Werbung

© Fotos by Jan Amsler, OnlineReports.ch / BUD BL
"Fait accompli-Versuch": Tschudy-Villa nach Abbruch-Versuch.

Teilverwüstete Tschudy-Villa: Ein Zeichen für striktes Regierungs-Handeln

An prominentester Lage in Sissach verlottert seit zwei Jahren ein durch den Eigentümer teilzerstörtes Baudenkmal. Der Schandfleck steht für die Verbindlichkeit im Umgang mit Recht und Gesetz. Die Regierung zog jetzt zum letztmöglichen Zeitpunkt die Notbremse.


Von Peter Knechtli


Seit zwei Jahren staunen Einheimische, Bahnreisende fragen sich, was es mit jenem brachial verunstalteten Haus ganz in der Nähe der Zugstrecke Basel-Olten in Sissach wohl auf sich hat: Die eingerüstete, notdürftig gegen Regen geschützte Ruine wirkt wie ein Überbleibsel nach einem Bombenangriff.

Tatsächlich handelt es sich um das vor genau hundert Jahren gebaute Wohn- und Geschäftshaus der damaligen Weinkellerei Tschudy AG. Die Liegenschaft sticht trotz ihres Alters aus der vorherrschenden Sissacher Mainstream-Architektur hervor: 2003 nahm der Kanton sie ins Bauinventar auf.

Bagger-Aktivität vor Fasnacht und Feiertag
 

Mit ihrer "starken Präsenz im Ortsbild" stelle die Tschudy-Villa einen "wertvollen Zeugen der Baselbieter Architektur- und Wirtschaftsgeschichte" dar, zitierte die Volksstimme kürzlich die Bau- und Umweltschutzdirektion.

Der heutige Besitzer Laurent de Coulon spricht lieber von einer "Bruchbude". Die denkmalschützerischen Interessen des Kantons sind ihm ein Dorn im Auge. Er möchte auf dem 40 Aren grossen Areal eine "verdichtete Überbauung mit Wohnungen und Gewerbeflächen" realisieren.

Eine Chronologie der Lokalzeitung zeigt auf, wie de Coulon seine Baupläne schrittweise auf seine Weise zu realisieren versucht. 2019 lässt er den markanten Vorbau der Villa abbrechen, bevor es kurz vor den Fasnachtsferien 2022 zu einem "ersten Abrissversuch" kommt. Die Denkmalpflege erlässt vor Ort ein "mündliches Abbruchverbot".

Zwei Monate später, am späteren Nachmittag des Gründonnerstags, schien de Coulon bereit, vollendete Tatsachen zu schaffen: In kürzester Zeit zerstörten Baumaschinen einen Viertel der Liegenschaft. Eine Polizei-Intervention und eine Strafanzeige des Kantons sind die ersten Folgen.

Schutz-Verdikt ist "definitiv"

Einschneidender ist der Entscheid vom 11. März dieses Jahres: Die Kantonsregierung stellt die – faktisch teilabgebrochene – Villa auf der Basis eines Gutachtens und im Einverständnis mit der Gemeinde "definitiv" (wie sie betont) unter Denkmalschutz.

Wer sich in diesem Drama letztlich jedoch juristisch durchsetzt, ist noch offen. De Coulon kann den Schutz-Entscheid anfechten.

Dabei stehen sich zwei grundsätzliche Positionen gegenüber: Die Verfügungsgewalt über Privateigentum und die Rolle des Staates als Hüter öffentlicher Schutzinteressen. Baudenkmäler sind wesentliche lokale Identitätsmerkmale.

Rechtlich und finanziell riskant

Der Blick auf den Streit wirft mehrere Fragen auf: Weshalb stellte die Regierung die Villa erst mehr als zwanzig Jahre nach Inventar-Eintrag unter Denkmalschutz, nachdem schon ein grosser Teil ihrer Bausubstanz dem Abbruchhammer zum Opfer gefallen war? Weshalb ist den Behörden nicht aufgefallen, dass Eigentümer de Coulon den Machtkampf mit dem Staat aufnahm und versuchte, die Villa schrittweise dem Erdboden gleichzumachen?

Aber auch: Aus welchen Motiven liess sich de Coulon mit seinem Herr-im-Haus-Standpunkt auf das rechtlich und finanziell riskante Abriss-Manöver ein?

Tschudy-Villa im Zustand von 2009.

