Die Weltreise meiner Ananas und unsere Nachkommen
Wo ich sie gekauft habe, diese Ananas, weiss ich nicht mehr. Auch nicht mehr wann genau, vielleicht vor einer Woche oder so. Spielt aber angesichts des Haltbarkeitsdatums auch gar keine Rolle, dieses ist nämlich, so steht es zumindest auf der Rückseite des kleinen angehängten Zettels geschrieben, erst am 30. April 2015, also in einem knappen Dreivierteljahr. Damit wir uns richtig verstehen, es handelt sich nicht um eine Büchsen-Ananas sondern um eine frische! Und vor dem Datum steht noch der Hinweis "mindestens bis".
Und das Herkunftsland? Der Hinweis darauf ist ebenfalls auf der Etikette vermerkt, er ist aber ziemlich verwirrend: "Europa, USA, Südafrika, Asien", also liegt es in irgend einer Gegend der genannten Erdteile. Vermutlich, wo es tropisch warm ist. Oder kann man Ananas auch in Gewächshäusern ziehen? Nun, von wo auch immer meine Ananas stammt, sie ist, bevor sie mit dem Verfalldatum versehen und zum Verkauf ins Regal gelegt wurde, schon um die halbe Welt gereist. Entweder auf dem Luft- oder auf dem viel zeitaufwändigeren Land- oder Wasserweg. Und trotzdem noch ein ganzes Jahr haltbar!"
"Diese Zeche bezahlen ja nicht wir,
sondern jene, die nach uns kommen."
Wenn ich mir überlege, was meine Ananas zwischen dem Gepflücktwerden in ihrem Herkunftsland und ihrer langen Reise übers weite Meer bis in die ferne Schweiz, wo sie über einen Grossverteiler zuerst in einem Ladenregal landete, und von dort schlussendlich in meiner Einkaufstasche, was sie in dieser Zeit schon alles erlebt haben muss, und was das alles gekostet hat, dann wird mir schwindlig. Klar, sie reiste nicht allein, sondern in Gesellschaft von Hunderten, wenn nicht gar Tausenden anderer Ananas oder Ananassen – beide Pluralformen sind laut Duden korrekt.
Aber ob Ananas oder Ananasse, der Weg dieser Früchte zu uns von Brasilien, Paraguay, Bolivien, Argentinien oder wo immer sonst diese Früchte noch angepflanzt werden ist weit, und der für den Transport erforderliche Treibstoff teuer und der Umwelt nicht bekömmlich. Aber diese Zeche bezahlen ja nicht wir, sondern jene, die nach uns kommen.
Und wer weiss, vielleicht wird es bis dann – Stichwort Treibhauseffekt – auch bei uns bereits so tropisch warm sein, dass wir unsere eigenen Ananasse auf dem Fensterbrett oder, so vorhanden, im Garten ziehen können. Damit würde der Energieverschleiss durch Wärmelampen und die umweltschädlichen Auswirkungen des Transportes entfallen, so dass auch die konsequentesten Umweltschützer diese süssen Früchte dereinst mit gutem Gewissen verzehren können.
Andrerseits würden damit den Arbeitern und Arbeiterinnen auf den Ananas-Plantagen ihre Lebensgrundlage entzogen. Aber vielleicht erschliesst sich für diese bis dann, angesichts der ansteigenden Temperaturen, ein neuer Markt: Palmenwedel gegen die Hitze.
1. September 2014
"Auf wessen Kosten?"
Prima Beschreibung dieses Riesenblödsinns (schon nur der Nebenschauplatz mit der verschämten, idiotischen Etikette)!
Zu diesen philosophischen Gedanken von Corina Christen kommen mir zwei Sätze in den Sinn, welche sich mir im Laufe meines Lebens unauslöschlich eingebrannt haben:
1. Die Antwort meines früheren Hausvermieters im Laufe einer Diskussion über wünschbare Energiesparmassnahmen (welche den kommenden Generationen zugute kommen würden): "Ich lebe den Grundsatz 'Das jetzt Vorhandene selber brauchen - die Nachkommen sollen selber schauen'…."
2. Die Antwort von Bertrand Russell, als er einmal gefragt wurde, was ökologisches Denken & Handeln denn eigentlich sei: "Ganz einfach – stell dir die Frage, ob du in dein eigenes Überleben einwilligen willst!".
Zwiespalt ist des Menschen Dasein - auf wessen Kosten?
Ueli Pfister, Gelterkinden