© Planskizze by BVD Basel-Stadt
"Grosse Entlastungs-Effekte": "Gundeli"-Tunnel, mögliche Linienführung
Gundeldinger Quartier: Pläne für einen Autobahn-Tunnel
Das grösste Basler Quartier soll vom massiven Durchgangsverkehr entlastet werden
Von Christof Wamister
Pläne für einen Autobahntunnel zwischen der Ausfahrt beim Güterbahnhof Wolf und dem Raum Margarethen / Dorenbach hat das Basler Tiefbauamt erarbeitet. Damit könnte das Gundeldinger Quartier vom Durchgangsverkehr befreit und aufgewertet werden. Die Kosten belaufen sich auf über eine halbe Milliarde Franken. Die Mehrheit würde der Bund übernehmen. Beschlossen ist noch nichts.
Die Verkehrsprobleme im Raum Gundeldingen und Bahnhof SBB sind eine Basler Altlast. Das Gundeldinger Quartier wird von drei schnurgeraden Strassen duchzogen, von denen zwei, die Dornacherstasse und die Gundeldingerstrasse stark mit Durchgangsverkehr belastet sind. Die Meret-Oppenheim-Strasse entlang des Bahngeländes brachte nur begrenzt Abhilfe, weil sie nur die Peter-Merian-Brücke mit der Margarethenbrücke verbindet.
Auf der andern Seite des Bahnhofs pumpt die Nauenstrasse den Autoverkehr zur und ab der Autobahn A2. Obwohl der Centralbahnplatz vom Nauentunnel unterquert wird, sind die oberirdischen Verkehrsströme oft so intensiv, dass sie die Tramverbindung mit dem Bahnhof oft empfindlich stören. Wer zeitlich etwas knapp mit dem Tram zum Bahnhof fährt, kann so durchaus den Zug verpassen.
Konkretisierte Pläne
Gegen örtliche Verkehrsengpässe an der Oberfläche gibt es heute – abgesehen von kaum mehrheitsfähigen Verkehrsreduktionen – nur ein Patentrezept: in einen Tunnel unter den Boden. So geschehen bei der Nordtangente, so geschehen bei den Umfahrungen Sissach und Grellingen. Ein Tunnel unter dem "Gundeli" war in der politischen Debatte bisher kaum ein Begriff.
Nun haben sich die Pläne konkretisiert. Das Bemerkenswerte daran ist, dass es sich nicht um eine völlig neue Idee handelt, sondern dass sie auf der Basis eines sogenannten Netzbeschlusses aus den Anfangszeiten des eidgenössischen Nationalstrassenbaus (1960) basiert: Abschnitt 7 der Nationalstrasse A2 im Raum Basel. Dieser Abschnitt hätte die Verbindung herstellen sollen zu einer Autobahn durch das Basler Westquartier ("Westtangente"). Diese Pläne wurden aber in den siebziger Jahren fallen gelassen. Verzichtet wurde im Rahmen des Masterplans Bahnhof auch auf eine oberirdische Bahnhof- und "Gundeli"-Umfahrung. An ihrer Stelle fahren jetzt die Tramlinien "10" und "11" von und zum Bahnhof SBB.
Vierspurig, knapp zwei Kilometer lang
Der Strassenverkehr hat aber mittlerweile weiter zugenommen, so dass sich das Bau- und Verkehrsdepartement Basel-Stadt (BVD) vor fünf Jahren entschloss, für die alten Probleme eine neue Lösung zu suchen. Geprüft wurden eine ganze Reihe von Linienführungen eines Tunnels – zum Beispiel in Kombination mit einer Brücke, die über das Areal des Güterbahnhofs "Wolf" zur Nordspitze des Dreispitzareals geführt hätte. Probleme gab es laut Kantonsingenieur Roger Reinauer unter anderem aber mit den SBB, die ihre eigenen Planungen und Bedürfnisse mehrfach änderten oder konkretisierten. Noch offen ist beispielsweise die Linienführung des sogenannten "Herzstücks", mit welchem die Regio-S-Bahn vom Bahnhof SBB zum Badischen Bahnhof geführt werden soll. Eine allzu grosse Nähe zum Bahn-Perimeter musste somit vermieden werden.
Gemäss der jetzt favorisierten Variante beginnt der vierspurige, knapp zwei Kilometer lange Tunnel mit einem Vollanschluss (von allen Seiten befahrbar) nördlich des Güterbahnhofs "Wolf", wo sich bis jetzt mit der Verzweigung Grosspeterstrasse / St. Jakobs-Strasse eine der unwirtlichsten Verkehrsflächen Basels befindet. Der Tunnel mit seinem Portal im Bereich der St. Jakobsstrasse führt gemäss den Plänen dann schnell in den geologisch sicheren Untergrund (entsprechende Untersuchungen laufen) und tritt im Westen mit zwei Ausgängen in einem Gebiet an die Oberfläche, das nun wesentlich heikler ist als die andere Seite.
