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Claude Bühler – Premiere am Theater Basel

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Theater Basel, Kleine Bühne
Uraufführung

"King Size"


Eine enharmonische Verwechslung
 
Ein Liederabend
 
Regie: Christoph Marthaler
Bühne: Duri Bischoff
Kostüme: Sarah Schitter
Klavier, Orgel: Bendix Dethleffsen
 
Mit Tora Augestad, Bendix Dethleffsen, Michael von der Heide, Nikola Weisse


Spaghetti aus der Damenhandtasche

Was hat denn der Mann je anderes gemacht? Als eine sogenannte "enharmonische Verwechslung" verkauft uns Marthaler im Untertitel seinen neuen Liederabend. Der Begriff aus der Musiktheorie meint, dass der Ton Cis auch als ein Des gelten kann, je nach Tonart, je nach Bezugssystem der Komposition. Und so wiederhole ich die Frage: Wann hätte der kurlige Zürcher Regisseur denn je etwas anderes gemacht, als die normalsten menschlichen Handlungen in ein Bezugssystem zu setzen, wo sie grotesk und unwirklich erscheinen.
 
Neu aber ist diesmal, dass er das Prinzip offen legt. Anstelle einer mehrfach deutbaren Niemandslandschaft – wie etwa das seltsame Sprachlabor bei "Eine faire Dame" – setzt er uns jetzt ein zunächst unverdächtig wirkendes Schlafzimmer mit Doppelbett und Kastenwänden vor: Hotelbehaglichkeit in türkis mit dickem Teppich, zu Beginn untermalt vom Sentimental-Klangbad des "Bilitis"-Erotikfilm-Soundtracks.
 
Was in diesem Raum für Träume kommen mögen, wenn die Menschen hier auf einmal beim Aufstehen, Ankleiden, Ausziehen, Zubettgehen zu Singen beginnen, das geht weit über die Dimension des Schlafzimmers hinaus. Denn Marthaler lässt die Sopranistin Tora Augestad und den Sänger Michael von der Heide hauptsächlich über den Tod und den Wunsch nach Wegtreten singen – direkt und auch getarnt als Schlafsehnsucht, Liebeshoffnung und Liebesleid.

Direkt wirkt die Agonie, wenn Augestad im Bett liegend Suzy Solidors schwerblütigen Chanson "Ouvre" so erklingen lässt, als sänge sie gar nicht, als dächte sie bloss an ihren Liebsten. Und als Übergänge erklingt Nächtliches von der Orgel (Dethleffsen): Wagners Vorspiel zu "Tristan und Isolde", Schumanns "Abendlied" und das berühmte Mahler-Adagietto aus Viscontis Film "Tod in Venedig". Das macht den Funktionsraum des Erholens zur tragisch anmutenden, kleinen Kulisse der Schicksale. Das kann man als die eine "enharmonische Verwechslung" sehen.
 
Dazu zieht Marthaler eine weitere Spur ein. Die Schauspielerin Nikola Weisse als die böse, alte Dame mit dem Handtäschchen markiert die bittere Pille. Unvermittelt bricht sie in die Pop-Trällereien und Barock-Arien herein, durchwandert wie von einem anderen Stern gekommen das Schlafzimmer, frisst aus ihrer Handtasche Spaghetti (das Publikum schrie verzückt auf). Solche unpassenden Auftritte sind ja seit den Bunuel-Filmen der siebziger Jahren nichts Neues. Aber dann spricht sie, Derbes und Hinterhältiges: Wie seltsam es sei, immer die gewesen zu sein, die sie sei. Wie die Naturgesetze auf sie heute anders wirkten wie damals, als sie noch jung gewesen sei. Wie sie allein in der Stube sitze und denke und mit dem Denken zufrieden sei – sich aber dann frage, ob ihr Denken nicht vielleicht völlig nutzlos sei.
 
Weisse spricht immer leise, aber penetrant und hoffnungslos. Folgerichtig zieht sie ihre Kreise durch das Dekor im Gegenuhrzeigersinn. Und jäh, eine weitere "enharmonische Verwechslung", kippt dieser eigenartige Schlafzimmer-Liederabend zur Theatervorstellung mit etwas andern Mitteln. Weisses Figur demaskiert Traum, Liebessehnsucht und Schlaf als Illusionsräume, hinter denen die verdammte Vergänglichkeit lauert.

Denn auch wenn Tora Augestad und Michael von der Heide in Gala Schlager wie "So lang' man noch Träume haben kann" schmettern oder zu "I'll be there" von den Jackson Five mit Inbrunst Hintern und Brüste wackeln lassen, so sieht das nur aus wie das vergebliche Bemühen, sich selbst zu überschreien. Das kennt man von Marthaler, aber hier ist es linear im Sinn.
 