 

Noch bevor der Rechtsstreit entschieden ist, lässt sich zweierlei feststellen. Erstens ist verwunderlich, dass die Regierung die Liegenschaft nicht längst unter Schutz gestellt und damit dem bauwilligen Eigentümer klaren Wein eingeschenkt hat. Der sehr späte Schutz-Entscheid kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Behörde in letzter Minute einer Blamage vorbeugen wollte: Dem Eingeständnis, einen möglicherweise illegalen Abbruch nicht verhindert zu haben.

Zweitens aber muss der Regierung attestiert werden, dass sie mit ihrem "definitiven" Entscheid letztlich folgerichtig gehandelt hat. Sie hat in einer Zeit, in der die Bevölkerung Orientierung und Massgabe sucht und das Vertrauen in die politischen Führungen bröckelt, ein klares Machtwort gesprochen: Sie hat dem Versuch, ein Fait accompli zu schaffen, einen Riegel geschoben und damit signalisiert, dass auch im Denkmalschutz Privat-Interessen keinen Vorrang vor dem Recht haben.

Auch hat sich die federführende Bau- und Umweltschutzdirektion ein Zeugnis der Unabhängigkeit ausgestellt. Ihr Chef, Regierungsrat und Raumplaner Isaac Reber (Grüne), wohnt auch in Sissach, und es darf angenommen werden, dass er den Weinhändler de Coulon, Inhaber der einheimischen "Buess Weinbau & Weinhandel AG", persönlich kennt. Der studierte Oenologe hatte die Sissacher "Weinkellereien Tschudy AG" im Jahr 1983 übernommen.

Bierbrauer Heinekens Tat

Abbrüche von denkmalwürdigen Häusern mit dem Ziel, vollendete Tatsachen zu schaffen, sind in der Schweiz nicht einmalig. In ländlichen Gebieten ist diese Praxis laut Experten vermehrt festzustellen.

Besonders spektakulär war der Fall der von Heinrich Tessenow erbauten "Villa Böhler" in St. Moritz Ende der achtziger Jahre. Der holländische Bierbrauer Alfred Heiecken liess das Landhaus nach langem Seilziehen überfallartig abbrechen, obschon die Bündner Regierung erst dessen Schutzwürdigkeit untersuchen lassen wollte.

La Torre: Parallele zur Tschudy-Villa

Ein aktuelles Beispiel, das eine Parallele zur Tschudy-Villa darstellt, liefert auch das ehemalige Restaurant/Wohnhaus "La Torre" an der Reservoirstrasse 240 auf dem Basler Bruderholz.

Der neue Liegenschafts-Eigentümer plante einen Abbruch zugunsten von Neubauten. Erst nachdem seine Absichten ruchbar geworden waren und sich eine von 4000 Personen unterschriebene Petition für den Erhalt des repräsentativen Wohnhauses eingesetzt hatten, wurde die Regierung aktiv: Im Herbst 2020 stellte sie das Haus unter Denkmalschutz.

Der Besitzer wehrte sich bis vor Bundesgericht gegen die Unterschutzstellung – erfolglos. Während der rechtlichen Auseinandersetzung liess er die Immobilie verlottern und verwildern, Sprayereien verunstalteten die Fassaden. Laut einem Augenzeugen bietet der ehemalige Restaurant-Teil im Innern des Gebäudes heute ein Bild der "ziemlichen Verwüstung".

Staatlicher Kauf "kein Thema"
 

Kürzlich war die "Gammel-Villa" (so die bz) in den rosigsten Farben ("Traumvilla auf dem Bruderholz in Basel") und nach aussen hin etwas herausgeputzt zum Verkauf ausgeschrieben. Dass der Kanton Basel-Stadt nun aber gemäss Forderungen als Käufer einspringt, ist laut Immobilien Basel derzeit "kein Thema".

Mehr über den Autor erfahren

22. März 2024

Weiterführende Links:


 Ihre Meinung zu diesem Artikel
(Mails ohne kompletten Absender werden nicht bearbeitet)

Was Sie auch noch interessieren könnte

Peter Riebli steht vor schwierigen Aufgaben

26. April 2024

Der Kommentar von Alessandra Paone zum neuen Präsidium der SVP Baselland.


Johannes Sutter im Interview:
"Meine Rolle sieht bequem aus"

26. April 2024

Der gescheiterte Kandidat für das
SVP-Präsidium will nur noch Zuschauer sein.


SVP Baselland: Peter Riebli ist neuer Präsident

25. April 2024

Die Partei entscheidet sich gegen Johannes Sutter und verabschiedet sich nach rechts.


Reaktionen

Baselbieter SVP-Basis steht
vor Gewissens-Entscheid

18. April 2024

Der Kommentar von Peter Knechtli zur
Präsidiums-Kandidatur von Peter Riebli.


