebenfalls sieben Stunden.
Weder von Geschichte – Stichwort zweitausend Jahre Seidenstrasse – noch von Tourismus – Stichwort zwanzig Jahre Tourismus – noch von Bodenschätzen – Stichworte siehe oben – soll hier die Rede sein. Vielmehr geht es hier ausschliesslich um Kulinarisches. Die berühmte Hami-Melone nämlich soll hier absichtlich über allen Klee gelobt werden, denn sie ist gut.
Es gibt Melonen und Melonen. Allein in China werden jährlich über acht Millionen Tonnen produziert. Bislang waren mir nur drei Sorten bekannt, zuerst die rote Wassermelone. Tonnenweise wurden sie noch vor zwanzig Jahren per Laster in die Städte gekarrt. Überall in Peking nächtigten die Melonenverkäufer neben kleinen Melonen-Bergen; tagsüber verkauften sie die herrlich saftigen Früchte ganz oder in handliche Schnitze zerteilt. Um den Durst zu stillen, gab es damals nichts Besseres, denn die Alternative waren lauwarme Süssgetränke und warmes Bier. Dann kenne ich jene rosa-orange-farbenen Melonen, die in Westeuropa mit Rohschinken verzehrt werden, und die helle Honig-Melone.
Seit ich mich aber mit einem Vertreter der all-chinesischen Früchte-Produzenten (Sektion Xinjiang, Untersektion Hami) angeregt unterhalten habe, weiss ich: Es gibt nicht drei, nicht zehn, nicht ein Dutzend, nicht zig sondern Hunderte von Melonenarten. Erwähnenswert zum Beispiel die viereckige Melone aus Peking. Leicht rot, wässerig, ein wenig süss, nicht schlecht und – eben – viereckig (kein Witz). Dann die Milch-Melone, welche Bauer Wang im Pekinger Daxing-Distrikt züchtet. Statt Wasser verwendet er Milch und berieselt seine Felder mit Beethoven-Sonaten. So einfach ist das. Und gut. Ebenfalls in der Umgebung von Peking wird eine Melone gezüchtet, deren Saatgut mit einer chinesischen Raummission für kurze Zeit im All verbrachte. Na denn, en Guete!
Auch die Melone der Stadt Yubari auf der nordjapanischen Insel Hokkaido hat es in sich. Perfekt in Form, Konsistenz und Geschmack ist sie ein beliebtes Sommer-Geschenk in Japan. Und teuer. Die allererste, rund vier Kilogramm schwer, brachte es bei einer Versteigerung auf dem Engros-Markt in Sapporo auf zweieinhalb Millionen Yen, also auf über zwanzigtausend Franken. Aber auch "normale" Yubari-Melonen sind nicht ganz billig. Beim Detaillisten fünfzig bis hundert Franken das Stück.
Die Hami-Melone ist da billiger. Und besser. Honig-süss, von satt-zarter Konsistenz, saftig, meistens weiss. Ein kulinarisches Gedicht. Noch besser, es gibt 180 Variationen. Gelb, Grün, weiss, braun, mit Flecken. Gross und klein. Rund und elliptisch. Ein bis über zwölf Kilogramm schwer. Man muss nicht Mitglied des all-chinesischen Früchteproduzenten-Verbandes (Untersektion Hami) sein, um festzustellen, dass die Melone aus der Oase Hami die Melone aller Melonen ist. Die Melonen-Königin also.
Die Hami-Melone lässt sich nicht nur telquel essen. Ein Hami-Melonen-Sorbet sucht seinesgleichen. Mmhh...! Mein Favorit freilich ist ein Hami-Melonen-Curry. Man nehme: 1 Melone, 1 Apfel, 1 Birne, rote Trauben, 2 Kartoffeln, 1 Zwiebel, Broccoli, Karotten, etwas frischen Ingwer, indischen Curry, Salz, Pfeffer, 100gr Butter, 2dl Rotwein. Man tue: Zwiebel, Kartoffel, Rüebli im Butter dünsten, danach Broccoli, Früchte und Wein dazugeben. Salzen, pfeffern, Curry und Ingwer beifügen. Zehn Minuten köcheln. Finaler Kick: Hami-Melone dazugeben und nochmals etwa zehn Minuten sanft köcheln lassen. Et voilà! Bon appétit!
24. August 2009