Traritrara – die Post ist weg!
Die Zeiten von "Globi auf der Post" und unserem Herr Graf, der alles wusste, sind definitiv vorbei. Was heulen wir dieser herrlichen Zeit nach! Etwa als wir das Haus renovierten und vorübergehend gegenüber wohnten – Herr Graf legte die Post ganz ohne on-line-Umleitungsauftrag einfach vis-à-vis in den Briefkasten. Die Päckli der Nachbarin gab er uns und umgekehrt, falls sie oder wir nicht Zuhause waren. Es wäre ihm nie in den Sinn gekommen, eine Sendung einfach vor die Haustüre zu stellen.
Er kam immer, ausnahmslos, am Vormittag, und alles klappte reibungslos. Die einsamen und älteren Leute warteten auf ihn, er kannte sie. Sprach zwei Worte und meldete es, wenn etwas nicht stimmte. Ein Scherzchen auf der Strasse, und er fuhr weiter.
Und plötzlich wurde alles anders, Herr Graf verschwand. Jetzt rast der Gelbe Riese im gestreckten Galopp durch die Gegend, zu jeder Tageszeit, unberechenbar, anonym. Die Pöstler stehen neuorganisiert unter einem unmenschlichen Druck. Erhalten strikte Vorgaben, wie viele Sekunden sie pro Haustüre verbraten dürfen. Macht jemand nicht sofort die Türe auf, werden Pakete einfach hingeknallt, und da stehen sie dann stundenlang. Falls sie nicht geklaut werden, aber egal, die Post ist ja versichert. Kommt wahrscheinlich billiger, als die Mitarbeitenden anständig zu behandeln. Dabei deckt keine Versicherung der Welt den emotionalen Wert ab, den so mancher Inhalt eines Päckli hat. Was nicht mehr zählt.
"Sie ist teuer, die Post,
und sie arbeitet schlecht."
Die Daumenschraube wurde in den letzten Jahren immer stärker angezogen. Unser Pöstler war erschöpft, konnte nicht mehr, und irgendwann war er weg. Nach ihm kamen andere, schnellere, jüngere, sprachlose, austauschbare Pöstler. Einen Abholzettel auszufüllen kostet Zeit, und genau diese steht ihnen nicht zur Verfügung, drum haut die neue Garde die Pakete einfach vor die Türe.
Es nützt einen Deut, auf der Super-Homepage der Schweizerischen Post die Option "Deponieren" zu streichen. Es wird dennoch deponiert, alles andere ist bei diesem Zeitrennen gar nicht zu machen. Was es für die Pöstler für Konsequenzen hat, wenn sie den Marathon zu langsam absolvieren, kann man nur erahnen, wenn man sie so sieht, gestresst, rennend, einsilbig.
Obwohl die Paketpost zugenommen hat, wird Filiale an Filiale geschlossen. Als Ersatz fungieren chemische Reinigungen, Lebensmittelläden oder Apotheken, die in irgendeine Ecke ein gelbes Display stellen und auf Post machen. Dort soll man sein Paket aufgeben, und auch den Brief. Das Vertrauen, das ein Postschalter mit uniformierter Bedienung ausstrahlt, ist weg. Denn die Ausbildung und Gewissenhaftigkeit, die eine Schalterbeamtin ausweisen, hat die Angestellte der chemischen Reinigung, die mir kürzlich in gebrochenem Deutsch einen wichtigen Brief aus der Hand nahm, mit Garantie nicht. Und den Herrn, der sich wegen Hämorrhoiden beraten liess, hat es kürzlich in der Apotheke auch nicht gefreut, dass ich dahinter mit meinem Paket wartete und alles mitbekam.
2015 machte die Post einen Gewinn von 645 Millionen Franken. Und schraubt dennoch weiter, kriegt nicht genug. Sie ist teuer, die Post, und sie arbeitet schlecht. Sie kann sich das erlauben, hat eine Monopolstellung. Die frühere Post fehlt an allen Ecken, es gibt sie nicht mehr. Es fehlt auch die soziale Kontrolle, die die Pöstler wahrnahmen, das bisschen Menschlichkeit, wenn ein Einschreiben kam, oder ein Päckli zum Geburtstag. Ein grosser Verlust, eine Verarmung. Da hat jemand einen monetären Tunnelblick und sieht nicht, was es zu sehen gäbe. Fertig Traritrara, mehr gibt es dazu nicht zu sagen.
