Was Basel von London lernen kann
Kürzlich war ich zum ersten Mal in London. Vorab kann gesagt werden: Trotz Brexit lebt auch London noch und wird – wie das gesamte Vereinigte Königreich – die Herausforderung dieser Volksentscheidung meistern können. Beeindruckend sind für mich bei Städtereisen immer auch die Unterschiede zwischen der jeweiligen Stadt und Basel. Auch wenn die Grösse natürlich nicht vergleichbar ist, erwischt man sich trotzdem immer wieder dabei, wie man eben doch vergleicht.
Beeindruckend finde ich vor allem das gut funktionierende U-Bahn-Netz. Beinahe sämtliche Distanzen konnten problemlos – auch zur Rush Hour – mit der U-Bahn zurückgelegt werden. Die Wartezeit betrug dabei nie mehr als vier Minuten. Unvorstellbar, dass man in Basel so kurz auf ein Tram am Marktplatz oder am Barfüsserplatz zwischen 16.30 Uhr und 18.30 Uhr warten muss.
Es zeigt sich, dass Basel in Bezug auf das ÖV-Netz in den vergangenen Jahrzehnten versagt hat. Eine U-Bahn durch Basel wäre schon längstens notwendig. Leider sind die Planungen noch immer nicht sehr weit fortgeschritten. Auch wenn mit dem von mir unterstützten "Herzstück"-Projekt der Regio-S-Bahn ein wichtiger Schritt getan wird, so sind wir dennoch weit im Rückstand und das Projekt entsprechend um ein Vielfaches teurer wie noch vor vielleicht 20 Jahren.
"Basel sollte sich nicht nur mit Fussball
und Kultur international messen."
Gerade auch für Touristen ist London eine interessante Destination. Die mit vielen Läden ausgestattete Shopping-Meile rund um den Piccadilly Circus pulsiert. Die Läden sind voll und haben, anders als in Basel, auch zu später Stunde – also auch nach 20 Uhr – noch geöffnet. Klar, auch hier darf festgehalten werden, dass London nicht Basel ist. Dennoch funktioniert das System des Einkaufens zu späterer Stunde dort bestens und noch niemand hat mir jemals eine plausible Begründung liefern können, weshalb dies nicht auch in Basel zumindest erlaubt sein sollte. Eine belebte Innenstadt – die soeben angekündigte Schliessung von "Musik Hug" lässt grüssen – muss doch im Interesse aller sein.
Neben den attraktiven Ladenöffnungszeiten kennt London für Touristen auch den sogenannten "London Pass". Mit dieser Karte können Touristen zu einem relativ günstigen Preis alle wichtigen Sehenswürdigkeiten der Stadt besuchen. Dazu werden noch weitere interessante Informationen abgegeben und der Tourist kann damit seinen London-Trip problemlos planen. Zwar kennt auch Basel eine sogenannte "BaselCard", doch diese ist im Vergleich dazu relativ teuer und umfasst weder alle Angebote unserer Stadt noch können diese gratis besucht werden. Bezeichnend ist auch, dass der Besuch der berühmten "Tate Modern" sogar kostenlos ist, während dem bei uns alle Museen einen relativ happigen Eintritt verlangen.
Deshalb wäre es aus meiner Sicht eine prüfenswerte Idee, wenn wir analog anderer Städte eine solche Karte mit anschliessenden Gratiseintritten zu sämtlichen touristischen Einrichtungen unserer Region prüften. Für Touristen bedeutete dies wiederum einen Mehrwert, der sich umsatztechnisch sicherlich für den gesamten Detailhandel, die Kulturinstitutionen und das Gastgewerbe auszahlen würde.
Auffallend ist zudem, wie sauber die ganze Stadt daherkommt. Weder sind Abfallkübel überfüllt, noch sieht man Graffitis und Schmierereien an den Gebäuden. Was bei uns also noch immer eine mittelgrosse Herausforderung ist, klappt dort beinahe reibungslos.
