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Bundeshaus-Arena Seite 5
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ALOIS-KARL HÜRLIMANN, BERLIN: Ist man sich eigentlich unter den politischen Akteuren in der Schweiz, namentlich in der Deutschschweiz, bewusst, welch verheerende Auswirkungen die teilweise rein rassistischen und allgemein aufhetzenden SVP-Wahlpropaganda-Äusserungen erzeugen, welche in der veröffentlichten Meinung sowohl in Deutschland als auch in Frankreich sehr genau registriert und teilweise von äusserst spitzen Kommentaren begleitet werden (neuestes Beispiel: Sonntagsausgabe des Berliner "Tagesspiegel")? Offensichtlich nimmt in den Partei- und Politikführungsetagen ausser Couchepin niemand wahr, was diesbezüglich für die Schweiz durchaus in allernächster Zukunft auf dem Spiel steht. Wenn ich da nur an die Steuergeschichten denke!
ISAAC REBER (GRÜNE), SISSACH: Ich glaube, Erich Straumann bringt ein paar Dinge chronologisch durcheinander. Dass nicht mehr zeitgemässe Ortsbildvorschriften mehr Umweltschutz und konkret Sonnenkollektoren verhindern, hat er selbst vielleicht wirklich erst vor wenigen Wochen entdeckt, womit er bei der SVP ja zu den Ersten gehören würde. Falsch liegt er aber mit seiner Behauptung, dass dies von linksgrünen Kreisen nun auf seine Initiative hin erst jetzt aufgenommen wird. Vor einem Jahr schon habe ich die Motion "Solaranlagen aufs Dach - auch in der Kernzone" (2006-245, 19.10.06) eingereicht. Nun zähle ich natürlich auch auf SVP-Unterstützung.
DER KELLNER: Hoppla, Herr Reber, jetzt haben Sie aber selektiv wahrgenommen. Herr Straumann hat im Zusammenhang mit den Grünen nicht von den Solardächern gesprochen, sondern von der Verpflichtung an die Regierung, "zur Gewinnung von Windenergie den Landschaftsschutz zu lockern". Sind Sie dafür, den Landschaftsschutz auf den Jurahöhen oder andern exponierten Landschaften zu schützen, um darauf Windräder aufstellen zu dürfen? Ich habe übrigens en passant erfahren, dass Sie Süssmost nicht mehr so gut ertragen, seit Sie nicht mehr rauchen. Darum hier einen halben Sauren, offeriert von Herrn Straumann, wenn ich richtig gehört habe.
ISAAC REBER (GRÜNE), SISSACH: Nun, lieber Kellner, Erich Straumann hat behauptet, dass auf seine Initiative im Ständeratswahlkampf hin überholter Ortsbildschutz und Sonnenkollektoren erst zum Thema geworden seien, und da beweist meine gleichnamige Motion (keine Worte, eine Tat) vom Oktober 2006 eben das Gegenteil. Was aber den Landschaftsschutz und die Windkraft betrifft: Wer für mehr Windkraftnutzung ist, muss auch dafür sein, dass die Anlagen dorthin kommen, wo der Wind ist, und das sind bei uns halt die Jurahöhen. Logische Folge: Wir müssen auch beim Landschaftsschutz über die Bücher. Ich pflege meine Meinungen konsequent zu vertreten und bin bereit dazu. Vielleicht gehören ja bald auch Windräder zum modernen Landschaftsbild einfach dazu. Neulich sah ich dies in einem Almodovar-Film auf dem Münsterplatz tatsächlich bereits im Kino: Spanien ist uns da eben mittlerweile voraus.
DER KELLNER: Hier ist der Halbe Saure. Vor einigen Wochen sagte Ihre Fraktionskollegin Sarah Martin hier in der "Brasserie": "Unterdessen können wir schon mal ein paar Windturbinen in unbedenklichem Gebiet aufstellen – genügend Wind gibt's nämlich nicht nur in Naturschutzgebieten." Sind die so oft als lieblich besungenen Jurahöhen für Windturbinen unbedenklich?
ISAAC REBER (GRÜNE), SISSACH: Es ist genau so, wie Kollegin Martin sagt. Es gibt genügend Jurahöhen, empfindliche und und weniger empfindliche. Da liesse sich auf jeden Fall etwas Schlaues machen, aber im träge-konservativen, bürgerlichen Baselbiet fehlt da eben etwas der Dampf. Ich würde aber gerne noch ein anderes Thema in die Runde werfen. In den teuren Inseraten rühmt die SVP ihre "Blocher-Schweiz" unter anderem mit folgendem Satz: "Die Schweiz ist das Land mit den tiefsten Unternehmenssteuern". Erledigt die SVP mit diesem Satz nicht glatt die zur Abstimmung kommende Unternehmenssteuerreform? Dazu würde ich gerne bürgerliche Meinungen hören. Denn wozu noch weiteres Geld mit dieser Giesskannenreform nachschieben, wenn wir doch schon die Besten sind und für so wenig Steuern bereits so gute Rahmenbedingungen liefern? Und dann hat ja die SVP den Unternehmen im Parlament zu Bern eben noch ein zusätzliches Geschenk im Wert von 3.7 Milliarden (!) Franken gemacht.
