Das Grosse und das Kleine
Entgegen allen ökonomischen und ökologischen Überlegungen und trotz internationaler Proteste hat Island unter fadenscheinigen Gründen den Walfang wieder aufgenommen und das Internationale Walfang-Moratorium aus dem Jahr 1986 aufgekündigt.
Das Verenden der Tiere dauert lange an und ist qualvoll. Ende Oktober wurde der erste Finnwald erlegt, weitere sollen folgen. Finnwale gehören zu den grössten heute lebenden Tieren. Ihre Population ist vom Aussterben bedroht.
Bald werden Pferde und Kühe die grössten lebenden Tiere auf der Erde sein, nachdem die Tiere in der freien Wildbahn laufend dezimiert (ausgerottet) werden, zum Beispiel Elefanten und Nashörner.
Wir haben es mit einer zunehmenden Miniaturisierung in der Tierwelt zu tun. Während die grossen Arten verschwinden, richtet sich im gleichen Zug das Interesse mehr und mehr auf die allerkleinsten Lebewesen und Organismen. Unter dem Rasterelektronenmikroskop sehen Milben wie vorzeitliche Ungeheuer aus. Um Viren und Bazillen bilden sich neue Wissenschaftszweige heraus.
Es sieht so aus, als ob die Welt draussen in der Steppe und in den Meeren nur noch geringe Aufmerksamkeit hervorruft. Das Grosse entbehrt des Interesses. Es passt nicht mehr in unser Weltbild. Anders ist die Jagd auf die Wale kaum zu erklären. Parallel dazu verlagert sich das Interesse in die Laboratorien, wo mit Hilfe moderner Technologien immer tiefer in Bereiche, die bisher von Auge unsichtbar waren, vorgedrungen werden kann. Dazu gehören auch die invasiven Methoden in der Medizin, die eine höchste wundersame Bildwelt zugänglich machen (zum Beispiel Kamerafahrten durch den Darm).
Goethe fand noch, dass "Mikroskope und Fernröhre" den reinen Menschensinn verwirren. Heute kann man das nicht mehr so sagen. Die Entdeckung des Kleinen ist eine aufregende Disziplin.
Auch Galileo Galileis Gegner wollten den ins Universum gerichteten Fernrohren nicht trauen und sich ausschliesslich auf ihre Augen und die Bibel verlassen. Sie versahen sich dabei. Heute reichen die Augen noch weniger zum Verstehen aus. Die materielle Welt verschwindet im Allerkleinsten und Unsichtbaren.
Die Miniaturisierung scheint im Zeitgeist zu liegen. Die gleiche Entwicklung kann in der Physik beobachtet werden, wo allerdings das Riesengrosse des Universums eine Gegenposition einnimmt. Das Vordringen in das Innere der Materie nimmt immer kleinere Teile wahr, die zuletzt nur noch als mathematische Formeln erfasst werden können.
Auch in der Elektronik werden die Bausteine immer winziger (und effizienter). Die Menge an Informationen, die ein Chip verarbeiten kann, sind enorm. Tendenz steigend. Ein Laptop von heute vermag mehr Leistung zu erbringen als ein Computer aus dem Jahr 1950, der damals die Dimension eines ganzen Zimmers einnahm.
Die Beispiele zeigen auch, dass wir im Begriff sind, die Information an die Stelle der Materie zu setzen.
Aber nichts erklärt, warum Wale und Elefanten dabei ihr Leben lassen müssen.
13. November 2007