Reaktionen

Erneuter Knall bei der SVP:
Riebli will Präsident werden

17. April 2024

Caroline Mall zieht Kandidatur zugunsten des
68-jährigen Politikers aus Buckten zurück.


Reaktionen

Ein Schweizer Vorzeige-Projekt:
20 Jahre "Obstgarten Farnsberg"

16. April 2024

Mit Birdlife-Projektleiter Jonas Schälle
unterwegs in einem Bijou der Biodiversität.


SVP BL vor Scherbenhaufen:
Wie konnte es so weit kommen?

12. April 2024

Alessandra Paone über die Gründe, die zu
den Zerwürfnissen in der Partei geführt haben.


Reaktionen

Eskalation bei der SVP: Fraktionschef Riebli abgesetzt

11. April 2024

Ab sofort leitet Reto Tschudin
die SVP-Fraktion im Baselbieter Landrat.


Reaktionen

Kantonsgericht Baselland:
Mitte droht leer auszugehen

9. April 2024

Freisinn kann sich bei der Ersatzwahl dank
Taktik und Zufall einen Vorteil erhoffen.


Reaktionen

Regierungsrat Mustafa Atici muss die Kritik ernst nehmen

7. April 2024

Kommentar von Jan Amsler und Alessandra Paone zur Regierungswahl in Basel-Stadt.


www.onlinereports.ch - Das unabhängige News-Portal der Nordwestschweiz

© Das Copyright sämtlicher auf dem Portal www.onlinereports.ch enthaltenen multimedialer Inhalte (Text, Bild, Audio, Video) liegt bei der OnlineReports GmbH sowie bei den Autorinnen und Autoren. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck und Veröffentlichungen jeder Art nur gegen Honorar und mit schriftlichem Einverständnis der Redaktion von OnlineReports.ch.

Die Redaktion bedingt hiermit jegliche Verantwortung und Haftung für Werbe-Banner oder andere Beiträge von Dritten oder einzelnen Autoren ab, die eigene Beiträge, wenn auch mit Zustimmung der Redaktion, auf der Plattform von OnlineReports publizieren. OnlineReports bemüht sich nach bestem Wissen und Gewissen darum, Urheber- und andere Rechte von Dritten durch ihre Publikationen nicht zu verletzen. Wer dennoch eine Verletzung derartiger Rechte auf OnlineReports feststellt, wird gebeten, die Redaktion umgehend zu informieren, damit die beanstandeten Inhalte unverzüglich entfernt werden können.

Auf dieser Website gibt es Links zu Websites Dritter. Sobald Sie diese anklicken, verlassen Sie unseren Einflussbereich. Für fremde Websites, zu welchen von dieser Website aus ein Link besteht, übernimmt OnlineReports keine inhaltliche oder rechtliche Verantwortung. Dasselbe gilt für Websites Dritter, die auf OnlineReports verlinken.

https://www.onlinereports.ch/fileadmin/templates/pics/gelesen.gif
"JA zum Gesetz über eine
sichere Stromversorgung
mit erneuerbaren Energien"

SVP Baselland
in einer Medienmitteilung
vom 26. April 2024
zu den Abstimmungsvorlagen
https://www.onlinereports.ch/fileadmin/templates/pics/gelesen.gif

Die parteiinternen
Klima-Kapriolen haben der Baselbieter SVP zugesetzt.

RückSpiegel

 

Das Regionaljournal Basel veweist in einem Beitrag über die Probleme der Kitas im Baselbiet auf OnlineReports.

Der Klein Report nimmt die Recherche von OnlineReports über Roger Blums Buch über die Basellandschaftliche Zeitung auf.

Die BaZ bezieht sich in einem Artikel über die Zerwürfnisse in der Baselbieter SVP auf OnlineReports.

Die bz verweist in einem Bericht über die Kita-Krise im Baselbiet auf OnlineReports.

BaZ, Baseljetzt und Happy Radio nehmen die OnlineReports-News über das geplante Ministertreffen in Basel auf.

Der Sonntagsblick zitiert OnlineReports in einer grossen Recherche über die Baselbieter SVP-Politikerin Sarah Regez.

Baseljetzt verweist im Bericht über Basler Schiffsunfälle auf ein OnlineReports-Video.

Die Volksstimme greift die OnlineReports-Recherche über das Aus des Textildruck-Unternehmens Permatrend auf.

Im Bericht über "Unruhe am Regioport" bezieht sich Bajour auf die OnlineReports-Ursprungsrecherche aus dem Jahr 2018.

Die Basler Zeitung bezieht sich in einem Artikel über die Kantonsfinanzen im Baselbiet auf OnlineReports.