In den Guss des Ganzen passen hier Marthalers übliche Streiche gegen die Erwartungen. Der Kühlschrank befindet sich hinter der obersten Schranktür – unerreichbar für den durstigen Organisten. Der Türgag darf nicht fehlen: Weisse öffnet eine Schranktür und jedes Mal singt das Ensemble im Schrank einen neuen Titel. Und wie immer setzen sich die Marthaler Figuren irgendwann mit unbeteiligtem Gesicht hin und tun gar nichts mehr. Während andere Regisseure das Publikum mit hohen Dezibelwerten und Stroboblitzen traktieren, versetzt es Marthaler in Momente angehaltener Stille. Das irritiert mehr.
 
Der Abend verlangt bei dauernder Spielpräsenz mit den raschen Wechseln von Songs und Stilen und Lagen einiges: für Augestad kein Problem, von der Heide sieht man gelegentlich die Arbeit an, und hört im Vergleich, dass seine stimmlichen Mittel hier an Grenzen stossen.
 
Seine Grenzen hat möglicherweise auch Marthaler gefunden. Gewiss, der Abend ist immer wieder lustig, gelegentlich überraschend. Gekonnt mit viel Übersicht sind marthalerische Irrlichter gesetzt, hält er mit feinen Fäden clever die Spannung über die 75 Minuten. Die Freude an jedem Detail, sei es eine unscheinbare Zuckung, eine kleine Geste oder eine Verschiebung im Rhythmus, sie überträgt sich.

Gelassen im Ansatz, aber zielbewusst hat er den bislang besten Schauspiel-Abend der Basler Saison produziert. Der 61-Jährige begeistert das theaterunternährte Basler Schauspiel-Publikum, das an der Premiere heftig applaudierte. Aber vom Epigonentum seiner selbst hat er sich damit nicht befreit. Vielleicht bleibt er der Peach Weber des seriösen Theaterbetriebs.

9. März 2013
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Claude Bühler, ist Journalist und Schauspieler in Basel. Er arbeitete erst als Freier Journalist bei Printmedien sowie als Medienverantwortlicher von act entertainment. Lange Jahre war er Redaktor und Produzent bei Telebasel. Heute arbeitet er als Redaktor bei "Prime News". Als Schauspieler war er in verschiedenen Regie-Arbeiten der Basler Schauspielerin und Regisseurin Ingeborg Brun sehen, beispielsweise als Jean in "Fräulein Julie" (A. Strindberg), aber auch als Professor Siebegscheit im Märli "Froschkönig" des Theater Fauteuil oder als Lucky in "Warten auf Godot" (S. Beckett) des Theater Marat Sade. © Foto by OnlineReports.ch

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"Heute einen neuen Präsidenten wählt Tunesien."

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Gepflegte News-Sprache hier zelebriert wird.

RückSpiegel

 

Die BaZ bezieht sich in einer Meldung über den neuen Geschäftsführer der Aids-Hilfe beider Basel auf eine Recherche von OnlineReports.

BaZ, bz, Baseljetzt und Happy Radio nehmen die Recherche von OnlineReports über den Abgang des Finanzchefs Tim Kretschmer beim Kunstmuseum Basel auf.

Die BaZ bezieht sich in einem Artikel zur Abstimmung über das Baselbieter Gesundheitsgesetz auf eine Recherche von OnlineReports zum Mangel an Kinderärzten im Oberbaselbiet.

Die BaZ zitiert die OnlineReports-Meldung über die Nachfolgelösung beim BackwarenOutlet.

Telebasel bezieht sich in einem Beitrag über Ticket-Betrüger beim Källerstraich auf ein Bild von OnlineReports.

persoenlich.com nimmt die Meldung von OnlineReports über den Wechsel des BaZ-Journalisten Sebastian Briellmann zur NZZ auf.

persoenlich.com bezieht sich auf die OnlineReports-Meldung über den Stellenantritt von Martin Regenass bei Prime News.

Die bz zitiert OnlineReports bei einer Meldung zur Wahl des neuen SVP-Fraktionschefs im Baselbieter Landrat.

20 Minuten, Baseljetzt und Happy Radio nehmen Bezug auf die OnlineReports-Recherche zur tanzenden Wagenführerin der BVB.

Das SRF-Regionaljournal Basel, die BaZ, die bz, Happy Radio und Baseljetzt zitieren die Recherche von OnlineReports zum Interimschef der Kantonspolizei Basel-Stadt.

Das SRF-Regionaljournal Basel verweist auf die OnlineReports-Recherche zu den finanziellen Problemen bei der Aids-Hilfe beider Basel.

20 Minuten und zentralplus zitieren die OnlineReports-Recherche über die Baselbieter Obstbauern, die ihre Kirschen nicht verkaufen können.

Die BaZ und 20 Minuten beziehen sich in einem Artikel über den tödlichen Unfall im St. Johann auf einen Bericht aus dem OnlineReports-Archiv.

