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© Foto by Peter Knechtli, OnlineReports.ch
![]() "Es ist immer ein Abwägen": Baselbieter Polizeitaktikerin Schweizer
"Viele verstanden nicht, dass wir 5'000 Leute ohne Masken gewähren liessen"Die Baselbieter Sicherheitsdirektorin Kathrin Schweizer zur Anti-Corona-Demo in Liestal und zur Zurückhaltung ihrer Polizei Von Peter Knechtli Die Polizei schützte vergangenes Wochenende in Liestal eine Anti-Corona-Kundgebung, an der die Maskentragpflicht tausendfach verletzt wurde. "Demonstrieren ist ein Grundrecht und sollte darum nur beschnitten werden, wenn die Sicherheit nicht gewährleistet wird", sagt die zuständige Regierungsrätin Kathrin Schweizer im OnlineReports-Interview. OnlineReports: Kathrin Schweizer, wie haben Sie als politisch höchste Polizeiverantwortliche des Baselbiets die letzten Tage erlebt?
Kathrin Schweizer: Ich stelle fest, dass alle dünnhäutiger geworden sind und entsprechend reagieren. Je nach Zeitphase erhielt ich viele Reaktionen, die inhaltlich in alle Richtungen gingen, positiv und negativ.
Schweizer: Viele konnten nicht verstehen, dass wir 5'000 Leute ohne Masken gewähren liessen. Kreise der Demonstranten zeigten sich anderseits froh, dass sie ihre Meinung äussern konnten. Nachdem die Regierung aber beschlossen hatte, dass sie eine solche Demonstration im Baselbiet nicht mehr will, kehrte die Stimmung im Lager der Demonstranten wieder.
OnlineReports: Sie wurden aus den eigenen Parteireihen stark kritisiert, weil die Polizei nicht einschritt, als Tausende Corona-Kritiker entgegen den Bundesvorschriften ohne Schutzmaske durch Liestal zogen. Weshalb blieb die Polizei passiv?
Schweizer: Das Nichttragen einer Maske ist strafrechtlich eine Übertretung. Wenn die Polizei diese Übertretung hätte ahnden wollen, hätte sie vermutlich massiv – vielleicht auch mit Gewalt - intervenieren müssen. Das wäre unverhältnismässig gewesen. "Der Kundgebung 'viel Erfolg' zu wünschen, OnlineReports: Aber sie hätte ja in der Tat eine oder ein paar Personen herauspflücken und ins Recht fassen können.
Schweizer: Es ist immer eine Gratwanderung. Wenn man einmal anfängt, einzelne Personen zu belangen, dann kann auch die Stimmung sehr schnell kippen. Wir setzen schon seit ein paar Jahren mit unseren Dialog-Teams auf das Gespräch. Wir machten damit – so auch an der letzten Fasnacht – gute Erfahrungen.
OnlineReports: Der Veranstalter-nahe Blogger Daniel Stricker erklärte in einem Video, ein Polizist habe ihm bei der Besammlung am Liestaler Bahnhof hinter der Maske deutlich zugezwinkert und ihm damit die Sympathie mit der Demo bekundet. Über Lautsprecher wünschte die Polizei der Kundgebung "viel Erfolg". Ein Polizeiwagen und Dialog-Teams führten die Kundgebung an. Was sagen Sie dazu und was wollten Sie damit bezwecken?
OnlineReports: Aber das waren doch Signale der Komplizenschaft der Polizei mit einer staatskritischen Bewegung. Und das alles nur um den Preis des friedlichen Verlaufs. Damit gerät die Polizei in den Ruch der Parteilichkeit.
Schweizer: Das kann ich überhaupt nicht unterschreiben, auch wenn die Veranstalter diesen Ruch natürlich wünschten. Man versuchte der Polizei beispielsweise mit einem Slogan-Schild auf einem Einsatz-Fahrzeug Komplizenschaft zu unterstellen. Es waren aber nicht Polizisten, die dieses Schild auf die Windschutzscheibe gelegt hatten. Aufgabe der Polizei war, dass die Demo durchgeführt werden konnte, und nicht, auf Konfrontation zu gehen. Die Dialog-Teams, die unterwegs waren, versuchten im Gespräch zu überzeugen und den geregelten Ablauf sicherzustellen.
OnlineReports: Ihre Kantonspolizei war zuständig für Sicherheit und Ordnung, die Bewilligung hat aber die Standortgemeinde Liestal ausgestellt. Sind da Zielkonflikte nicht programmiert?
Schweizer: Die Stadt Liestal war mit der Polizei im Austausch. Wenn die Polizei die Auffassung vertreten hätte, dass sie die Sicherheit nicht hätte gewährleisten können, wäre die Kundgebung nicht durchgeführt worden. "Der Wortlaut der Bewilligung OnlineReports: Worin bestand die Absprache zwischen der Stadt Liestal und der Polizei?
Schweizer: Es ging um Dinge wie den Ablauf sowie die Route der Demonstration und um die grundsätzliche Frage, ob sie durchgeführt werden kann.
OnlineReports: War Ihnen der Wortlaut der Demo-Bewilligung vor Beginn der Kundgebung bekannt?
Schweizer: Nein.
Schweizer: Es wäre, hinterher betrachtet, wohl richtig gewesen, dass Strafbestimmungen gegenüber dem Veranstalter im Fall von Widerhandlungen als Auflage in die Bewilligung aufgenommen worden wären. Mir war es aber ein grosses Anliegen, dass auch in dieser schwierigen Zeit die Meinung geäussert werden kann.
OnlineReports: Waren Liestal und der Kanton nach der gleich gelagerten Demonstration in Chur naiv in der Annahme, in Liestal würden jetzt Tausende Masken-Gegner eine Maske tragen?