Die bz verweist in einem Bericht über die Neuausrichtung der Vorfasnachts-Veranstaltung Drummeli auf einen Artikel aus dem OnlineReports-Archiv.

Die Basler Zeitung zitiert in einem Leitartikel über die SVP aus OnlineReports.

Baseljetzt bezieht sich in einer Meldung über den Rücktritt von Ralph Lewin als SGI-Präsident auf OnlineReports.

Die Basler Zeitung nimmt die OnlineReports-Recherche über den blockierten Neubau der BVB-Tramstrecke über das Bruderholz auf.

Die Basler Zeitung und Infosperber übernehmen die OnlineReports-Meldung über den Tod von Linda Stibler.

Die bz zitiert den OnlineReports-Artikel über die Wiedereröffnung des Gefängnisses in Sissach.

Baseljetzt erzählt den OnlineReports-Artikel über die Räppli-Krise nach.

Das Regionaljournal Basel, Baseljetzt, BaZ und 20 Minuten vermelden mit Verweis auf OnlineReports den Baufehler bei der Tramhaltestelle Feldbergstrasse.
 

Weitere RückSpiegel

Werbung







In einem Satz


Die Baselbieter Regierung hat Kathrin Choffat und Roger Müller als neue Mitglieder des Bankrats der BLKB für die laufende Amtsperiode bis Mitte 2027 gewählt. 

Der Baselbieter Regierungsrat hat Raphael Giossi zum Nachfolger des langjährigen kantonalen Bieneninspektors Marcel Strub gewählt.

Cyril Bleisch übernimmt bei den Jungfreisinnigen Baselland das Präsidium von Lucio Sansano.

Die Basler Sozialdemokraten haben die SP queer Basel-Stadt gegründet und als neues Organ in den Statuten der Partei verankert.

Eiskunstläuferin Kimmy Repond und Wasserfahrer Adrian Rudin sind Basler Sportlerin beziehungsweise Basler Sportler des Jahres.

Jean-Luc Nordmann übergibt das Präsidium der Stiftung Tierpark Weihermätteli per 1. Januar 2024 an Martin Thommen.

Iris Graf steigt von der Projektleiterin und akademischen Mitarbeiterin der Baselbieter Fachstelle für die Gleichstellung von Frauen und Männern zur Leiterin auf.  

Sonja Kuhn,
ehemalige Co-Leiterin der Abteilung Kultur Basel-Stadt, ist neu Präsidentin der SRG Region Basel.

Florian Nagar-Hak und Saskia Bolz übernehmen die Leitung des Gesundheitszentrums Laufen, das zum Kantonsspital Baselland gehört.

Mohamed Almusibli übernimmt ab März 2024 die Direktion der Kunsthalle Basel von Elena Filipovic.

Marilena Baiatu ist neue Kommunikationsbeauftragte der Staatsanwaltschaft im Kanton Baselland und ersetzt Thomas Lyssy, der Ende November pensioniert wird.

 

Mitte-Landrat Simon Oberbeck folgt am 1. August 2024 als Geschäftsführer der Schweizerischen Vereinigung für Schifffahrtund Hafenwirtschaft auf André Auderset.

Die Junge SVP Basel-Stadt hat Demi Hablützel (25) einstimmig für zwei weitere Jahre als Präsidentin wiedergewählt.

Dominic Stöcklin wird neuer Leiter Marketing und Mitglied der Geschäftsleitung von Basel Tourismus.

 

Samir Stroh, aktuell Gemeindeverwalter in Brislach, übernimmt Anfang Mai 2024 die Leitung von Human Resources Basel-Stadt.

Das Sperber-Kollegium hat Sterneköchin Tanja Grandits zur "Ehrespalebärglemere 2023" ernannt.

Der mit 50'000 Franken dotierte Walder-Preis geht dieses Jahr an Konrad Knüsel, den Präsidenten des Vernetzungsprojekts Rodersdorf und des Naturschutzvereins Therwil.

Götz Arlt tritt am 1. Januar 2024 die Nachfolge von Christian Griss an und übernimmt die Stufenleitung der Sekundarschulen I im Bereich Volksschulen des Erziehungsdepartements Basel-Stadt.

Michael Gengenbacher tritt am 1. Februar 2024 seine neue Stelle als Chief Medical Officer (CMO) und Mitglied der Spitalleitung beim Bethesda Spital an.

Markus Zuber übernimmt am 1. Oktober die Leitung der St. Clara Forschung AG (St. Claraspital).

Das Präsidium der Juso Baselland besteht neu aus Clara Bonk, Angel Yakoub (Vize) und Toja Brenner (Vize).