19. Juni 2017
"Entmenschlichte Arbeitsbedingungen"
Sehr treffen und erheiternd. Noch ist es unsere Post. Danke den PolitikerInnen, die den Service public schon vor ein paar Jahren als Thema aufgegriffen haben. Sie waren, wie so oft, der Zeit voraus. Was eigentlich nicht stimmt: Sie waren vielmehr aufmerksam und standen in der Zeit, hinkten ihr weniger hinten nach und hüpfen nicht auf jede coole Erneuerung.
Vor ein paar Jahren traf ich in meinem vorherigen Wohnort, einem Dorf etwa 15 km ausserhalb Basel, zufällig wieder einmal unseren Pöstler Jean-Claude beim Postverteilen. Wir freuten uns und hatten natürlich einiges zu berichten. Keine 10 Sekunden nach unserer Begrüssung nahm er ein Gerät hervor und drückte auf eine Taste. Er müsse diesen Schwatz von seiner Arbeitszeit abbuchen!
Ich meine alles was recht ist, aber soweit dürfen wir die Arbeitsbedingungen "unserer" Angestellten doch nicht entmenschlichen. Leben wir um zu arbeiten oder umgekehrt?! Warum soll es nicht mit ein Ziel sein, die Arbeitszeit angenehmer zu gestalten, so dass es vorkommen könnte, dass die Leute gerne zur Arbeit gehen würden. Das würde auf einen verschickten Brief wohl nicht einmal einen halben Rappen ausmachen und wir hätten freudigere, entspanntere PösterInnen, die ihrer inoffiziellen sozialen Aufgabe ihres Berufes Aufmerksamkeit schenken könnten. So könnten die PöstlerInnen, ausser Päckli, auch Freude in die Bevölkerung tragen!
Regieren eigentlich vorallem die kahlen Ökonomen die Arbeitswelt und die Psychologen haben zu heilen, was die andern anrichten! Abgesehen davon haben wirs ökonomisch überhaupt nicht nötig und zweitens ist dieser Weg verlustreicher wie der menschlichere.
Viktor Krummenacher, Bottmingen
"Irgendwann kommt der Zeitpunkt"
Sehr geehrter Herr Thiriet, irgendwann kommt der Zeitpunkt, bei dem kann man nicht mehr für alles und jedes die Partei als Sündenbock heranziehen. Schliesslich denkt jeder Mensch normalerweise auch noch selbst und hat eine Eigenverantwortung.
Peter Isler, Basel
"Garantiert nicht mehr Lohn"
Genau! Und: Die neuen Postangestellten... ehm, die Damen, welche in der Bäckerei oder in der Apotheke oder im Lebensmittelladen die Postabwicklungen für die Post machen... sie werden weiterhin als Verkäuferinnen bezahlt und bekommen garantiert nicht mehr Lohn für ihren Zusatzaufwand.
Beatrice Iser, Basel
"Kunden und Postbeamte sind Leidtragende"
Ein sehr guter Artikel der die Sache auf den Punkt trifft. Die Leidtragenden der ganzen Sache sind die Kunden und die Postbeamten, die auf der Post und die Brief und Päcklipöstler. Eigentlich sollte die Post ja für uns da sein, aber es scheint als seinen wir nur die Kasse für den Bundesbetrieb um den Gewinn noch höher zu schrauben. Die Qualität und die Menschlichkeit bleibt auf der Strecke, aber das scheint die Führung nicht zu kümmern, Hauptsache man kann ein fettes Gehalt einstecken und sich rühmen irgendwo dafür wieder ein paar Franken eingespart zu haben.
Peter Isler, Basel
"Es sind ihre Parteifreunde"
Schöne, scharfe Kolumne zum Wochenbeginn. Aber als ehemaliger CVP-Präsidentin des Kantons Basel-Stadt ist der Kolumnistin ja sicher nicht entgangen, dass der Verwaltungsrats-Präsident der Post (nicht gewählter Bundesrat Urs Schwaller) und der Präsident der Regulierungsbehörde ComCom (abgewählter Zürcher Regierungsrat Hans Hollenstein), welche die von ihr betrararte respektive betrauerte Entwicklung massgeblich verantworten, ihre Parteifreunde sind.
Roger Thiriet, Basel
"Genau so ist es"
Genau so steht es heute mit der Post, wie es Andrea Strahm schildert. Schade!
Theo Klee-Martin, Frenkendorf