Schweizer: Die Meinungsäusserungsfreiheit ist ein Grundrecht. Deshalb lässt der Bundesrat Kundgebungen auch während der Pandemie zu. Nur auf Verdacht hin soll und darf es auch nicht beschnitten werden.
OnlineReports: Wenn sie gefragt würden – welchen Rat würden Sie dem Kanton Uri geben oder seinem Hauptort Altdorf, wo die nächste Anti-Coronapolitik-Demo stattfindet?
Schweizer: Er meinte, sie würden es in der Regierungssitzung* behandeln. In Uri ist der Regierungsrat die Bewilligungsbehörde.
OnlineReports: Nach unserer Wahrnehmung erfolgen in der Region die Polizei-Einsätze gegen Kundgebungen zunehmend willkürlich und unberechenbar. Bei kleinen Demos wird eher eingegriffen als bei grossen. Es scheint, als sei Ruhe durch Gewährenlassen oberstes Gebot und nicht das Durchsetzen des Rechts.
Schweizer: Wenn im Kanton Baselland eine Demonstration bewilligt ist, dann ist die Polizei dafür besorgt, dass sie auch stattfinden kann. "5'000 Leute zu büssen wäre eine OnlineReports: Scheuen sich Polizisten vor grossen rechtswidrigen Demonstrationen, an denen sie sich einer zahlenmässigen Übermacht gegenüberstehen?
OnlineReports: Aber stimmt, dass die Polizei überfordert ist, wenn sie es mit mehr als tausend Manifestierenden zu tun hat?
OnlineReports: Haben Sicherheitsdirektorinnen und -direktoren allenfalls Mühe, ihre Polizisten in solche Einsätze zu schicken, um sich selbst im Korps nicht unbeliebt zu machen?
Schweizer: In erster Linie geht es um die Sicherheit aller – nicht nur um jene der Polizisten. Wir müssen verhindern, dass bewilligte Demonstrationen eskalieren und es Verletzte und Schäden gibt ...
OnlineReports: … aber nochmals: Scheuen sich politische Polizeiverantwortliche nicht zum politischen Selbstschutz davor, ihr Korps in potenziell gewalttätige Kundgebungen zu schicken?
Schweizer: Wenn Sie insistieren, dann nochmals: Nein! Im Fall der Demonstration vom Samstag hat man die Deeskalation höher gewertet als das Durchsetzen der Maskenpflicht. 5'000 Leute zu büssen wäre auch mit massiv viel mehr Polizeipräsenz eine sehr anspruchsvolle Aufgabe gewesen.
"Die Polizei wägt ab, ob Unrecht zugunsten OnlineReports: Ohne Schlägertrupps das Wort zu reden: Der Begriff der Verhältnismässigkeit wird doch oft herangezogen, um den Verzicht auf heikle Polizeieinsätze zu rechtfertigen.
Schweizer: Ich sehe das nicht so. Es ist immer ein Abwägen, ich habe es erklärt …
OnlineReports: … aber die Polizei schützt durch Nichteingreifen auch Unrecht. Einverstanden?
Schweizer: Nein, sie wägt je nach Situation ab, ob Unrecht zugunsten von Recht in Kauf genommen werden kann. OnlineReports: Müsste nicht die Rolle von Polizei und Staat als Ordnungsmacht wieder klar werden, damit das Demo-Larifari nicht weiter seinen Lauf nimmt?
Schweizer: Die Rollen sind klar. Man muss sie nur akzeptieren. Demonstrieren ist ein Grundrecht und sollte darum nur beschnitten werden, wenn die Sicherheit nicht gewährleistet wird.
OnlineReports: Bedauern Sie etwas im Management der Corona-Manifestation aus polizeilicher Sicht?
Schweizer: Dieses "Erfolg wünschen" wäre nicht nötig gewesen. Davon abgesehen bin ich der Meinung ist das Meiste sehr gut gelaufen. Ich stehe hinter der Arbeit der Polizei.
Schweizer: Nein, aber ich wurde ab 9 Uhr vormittags mehrmals stündlich über die aktuelle Lage informiert.
OnlineReports: Was würden Sie rückblickend verbessern?
Schweizer: Wahrscheinlich hätte ich früher kommunizieren müssen. Vielleicht in Form einer ersten dezidierten Einordnung schon am Samstagabend im Anschluss an die Kundgebung oder dann am Sonntagmorgen.
OnlineReports: In den USA nähme sofort die politische verantwortliche Person öffentlich Stellung. Von Ihnen als Sicherheitsdirektorin war bisher nichts zu hören. Warum nicht sofort eine Medienkonferenz?
Schweizer: Ich halte es für richtig, erst die Fakten zu analysieren und erst dann zu bewerten. Bevor die Polizei Bilanz gezogen hat, kann ich nicht an die Öffentlichkeit treten. 25. März 2021
![]() "Tauglich fürs eigene Gewissen" Nun ja Herr Krummenacher, ihre "Könnte-Berechnungen" mögen ja für ihr eigenes Gewissen etwas taugen und eventuell beruhigen – Hauptsache man wird persönlich selbst nicht angesteckt und landet in der Intensivabteilung. Eine tolle egoistische Einstellung, doch doch. Bruno Heuberger, Oberwil "Durch eine simple Rechnung relativiert" Der Aussage, dass in der Arbeit der Polizei immer der Gedanke der Verhältnismässigkeit das Handeln bestimmen soll, ist doch voll und ganz zuzustimmen. Sie ist weit über die naheliegende Auffassung zu stellen, die Polizei hätte das Recht durch zu setzen. Viktor Krummenacher, Bottmingen |
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