PETER WALDNER (LDP), BASEL: Die linke Terminologie, in die hier auch Isaac Reber bei seinem Ablenkungsmanöver von der Standortfrage für Windräder verfällt, ist ein Übel: Wenn den Unternehmen weniger abgezockt wird, dann wird da weder irgendwelches Geld mittels "Gieskannenreform" nachgeschoben noch erhält irgendwer "Geschenke". Mit der Giesskanne wird – im Gegenteil – viel zu viel Geld als Geschenk verteilt, das man eben genau diesen Unternehmen zuvor abgezockt hat. Wenn man das – beides – korrigiert, ist das weder grosszügig noch dumm, sondern einfach nur gerecht!
ISAAC REBER (GRÜNE), SISSACH: Das Wort war vielleicht mit zu wenig Bedacht gewählt, räume ich durchaus ein. Trotzdem bleibt die Frage: Wie kann man auf der einen Seite sagen, dass die Unternehmen in diesem Land nach Strich und Faden "abgezockt würden" (nicht meine Worte), und auf der anderen Seite behauptet die SVP in ihren Inseraten, die Schweiz sei das Land mit den tiefsten Unternehmenssteuern? Da geht doch einfach etwas nicht auf. Und was die Windkraft betrifft: Da habe ich mich doch vor kurzem klipp und klar ausgedrückt.
URS EBERHARDT (LDP), BASEL: Kellner, einen Latte macchiato und den "Blick" bitte. Da steht angeblich drin, dass die SVP in Basel den zweiten Sitz macht, die Grün/Linksten keinen, dass Anita Fetz Ständerätin bleibt und dass Claude Janiak die Mehrheit im Baselbiet bekommt. Ich bin gespannt auf die Stimmung hier im Spunten.
DER KELLNER: Hier. Der "Blick" hat ja schon viel erzählt und die BaZ orakelte auch schon in diese Richtung. Ich glaube nicht an einen zweiten Basler SVP-Sitz. Aufgrund vom welchem Leistungsausweis? Seit die Frau Zanolari weg vom Fenster ist, ist in dieser Sektion doch der Pfupf draussen. Gibt es andere Meinungen?
DANIEL KOBELL (SP), BASEL: Dass die SVP einen zweiten Sitz "geschenkt" bekommt, ist leider möglich geworden. Schaffen wird sie dies sogar ohne Wahl-Leistung und ohne Poltern à la Zanolari - nur dank der Listenverbindung mit den Bürgerlichen. Dass jede bürgerliche Stimme der verschlafenen Stadt-SVP zu einem zweiten Sitz verhelfen kann, haben denn auch viele liberale, freisinnige und christliche Wählerinnen und Wähler begriffen und der "Rohrkrepierer" mit der "Liberalen Gewerbeliste" hat das Seine zur Verunsicherung beigetragen. Das mag der Grund sein, warum laut vertraulichen Informationen erst so wenige briefliche Wahlzettel wie noch nie eingegangen seien. Darum gilt für die Stadt Basel: Jede Stimme für die SP sichert der FDP ihren Sitz!
ALOIS-KARL HÜRLIMANN, BERLIN: Aus einiger Ferne möchte ich kurz den folgenden Gedanken vor dem schweizerischen Wahlsonntag loswerden und damit die Meinung des Kellners unterstützen. Der riesige Aufwand an Propaganda, an primitiver Stimmungsmache und Verhetzung aller, die nicht für sie sind, den die SVP betreibt, könnte ja auch eine Mobilisierung der SVP-Gegner bewirkt haben. Das würde dann bedeuten, dass die Wahlbeteiligung merklich höher als vor vier Jahren sein könnte. Wenigstens in Deutschland ist es so, dass bei geringerer Wahlbeteiligung die Rechtsextremen in Landtage einziehen (Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern), dass sie aber bei höherer Wahlbeteiligung (Berlin beispielsweise) an der Fünfprozenthürde scheitern. Ich könnte mir vorstellen - und aus meinem Bekanntenkreis weiss ich es -, dass die massiven Übertreibungen der SVP zwar auch noch deren letzten Anhänger in die Wahlbeteiligung bringt, aber eben den anderen Parteien schlussendlich viel mehr Wählerinnen und Wähler als vor vier Jahren bringen könnte. Mal schauen. Dass die sogenannten klassischen "Bürgerlichen" in Basel wie vor vier Jahren wieder kapitale Vorwahldummheiten in die Welt gesetzt haben, ist allerdings leider nicht mehr aus der Welt zu schaffen.
