Theater Basel, Schauspielhaus
Premiere
"Die Bügelfalte des Himmels hält für immer"
Eine Reinigung von Anna Viebrock und Malte Ubenauf
Regie, Bühne, Kostüme: Anna Viebrock
Dramaturgie: Malte Ubenauf
Mit Silvana Arnold, Urs Bihler, Carina Braunschmidt, Inga Eickemeier, Pascal Lalo, Thomas Leininger, Rüdiger Lotter, Lilith Stangenberg, Graham F. Valentine
Bomben, Unterhosen und 10 000 Dollar
Der erste starke Eindruck gehört der Kulisse: Eine Fünfzger-Jahre-Wäscherei, voll ausgebaut, voll funktionstüchtig, weissgeplättelt, im Hintergrund das muffige Interieur des Ladengeschäftes mit Theke und Mottenmittelreklame. Sogar die Waschmaschinen funktionieren, die Gipsdecke ist eigens mit Vertiefungen ausgestattet für die Neonleuchten und aus der Türe links quellen jedes Mal dichte Dampfschwaden auf die Bühne, wenn sie jemand öffnet.
Ein Raum also, wo die vom Leben verschmutzten, blutigen, ausgebeulten, zerschlissenen Hemden, Unterhosen, Nastücher durch Wasser und Dampf gezogen, in Bügelmaschinen gepresst, und von flinken Frauenhänden gefaltet wieder für den Lebenskampf aufbereitet werden. Ausgiebig dürfen wir dem Betrieb als eine Art mechanisches Ballett zusehen. Diese Welt ist überhaupt ein Reinigungsorganismus: die Wäscherinnen entblössen Rosenkränze, recken wie auf Renaissance-Bildern engelsgleich ihre Hände gen Himmel und gehen in tränenreicher Zerknirschung zu Boden, um sich dort zu krümmen. Sie beten Gott inbrünstig an als "mein Tintenfass", "meine Artischocke", "mein Fuchspreller".
Voll Leiden erweist sich auch der Weg des schnöden Mammons. Wäscherei-Angestellter Waldemar Strunk findet in einem Buch vom Flohmarkt einen Zettel, auf dem ein reicher Amerikaner 10'000 Dollar verspricht – sofern der Finder ihn in Mexiko aufsuche. Strunk sieht im Wink des Schicksals seinen inneren Wert erkannt, dem ein Leben im Reichtum entspreche, stürzt sich in das Abenteuer – und verliert die Brieftasche mit dem Zettel. Oder hat sie Konkurrent De Fries im Hotel in Vera Cruz gestohlen?
Graham F. Valentine als Strunk gehört der zweite starke Eindruck. Seine Gesichtshaut ist permanent gerötet, ein Verbohrter, der sein Recht auf Glück in hochfliegenden Sätzen in die unter seiner Würde liegende Kleinbürgerwelt skandiert, seinen Mitmenschen in die erstaunten Gesichter stanzt. Das kann nicht gut herauskommen – wie genau, soll man aber nicht hier lesen, sondern im Theater erleben, denn Viebrock erzählt nicht bloss den Plot, sondern gestaltet mit Anspielungen und Symbolen, Aktionen und Gesten, Tänzen und Musiken ein theatralisches Gewebe über den Themenkreis Illusionen und Angst, Gott und Geld.
Es fallen laufend Sätze von der Art wie: "Am Abend muss man seinem Gott das Gesicht waschen, damit man gut schläft." Ekstatisch rezitieren Damen in roten Mänteln Gedichttexte und tragen dabei einen Sack mit einer laut tickenden Bombe. Pascal Lalo tritt als Philosoph auf und häutet sich quasi, indem er ein Jackett nach dem anderen ablegt. Nicht alles davon wirkt gleich plastisch, nicht alles sofort schlüssig – Viebrocks Stil ist da sehr viel sensibler Spannungslücken ausgesetzt als ein klares Handlungstheater. Als Struktur-Stütze dienen ihr da die an die Wand geblendeten 32 Kapiteltitel. Nummer 5 etwa: "Ein Pappengel hat sentimentale Anwandlungen."
Das Ensemble zeigte gute Laune beim absurden Spiel, über das ein Grossteil des Publikums während den 130 Minuten laut lachte oder still schmunzelte.
4. April 2009