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WWF wegen "Menschenrechts-Verletzungen" vor OECD
Dem WWF werden seit Jahren indirekte Menschenrechts-Verletzungen gegen das indigene Waldvolk der Baka im Kongobecken vorgeworfen. Ohne grosse Wirkung. Nun hat die Menschenrechtsorganisation Survival International gegen den Naturschutzkonzern Beschwerde bei der OECD eingereicht – eine Premiere.
London/Basel, 11. Februar 2016
"Die Beschwerde wirft dem WWF vor, in gewalttätige Misshandlungen und Landraub gegen die Baka-"Pygmäen" in Kamerun verwickelt zu sein. Diese werden durch Anti-Wilderei-Einheiten begangen, die der WWF mitfinanziert und ausrüstet", schreibt die auf die Verteidigung indigener Völker spezialisierte Organisation Survival International (SI) in einer am Mittwoch veröffentlichen Medienmitteilung.
Mit ihrer Beschwerde an die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zündet SI in einem seit Jahren schwelenden Streit eine neue Stufe. Der WWF habe sich zu Beginn seines Engagements im Urwald Kameruns "keine Gedanken" gemacht, welche Auswirkungen dieses für die Baka haben könnte. Ein alter Vorwurf, der den WWF seit seiner Gründung im Zusammenhang mit vielen seiner Schutzbemühungen in Gebieten indigener Völker zu schaffen macht: Für die Wildtiere und Urwälder werde weit besser gesorgt als für ihre fragilen Jäger- und Sammler-Völker, kritisieren Menschenrechtskreise auch heute noch.
"Schwere Menschenrechts-Verletzungen"
Im einst schwer zugänglichen, vorab durch die Holzindustrie geöffneten Lebensraum der Baka (Bild), so kritisiert jetzt Survival International, habe der WWF erwiesenermassen "zu schweren Menschenrechts-Verletzungen beigetragen und gegen die Erklärung der Vereinigten Nationen über die Rechte der Indigenen Völker verstossen". Zu vielen Waldgebieten ihres Lebensraums, die unterdessen mit Hilfe der Panda-Organisation in Naturschutzgebiete umfunktioniert wurden, hätten die Baka nicht einmal mehr Zugangsrechte.
Überdies kritisiert SI die dort wirkenden Anti-Wilderei-Einheiten Kameruns, die vom WWF unterstützt werden: "Schon seit mehr als einem Jahrzehnt misshandeln diese die Baka-Männer und -frauen sowie andere indigene Völker des Regenwalds auf brutale Art und Weise", schreibt die Organisation, die seit Jahren auf die Missstände aufmerksam zu machen versucht.
Survival-Direktor Stephen Corry: "Der WWF weiss, dass die Männer, die seine Unterstützer und Unterstützerinnen zum Schutz der Natur finanzieren, die Baka immer wieder misshandeln und sogar foltern. Ihr Land wurde gestohlen, um daraus Schutzzonen zu machen. Trotzdem macht der WWF weiter wie bisher und reagiert auf Kritik mit noch mehr Öffentlichkeitsarbeit. Dabei fordert er Unternehmen auf, sich an die OECD-Leitsätze zu halten, obwohl er diese selbst regelmässig verletzt."
Baka als "Affen" behandelt
Es sei klar: Die Organisation mit dem Panda-Logo habe sowohl gegen die OECD-Menschenrechts-Leitsätze als auch gegen ihre eigenen Grundsätze zu indigenen Völkern verstossen. "Deshalb hat die Rechtsabteilung von Survival eine formelle Beschwerde eingereicht." Dieses Verfahren werde sonst bei multinationalen Unternehmen angewandt. Auch sei es das erste Mal, dass die OECD mit einer Beschwerde gegen eine Naturschutzorganisation konfrontiert werde.
