Die Messe ist nicht das Basler Stadt-Casino
Von PETER KNECHTLI
Mit einer Mehrheit, die kein Wenn und Aber zulässt, hat das Basler Stimmvolk dieses Wochenende die Ausbaupläne der Messe Schweiz gutgeheissen. In den nächsten vier Jahren kann somit das Unternehmen mindestens 350 Millionen Franken in den bedeutendsten Expansions-Schritt seiner Geschichte investieren, wenn im Herbst auch das Baselbiet noch seinen Beitrags-Segen gibt.
Es ist ein Schritt, der das Basler Stadtbild und insbesondere einen Teil des vertrauten Kleinbasler Stadtbildes markant verändern wird: Noch mehr als heute wird sich die Messe Schweiz als das auch optisch wahrnehmbare dominierende Zentrum des Stadtteils Kleinbasel positionieren. Am deutlichsten wird dies durch die beiden wuchtigen Etagen, die sich quer über einen beträchtlichen Teil des bisher offenen Messeplatzes legen und künftig den Komfort und Luxus bieten, den die prestigeverwöhnte Aussteller und die Kunden hochkarätiger Weltmessen verlangen.
Sämtliche Regierungsparteien hatten die Ja-Parole ausgegeben, einzig "Basta" sowie die kleinen Rechts-Parteien SD, EDU und die Junge SVP hatten die Nein-Parole beschlossen. Die SVP als grösste bürgerliche Kraft konnte sich mit Stimmfreigabe zu keiner klaren Position durchringen.
Die beidseitig mit recht harten Bandagen geführte Abstimmung hat mehrere Parallelen zur Abstimmung über den Neubau der Stadt-Casinos auf dem Barfüsserplatz vor ziemlich genau einem Jahr. Beide Bauvorhaben wurden mit dem mit "Klotz"- und "Koloss"-Argumenten bekämpft, in beiden Fällen ging es um historische städtebauliche Veränderungen, in beiden Fällen ging es um die Frage von Erneuerungsfähigkeit einer urbanen Bevölkerung, und in beiden Fällen verfügten die Befürworter über ungleich höhere finanzielle Mittel. Doch im Ergebnis gingen beide Volks-Verdikte diametral anders aus: Wurde das neue Stadt-Casino, entworfen von der Stararchitektin Zara Hadid, mit unerwarteter Deutlichkeit vom (Barfüsser-)Platz gefegt, erhielten die einschneidenden Messe-Pläne nahezu ebenso deutliche Zustimmung.
Der Grund ist nicht verwunderlich: Die Messe Schweiz ist nicht das Stadt-Casino. Setzte sich bei der Abstimmung über das Kulturzentrum mitten in der Stadt die Auffassung durch, der geliebte Barfüsserplatz und seine Kirche dürften nicht derart massiv beschnitten und bedrängt werden, verhielt es sich dieses Wochenende gerade umgekehrt: Der Basler Souverän stimmte der Teil-Überdachung des weniger geliebten Messeplatzes - in Erwartung eines deutlich höheren Nutzens - deutlich zu.
Damit zeigte sich das Volk weise, viel differenzierter und erneuerungsfähiger als ihm nach der Abstimmung über das Stadt-Casino unterstellt wurde. Das recht wuchtige Ja zum Neubau zeigt, dass die Messe Schweiz trotz ihrer Internationalisierung in der Basler Bevölkerung immer noch tief verankert ist. Kein Wunder: Der Messe-Konzern zählt zu den wichtigsten Wirtschaft-Motoren der Region. Das Volk hat richtigerweise begriffen, was es hiesse, ihm Sand ins Getriebe zu streuen.
Schon vor dem Urnengang war deutlich geworden, dass die Casino-Gegner nicht einfach mit den Messe-Gegnern gleichzusetzen sind - auch wenn einzelne Persönlichkeiten in beiden Abstimmungskämpfen führend als Gegner auftraten. Was damals ihr Triumph war, ist heute ihre bittere Niederlage. Allerdings wirkten die Gegner des Messe-Ausbaus weniger schlagkräftig als die Stadt-Casino-Opponenten. Weniger überzeugend waren auch ihre Argumente und ihr Stil: Ihr Wortführer Robert Schiess erlaubte sich beispielsweise gegenüber OnlineReports eine Grenzüberschreitung, die jeder Beschreibung spottete: Er warf uns die Erfindung eines Messe-Communiqués vor, das in Wahrheit selbstverständlich existierte - ohne sich hinterher zu entschuldigen. Wer zu solchen Kampf-Mitteln greifen muss, dem fehlen die schlagenden Argumente.