Vielleicht wäre es angebracht, wenn sich Basel nicht ausschliesslich mit Fussball und Kultur an internationalen Massstäben messen würde, sondern künftig auch im Tourismusbereich und in der Belebung der Innenstadt und des Detailhandels auf solche Vergleiche einliesse. Stühle und Gratis-Parking in der Innenstadt sind ein kleiner Anfang – aber es darf auch wirklich nur der Anfang sein.
17. Oktober 2016
"Nicht vergleichbar"
London ist nicht mit Basel zu vergleichen. Abgesehen von wenigen Ausnahmen im Zentrum liegen in London die U-Bahnstationen meist ziemlich weit auseinander; die "Feinverteilung" erfolgt (effizient!) mit Bussen. Tatsächlich gibt es Linien, die etwa im 3- oder 4-Minutentakt bedient sind, dennoch mit einem Gedränge an den Stationen und in den Zügen, dass einem fast die Luft wegbleibt. Alleine die "Northern Line" befördert weit über 250 Millionen Fahrgäste pro Jahr; ihre Endstation (!) im Süden (Morden) wird von gegen 8 Millionen Fahrgästen im Jahr genutzt.
Ein U-Bahnnetz von Basel müsste mindestens Liestal, Aesch, Therwil, Rheinfelden, Riehen umfassen; und natürlich eigentlich auch Grenzach, Lörrach, Weil, St. Louis. An jeder U-Bahnstation müsste eine Tram- resp. Busstation stehen, damit die Feinverteilung erfolgen kann. Und natürlich wären (wie in London auch) nicht alle Strecken tatsächlich "unterirdisch", sondern durchaus vergleichbar mit unserer Regio-S-Bahn.
Letztlich ist unser einziges "Problem", dass die Regio-S-Bahnhöfe in der Stadt etwas sehr weit vom eigentlichen Stadtzentrum entfernt sind. Das Tram-/Busnetz hingegen ist vorzüglich und der Grösse der Stadt durchaus angemessen. Höchstens ein Problem bezüglich "Engpass Innerstadt". Da diese – wie es Joël Thüring andeutet – aber (zumindest abends) zielgerichtet "umgebracht" wird, löst es sich vermutlich von selbst.
Peter Waldner, Basel
"Zwei Fragen bleiben"
Durchaus bedenkenswert, was Joel Thüring aus seinem Besuch in London als Vorschläge einbringt. Zwei Rückfragen bleiben. "Es zeigt sich, dass Basel in Bezug auf das ÖV-Netz in den vergangenen Jahrzehnten versagt hat." Eine Metro müsste eingerichtet werden. Ob allerdings Basel die Grösse hat, um eine Metro einzurichten, bleibt eine ernsthafte Frage. Vor allem, wenn man die Kosten bedenkt, die ein solches Projekt generiert.
Dagegen meine ich, die 2013 diskutierte Idee einer ringförmigen Stadtbahn mit zwei Schlaufen müsste neu bedacht werden. Zudem darf ein grosses Verkehrsprojekt ohne Absprache mit Baselland und nach Möglichkeit mit der deutschen und französischen Nachbarschaft vorangetrieben werden. Warum nicht einen Wettbewerb veranstalten, in dem Lösungen für das angesprochene Problem eingegeben werden sollen.
Die zweite Rückfrage betrifft die Erweiterung der Ladenöffnungszeiten. Noch immer würde diese Massnahme kontraproduktiv sein. Die "KMU-Läden" würden gegenüber den grossen Verkaufsfirmen noch mehr ins Hintertreffen kommen. Ein gerechter Wettbewerb würde verhindert. Die Kleinen hätten das Nachsehen. Die Agglomeration Basel hat nicht die Zahl potentieller Kunden, über die London verfügt. London hier zum Massstab zu nehmen, ist Grössenwahn. Und dann bleibt immer noch die Frage nach dem Verkaufspersonal. Es würde die Leidtragende sein.
Xaver Pfister, Theologe und Publizist, Basel