Auch eine Grenze des Erträglichen
Der Klageruf, dass in der Steuerfrage die Grenzen des Erträglichen erreicht sind, kommt nicht etwa von den Menschen, die sich in der Presse über die Sonderaktionen von Rhabarber, Fleischkäse und Reinigungsmitteln informieren, sondern von den Millionären und Multimillionären, die sich über die drückende Last bemitleiden. Im Kanton Baselland bezahlen 1,6 Promille der Steuerkunden (man beachte den offiziellen Ausdruck "Kunden") 41 Prozent der Vermögensteuer. Das ist zuviel. Jetzt drohen Einige mit Wegzug. Deshalb will ihnen der Kanton, einem nationalen Trend folgend, das Leben erträglicher machen und die Vermögenssteuer senken. Mit dem Effekt, dass der Kanton OW wohl bald nachziehen muss, um seinen Vorsprung zu behalten.
In der Steuerdiskussion lautet die Frage aber nicht, ob die Vermögenden zu hohe Steuern bezahlen müssen, sondern eher, wie es kommt, dass sie soviel verdienen und ihr Vermögen in einer Art vermehren können, dass als Folge davon ihre Steuerleistung so hoch ausfällt. Warum sind sie so verbiestert und nicht stolz auf ihren Wohlstand?
Damit könnte ich diese Kolumne abschliessen und mich einem anderen Thema zuwenden, zum Beispiel der Überlegung, ob die Olympischen Spiele 2008 in Beijing dem Regime in China dazu dienen, seine Menschenrechts- und anderen, zum Beispiel ökologischen Defizite blankzupolieren, ähnlich wie Adolf Hitler die Olympischen Spiele 1936 in Berlin zu Propagandazwecken missbraucht hat. Sogar in Zimbabwe gibt es (vorläufig noch) eine manifeste Opposition.
Trotzdem stellen sich zum Thema Steuer noch ein paar bescheidene Anschlussfragen, aber ich will mich kurz fassen. Am lautstarksten über die hohe Steuerbelastung jammert ausgerechnet die Minderheit, die ihre Einkommen und Vermögen in einer Weise maximiert, dass ihr auch bei hoher steuerlicher Belastung noch ein passabler Rest bleibt. Andere können davon nur träumen, zum Beispiel die Verkäuferinnen an den Kassen in den Warenhäusern und das Pflegepersonal in den Spitälern, die ebenfalls Steueropfer sind. Politik in der Schweiz, so sieht es fast aus, wird neben dem Strassenausbau in zunehmender Weise auf Steuersenkungsmassnahmen durch verschiedene parlamentarische Handlager reduziert, wenn es unter den Parlamentariern nicht welche gibt, die selbst direkt ihre Steuern reduzieren, wie es in der Diskussion um die KMU-Steuern geschehen ist.
Die Behörden sind in Anbetracht der Umstände zum Sparen gezwungen. Aber warum müssen sie sparen? Weil sie zu wenig einnehmen. Und warum ist das so? Weil die Steuerzahler und besonders die guten geschont werden sollen. Inzwischen kann der Staat seine zentralen Aufgaben immer weniger erfüllen, etwa im sozialen und Gesundheitsbereich oder in der Bildung.
Umgekehrt gefahren, heisst das: Je mehr wir sparen, desto mehr Gelegenheit haben wir für Steuersenkungen.
Auf diese Weise öffnet sich das Wunderinstrument der sozialen Schere immer mehr. Wo leben wir eigentlich?
Die Streiks der letzten Wochen und Monate zeigen allerdings, dass die Entwicklung im Begriff ist, an eine andere Grenze des Erträglichen zu stossen. "Personal streikt, SBB-Chef kassiert", schrieb die Thurgauer Zeitung aus gegebenem Anlass kürzlich – und traf damit genau den wunden Punkt.
14. April 2008
"Gut gejammert ist halb gewonnen"
Diesem Artikel ist eigentlich nichts mehr beizufügen ausser der alten Bauernschlauheit, die sich wieder mal bewahrheitet: "Gut gejammert ist halb gewonnen!" Hier sind es eben die Steuer-Millionäre. Und der Staat lässt sich erweichen! Oder doch erpressen?
Bruno Heuberger, Oberwil