Und dennoch ist nicht pauschal falsch, was Schiess und seine Mitkämpfer ins Feld führten. Einer der sensibelsten Bereiche ist die zunehmende bauliche oder kommerzielle Nutzung der Allmend. Auch wenn ihre Pläne derzeit in eine andere Richtung deuten: Die rot-grüne Regierung tut gut daran, der Tendenz einer schleichenden Privatisierung des öffentlichen Grunds oder seiner kommerziellen Nutzung - Stichworte: Bäumlihof-Areal und Rankhof - entgegen zu wirken. Es wird der Tag kommen, an dem auch gute Steuerzahler frei zugängliche Grün- und Erholungszonen ebenso so sehr zu zahlen bereit sind wie grosszügige Appartements.
Mit dem Ja zum Messe-Ausbau hat die Basler Bevölkerung ein kluges Ja zugunsten der Messe und zugunsten der wirtschaftlichen Prosperität der Region gesprochen. Das Baselbiet wird kommenden September ebenso fair sein, die Basler Ausbaupläne mit einer Zustimmung zum Beitrag des Nachbarkantons zu bestätigen.
Politik ist aber die Kunst des Ausgleichs. Standen bei der Abstimmung dieses Wochenende die wirtschaftliche Aspekte unter teilweiser Einschränkung des öffentlichen Raums gegenüber, so müssen in Zukunft bewusste Zeichen zur Erhaltung oder zum Ausbau des öffentlichen Frei-Raums gesetzt werden.
Weiterführende Links:
Die Basler Messe der Zukunft braucht ein markantes Signal
Abstimmungs-News Stadt-Casino 18. Juni 2007
1. Juni 2008
"Ökologischer Einfluss ist bei Rot-grün nicht feststellbar"
Politik ist die Kunst des Ausgleichs. Mit dieser Aussage trifft Peter Knechtli mit seiner präsisen Analyse des Abstimmungskampfes über den umstrittenen Messe-Neubau den Kern des Problems, der sich mit dem schleichenden Verlust von öffentlichem Raum artikuliert.
Gerade in dieser Beziehung zeigt die rot-grüne Regierung samt dem rot-grünen Parlament wenig Sensibilität für die Bedürfnisse der Stadtbevölkerung. Ein grüner, sprich ökologischer Einfluss ist nicht feststellbar!
Häppchenweise wird Allmend - neu umschrieben als öffentlicher Raum - den Bedürfnissen privater Investoren geopfert. Für jeden Event, sei er noch so lärmig und für die direkten Anwohner eher eine Plage als eine Freude, muss Allmendfläche zur Verfügung gestellt werden.
Damit Basels Bevölkerung wachsen kann, bestehen keinerlei Hemmungen, die letzten Grünflächen - egal ob diese als Schrebergärten, oder geplanter Grüngürtel wie das Bäumlihofareal - genutzt werden, mit Wohnungen zu überbauen.
Diese Tendenz scheint insbesondere bei der SP stark vertreten zu sein, bestätigen doch die beiden SP-Regierungsratskandidaten, dass sie sich auch neue Wohnungen auf dem Bäumlihofareal entlang der Allmendstrasse vorstellen können.
Dabei wäre eigentlich von einer neu zusammengesetzten Regierung zu erwarten, dass sie die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholt. Knechtli stellt richtig fest, dass es in Zukunft bewusste Zeichen zur Erhaltung oder zum Ausbau des öffentlichen Frei-Raumes braucht, weil gerade gute Steuerzahler Grün- und Erholungszonen in der Nähe verlangen.
Eine City-Lounge mit Tram- und Veloverkehr - und sind sie noch so hell beleuchtet - kann ja wohl damit nicht gemeint sein.Basel
Bruno Honold, Basel