Eine mehrwöchige Recherche von OnlineReports zusammen mit dem Schweizer Filmer und Afrikaspezialisten Karl Amman bei den betroffenen Baka vor einer Dekade kam zu ähnlichen Erkenntnissen: Ihr Zustand ist desolat. Sie werden aus ihren Gebieten vertrieben, sind entwurzelt und hungern oft. Baka sind vielfach Opfer von rassistischen Übergriffen oder Vergewaltigungen. Von zugezogenen Siedlern, Lastwagenchauffeuren, Mitarbeitern der Holzindustrie und von Bantu-Wildhütern werden sie häufig diskriminiert und als "Affen" betrachtet. Dies wurde uns von Wildhütern selbst wie auch von europäischen Missionaren und Jägern, die Baka als Spurenleser schätzen, mehrfach bestätigt.
WWF gibt sich unentwegt gelassen
Angesprochen auf die Zustände und konfrontiert mit konkreten Missbrauchsfällen durch die vom WWF bezahlten Ranger konnten oder wollten die WWF-Mitarbeiter keine schlüssigen Antworten geben, weder im WWF-Zentrum in Kameruns Hauptstadt Yaounde, noch im schweizerischen Hauptquartier des WWF International in Gland.
Survival International hat das Thema nie einschlafen lassen und immer wieder den WWF angegriffen, ohne dass dieser jemals öffentlich und umfassend Stellung genommen hätte. Auch den wiederholten Aufforderungen von OnlineReports an den WWF, zu diesen Vorwürfen konkret Stellung zu beziehen, wurde mit minimalen Antworten begegnet: Der WWF verletzte sicher keine Menschenrechte in Kameruns Urwald, und er sorge dafür, dass die Baka eine lebenswerte Zukunft haben. Wer sich allerdings in die von Behörden, Konzernen und selbst von Naturschutzorganisationen oft gut abgeschirmten "Pygmäen"-Gebiete durchschlägt, erhält einen gegensätzlichen Eindruck.
Traum von einem "neuen Naturschutz"
"Heute geht die Zerstörung des Landes der Baka durch Waldrodung, Bergbau und illegalen Wildtierhandel weiter. Die Indigenen, denen bereits im Namen des Naturschutzes der Zugang zu grossen Teilen ihres angestammten Landes verweigert wird, sind besorgt, dass ihre Heimat so gänzlich zerstört wird", warnt Stephen Corry.
Er träumt von einem "neuen Ansatz im Naturschutz, der die Rechte indigener Völker respektiert". Und dann sagt er, was die meisten WWF-Verantwortlichen auch sagen: Indigene Völker verwalteten seit Jahrtausenden ihre Umwelt, sind deren besten Kenner und sollten im Zentrum jeder Umweltschutzpolitik stehen. Im Kongobecken, wo die Korruption fast alle Akteure im Griff hat, blieben solche Vorstellungen bislang im Ansatz stecken. Die Wälder der Baka werden weiter abgeholzt, und der WWF versucht den Regierungen und den europäischen und asiatischen Holzkonzernen eine "nachhaltige Waldbewirtschaftung" beizubringen.
Menschenrechtsorganisationen wie Survival International sind gegen jede Bewirtschaftung der Wälder, weil sie von den Waldnomaden nachhaltig genutzt wurden und jeder Eingriff den Lebensraum der Jäger und Sammler gefährdet. Das entspricht der Haltung der traditionellen "Wächter der Natur", der indigenen Völker mit ihren schwindenden Wäldern und Wildtieren. Die Alternative des "modernen Lebens" ausserhalb der Wälder sind in der Regel trist: Sie enden in der Entwurzelung, dem Ausgeliefertsein und der Zerstörung der eigenen Kultur.
Weiterführende Links:
- Harsche Kritik an der WWF-Politik im "Pygmäen"-Wald
- "In Afrikas Regenwäldern braucht es Undercover-Aktionen"
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- Bald gieren Urwaldriesen in den Schweizer Tür-Scharnieren
- Regenwald-Zerstörung: Holzkonzerne rücken ins Visier