Die bz nimmt die OnlineReports-Recherche über den Kunst-Coup der Stiftung Im Obersteg auf.

Die bz vermeldet den Tod von Aurel Schmidt und bezieht sich dabei auf OnlineReports.

Baseljetzt, bz, Volksstimme, SDA und Happy Radio nehmen die Recherche von OnlineReports über den geschassten CEO Marcel Allemann auf.

Die bz berichtet, dass Landrat Hannes Hänggi das Mitte-Präsidium übernehmen will, und verweist dabei auf OnlineReports.

Das Portal kath.ch nimmt die OnlineReports-Recherche über die Pläne der Basler Hicret-Moschee in Reinach im Medienspiegel auf.

Baseljetzt nimmt die Recherche von OnlineReports über den "Fuck SVP"-Schriftzug am Nebiker-Turm in Sissach auf.

In ihrem Bericht über die Wahl des neuen Baelbieter SVP-Präsidenten zitiert die Basler Zeitung aus einem OnlineReports-Kommentar.

Weitere RückSpiegel







In einem Satz


Die Architektin und Stadtentwicklerin Barbara Buser erhält den Basler Kulturpreis 2024.

SRF-Literaturredaktor und Drummeli-Regisseur Michael Luisier ist neu Mitglied des Schnitzelbank-Comités.

Der frühere Diplomat Paul Seger übernimmt das Präsidium der Winterhilfe Basel-Stadt von Marianne Eggenberger.

Grünen-Politikerin Natalie Oberholzer aus Liestal rückt für Erika Eichenberger in den Landrat nach.

Beatrice Stirnimann, CEO der Baloise Session, wird zur "Ehrespalebärglemere 2024" ernannt.

Eventmanager Beat Läuchli wird Projektleiter des Eurovision Song Contest (ESC) 2025 in Basel.

Michael N. Hall vom Biozentrum der Universität Basel erhält den Balzan-Preis 2024 für seine Forschung zu den biologischen Mechanismen des Alterns.

Der 27-jährige Journalist Maximilian Fankhauser übernimmt im Oktober die Leitung von Baseljetzt, der Online-Newsplattform von Telebasel; die jetzige Stelleninhaberin Lea Meister wechselt zu Prime News.

Manuela Witzig, bisherige Leiterin der deutschsprachigen Unternehmenskommunikation, übernimmt per 9. September 2024 von Direktor Matthias Suhr die Leitung der Kommunikation und Public Affairs beim EuroAirport.

Evelyn Borer,
Synodenpräsidentin der Evangelischen Kirche Schweiz, ist neue Präsidentin des Vorstands von Mission 21.

Markus Habegger übernimmt am 2. August die Leitung des Tageshauses für Obdachlose in Basel als Nachfolger von
Paul Rubin.

Der Basler Rechtsanwalt und Baurechtsexperte Daniel Gebhardt wird neuer Verwaltungsratspräsident der Rhystadt AG, der grössten Eigentümerin auf dem Klybeck-Areal. 

Die Baselbieter Grünen-Landrätin Erika Eichenberger tritt im September zurück, Natalie Oberholzer rückt nach.

Ass. Prof. Dr. Prisca Liberali wird für ihre Forschung auf dem Gebiet der Gewebebildung mit dem Wissenschaftspreis der Stadt Basel ausgezeichnet.

Sarah Mehler folgt am
1. Oktober als neue Geschäftsführerin der Kaserne Basel auf Eva Heller.

Markus Jordi,
langjähriges Mitglied der SBB-Konzernleitung, übernimmt am 1. Januar 2025 den Vorsitz des Fachhochschulrats der Fachhochschule Nordwestschweiz.

Karoline Sutter und Urs Berger treten nach über zehn Jahren per 31. März 2025 aus dem Bankrat der Basler Kantonalbank zurück, die Vakanzen werden demnächst ausgeschrieben.

Jacqueline Herrmann und Alexander Bieger lösen Brigitte Jäggi ab, die als Rektorin des Gymnasiums Muttenz in Pension geht.

Bettina Zeugin folgt als Präsidentin von insieme Baselland auf Röbi Ziegler.

Der frühere Baselbieter SP-Regierungsrat Peter Schmid gibt das Präsidium des Freundevereins Zoo Basel an seine Parteikollegin und Landrätin Miriam Locher ab.

Eine Findungskommission sucht eine Nachfolge für Anna Schmid, Direktorin des Museums der Kulturen Basel, die 2025 in Pension geht.

Grünen-Politikerin Flavia Müller aus Allschwil rückt für Biljana Grasarevic in den Baselbieter Landrat nach.

Doppel-Pensionierung am Euro-Airport: Direktor Matthias Suhr geht Ende März 2025, sein Stellvertreter Marc Steuer Ende Dezember 2025 in den Ruhestand.