ARTHUR BLISS, BASEL: In einigen Quartieren Basels leben 50 Prozent Nicht-Schweizer. Einige seit Jahrzehnten. Die sind via Arbeit, Steuern und Sozialabgaben in diesen Staat impliziert und weitgehend integriert. Wählen dürfen sie aber nicht. Gleichzeitig fragt mich meine 14-jährige Tochter, ob ich dafür sei, dass man mit 16 wählen und stimmen kann. Nein! Nicht weil die 16-jährigen zu blöd sind. Sondern weil vor den Jugendlichen all diese Nicht-Schweizer drankommen, welche hier die Maschine in Gang halten und persönlich von allen Entscheidungen des kantonalen Souveräns direkt betroffen sind. Das funktioniert im Jura und in Neuenburg übrigens bestens. Nicht einmal die SVP beklagt sich dort darüber. Denn sie hat herausgefunden, dass es auch unter Ausländern konservative Menschen gibt.
BRUNO HONOLD, BASEL: In der Tat, den Ueberlegungen von Herrn Hürlimann kann man zustimmen, wobei allerdings fraglich ist, ob sich bei den rund 50 Prozent Stimmberechtigten, die von ihrem Recht nie Gebrauch machen, überhaupt etwas zu erwarten ist. Tatsache ist, dass die extrem fremden- und demokratiefeindliche Propaganda der SVP dem Ansehen der Schweiz im Ausland schadet. Wir in der Schweiz haben uns daran zu gewöhnen und den SVP-Politikern ist es egal. Die mitverbündeten klassischen Bürgerlichen werden erst nach dem 21. Oktober erwachen und haben dann vier Jahre Zeit zum überlegen was man im Herbst 2011 besser machen könnte. Ein Blick ins Geschichtsbuch wäre hilfreich, weil alles schon einmal dagewesen ist.
HANS ULRICH ISELIN (LDP), RIEHEN: Lieber Herr Honold, am Abend des 21. Oktober werden, sofern Ihre Prognose stimmt, die Schweizerinnen und Schweizer, im Spiegel ein Bild sehen, das ihnen vielleicht nicht sonderlich gefallen wird, weil sie erkennen werden, dass sie ein Volk wie viele andere auch sind: narzisstisch, kollektivistisch, autoritätsgläubig. Falls Sie irren, und diese Hoffnung sollten wir bis am Abend des 21. Oktober nicht aufgeben, also falls wider alle Erwartungen die liberalen Reformkräfte gut abschneiden, wird klar sein, dass sich Schweizerinnen und Schweizer
nicht durch Schalmeientöne und Polemik von Links oder Rechts verführen lassen, also doch irgendwie besonders sind ...
ALOIS-KARL HÜRLIMANN, BERLIN: Lieber Herr Iselin, was waren denn in dem Wahlkampf oder auch in der Politik der letzten Jahre sowohl lokal als auch in der Bundesrats- und der Parlamentspolitik der "Linken", also der Sozialdemokraten und der Grünen, "Schalmeientöne"? Ich denke, dass im Bund nur ohne diese SVP, wie sie sich selber darstellt und wohl auch versteht, nämlich als Führerpartei mit Anspruch gegenüber allen anderen politisch Handelnden auf Unfehlbarkeit ihres Führers, eine wirklich notwendige Reformpolitik (was vor allem Bildungspolitik und Europapolitik heisst) eingeleitet werden kann. Die SVP würde meiner Ansicht nach, sollte man den Bundesrat für vier Jahre ohne ihre Beteiligung personell zusammensetzen, auseinanderbrechen (wenn ich da an Teile der SVP des Kantons Bern oder jene von Glarus, Graubünden und sogar Teilen der Aargauer oder der Baselbieter SVP denke). Die SVP macht keine bürgerliche Politik. Die "Bürgerlichen" haben genau darüber zu wenig nachgedacht in den letzten Jahren. Die kantonalen Koalitionen, welche überall mit Ausnahme des Kantons Aargau gute Politik mit den Sozialdemokraten oder den Grünen vorlegen, zeigen, dass echte, faktenbestimmte Politik zwar Auseinandersetzungen miteinschliesst, aber eben auch den Kompromiss und die Gestaltungswilligkeit von Kompromissen. Die "reine Lehre" verkommt inzwischen bei jenen Bürgerlichen, welche immer noch glauben, mit der SVP "die Linke" ausbooten zu können, sehr rasch zur "reinen Leere" (siehe "Gewerbeliste" in Basel ...).
DER KELLNER: So, meine Damen und Herren, es ist Polizeistunde. Und die Stunde der Wahrheit. Ich bedanke mich bei allen, die an der Debatte in der "Brasserie" teilgenommen und bei den Tausenden, die durch das Fenster zugeschaut haben. Treffen Sie die richtige Wahl und schauen Sie bei anderer Gelegenheit wieder vorbei.
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