In der Enge der Städte
Das Roadpricing kann als Mittel betrachtet werden, um die zunehmenden Verkehrsprobleme zu bewältigen, aber mit einer solchen Argumentation würde man nicht weit kommen. Es geht dabei vielmehr um Raumpolitik im weitesten Sinn, die auch das Parkplatzproblem einschliesst.
Der Raum ist beschränkt. Längst wird in die Höhe, in die Tiefe (unterirdische Garagen), in den Berg (Umfahrungsstrassen, zum Beispiel in Grellingen oder Sissach) gebaut, weil der Platz an der Oberfläche nicht mehr ausreicht.
Der Raum beziehungsweise das Land ist verteilt, der grösste Teil in festem Besitz. Wer Land besitzt, ist gut dran, wer keines besitzt, muss auf Zeit ein Stück mieten, zum Beispiel auf einem Campingplatz, oder er kann für eine halbe oder ganze Stunde in einem Lokal einen Platz belegen, wenn er dafür gegenwärtig um die vier Franken für eine Stange oder ein Café crème auf den Tisch legt. Oder er kann zwei auf vier Meter Land am Strassenrand für eine Stunde mieten, um sein Fahrzeug abzustellen.
Das sind Fallbeispiele, die zeigen, in welchem Mass der Raum beschränkt und bereits besetzt ist. Die Nachfrage treibt die Preise in die Höhe, wie man es vom Marktgesetz erwarten kann (das trotzdem nicht immer stimmt, zum Beispiel im Gesundheitswesen). Immer mehr Menschen müssen sich den noch nicht verkauften und verteilten Raum teilen. Wieviele Strassen stehen für den rollenden und wieviele Abstellflächen für den ruhenden Verkehr zur Verfügung? Werden diese Zahlen in Relation gesetzt, wird es verständlich, dass die städtische Enge zu einem regelrechten Verteilungskampf um das verbleibende Raumangebot führt.
Es ist naheliegend, dass unter diesen Umständen Überlegung angestellt werden, ob eine Gebühr für Strassenbenützung erhoben werden soll, wie es bereits beim Parkieren geschieht, für das der verfügbare Raum nicht mehr ausreicht.
Die Situation hat ausserdem auch mit der wachsenden Agglomeration zu tun. Die Stadt wächst aufs Land hinaus, und immer mehr Menschen drängen als Folge davon von draussen für kürzere Zeit in die Stadt. Oft überflüssiger Weise, denn in der Agglomeration gibt es alles zu kaufen wie in der Stadt. Ausserdem haben zahlreiche in der City domizilierte Geschäfte eigene Filialen in den Aussenbezirken.
Während dessen wird die Innenstadt immer mehr vollgestopft mit Autos auf den Trottoirs, Plakatsäulen, Abfallkübeln, bepflanzten Strassenkübeln, Gartenmöbeln (Beizen nennen es "Bestuhlung im Freien") und dergleichen mehr. Ob mehr Parkraum oder "falsches" Parkieren zu mehr Attraktivität der Stadt beiträgt, ist nicht entschieden. Die Frage ist eher, ob das Warenangebot und das Verhältnis von Preis und Leistung stimmt. Ich bezweifle, ob die vielen Fachgeschäfte für Turnschuhe einer Nachfrage entsprechen, auch wenn sie die Aufgabe von Museen erfüllen.
Für ihre Probleme müssten sich die Geschäftsinhaber eine kreative Lösung einfallen lassen, zum Beispiel einen gemeinsamen Lieferdienst. Das läge in ihrem eigenen Interesse und dem der Stadt, die andere Funktionen erfüllen könnte (Wohnbevölkerung, Kultur), und abends sowie an Sonntagen nicht mehr das Schicksal einer toten Hose erlitte.
21. September 2005