Verkehrsreduktion um 40 Prozent
Gegen die Idee, eine Tunnelröhre auf der Höhe des Margarethenhügels in Escheinung treten zu lassen, äusserte die Denkmalpflege Bedenken, und die Gemeinde Binningen meldete Protest an. Der sogenannte "Anschluss Zentrum" soll aufgrund der Bedenken nun im Bereich Erdbeergraben auf der Ebene der Binningerstrasse und der Anschluss Basel-West soll im Bereich des Dorenbachviadukts auf dessen Niveau gebaut werden. Teile der Pruntrutermatte würden während den Bauarbeiten als Werkplatz dienen. "Später soll die Grünanlage zeitgemäss umgestaltet und damit attraktiver werden", sagt Roger Reinauer.
Im Amt für Mobilität wurden Verkehrsmodelle zur Situation vorher / nachher erarbeitet und flankierende Massnahmen skizziert. Im Gundeldinger Quartier könnten damit alte Träume wahr werden. Der Tunnel würde eine Verkehrsreduktion um 40 Prozent bringen – unter der Voraussetzung, dass die Dornacher- und die Gundeldingerstrasse für den Durchfahrtsverkehr gesperrt und damit "Tempo 30" eingeführt würde. Die Güterstrasse wäre nur noch dem Zubringerverkehr offen.
Möglich wäre auch eine Sperrung der Peter Merian-Brücke für den Durchgangsverkehr. Die Verkehrsströme aus dem Birstal würden auf den Vollanschluss bei der Tunneleinfahrt Wolf / St. Jakobs-Strasse geleitet. Im Quartier verbliebe somit nur noch der allerdings auch nicht unbeträchtliche eigene Verkehr. Die Entschärfung der Längsachsen, von denen insbesondere die Dornacherstasse in ihrer Gebäudesubstanz heute streckenweise etwas verslumt wirkt, könnte langfristig zu einer Aufwertung des Quartiers führen.
Zustimmung aus dem Quartier, wenn ...
Die "Quartierkoordination Gundeldingen" kann sich mit der Tunnel-Idee anfreunden, wenn die beschriebenen Verkehrsmassnahmen im Quartier auch wirklich umgesetzt werden. Dies erklärte Vorstandsmitglied René Guillod gegenüber OnlineReports. Eine offene Frage sei zum Beispiel noch, ob die BVB Tempo 30 für ihre Fahrzeuge und ihren Fahrplan akzeptieren werden.
Grosse Entlastungs-Effekte erhoffen sich die BVD-Verkehrsplaner auch für die Achse Nauenstrasse-Centralbahnplatz, auf der mit einer Verkehrsreduktion von 20 Prozent zu rechnen sei. Kritischer sieht es gemäss derzeitigem Abklärungsstand dagegen bei den Westausgängen aus: Je 10 Prozent mehr Verkehrsbelastung in der Binningerstrasse, im Dorenbachkreisel und im Morgartenring. Angesichts der Tatsache, dass in dem an den Morgartenring anschliessenden Wasgenring die Verkehrsfläche reduziert wird, sind hier noch Fragen offen, die laut Reinauer weiter abgeklärt werden.
50 Prozent Realisierungs-Chancen
Gemäss den heutigen Berechnungen würde das Unternehmen 515 Millionen Franken kosten, wovon der Bund 335 Millionen übernehmen würde, während Kanton Basel-Stadt 185 Millionen zu berappen hätte. Für die flankierenden Massnahmen wird mit weiteren 20 Millionen zu Lasten von Basel-Stadt gerechnet. Da das Projekt auf dem alten Netzbeschluss basiert, gilt noch die alte Regel von 35 Prozent Kantonsanteil und nicht diejenige des Neuen Finanzausgleichs, wonach der Bund die Kosten und die Regie der Nationalstrassen ganz übernimmt.
So oder so: Beschlossen ist noch nichts. Die Basler Regierung muss zuerst prüfen, ob sich das Projekt mit seinen Verkehrszielen vereinbaren lässt. Im Legislaturplan 2009/2013 ist immerhin von einer Kanalisierung des Verkehrs auf den Hauptachsen und einer Entlastung der Wohnquartiere vom Durchgangsverkehr die Rede. Nach einem positiven Entscheid läge der Ball beim Bundesamt für Strassen und letztlich beim Bundesrat.
Auf die Frage wie hoch er die Chancen dieses Projektes einschätze, sagte Roger Reinauer an einer Informationsveranstaltung der CVP im Gundeldinger Casino: "Fünfzig Prozent."
2. September 2010
Reaktionen
Der VCS beider Basel kritisiert das Projekt als ein "Mammut-Projekt aus dem letzten Jahrtausend". Das Problem des zunehmenden Individualverkehrs könne nicht mit einem Tunnel gelöst werden, "wenn am Ende der Tunnelausfahrten die genau gleichen Probleme entstehen, wie damit gelöst werden sollen". Auch bestehe die Wahrscheinlichkeit, "dass der Veloverkehr von diesen Achsen ganz verdrängt wird und die Velonutzung weiter abnimmt".
Basel brauche "eine lenkungswirksame Parkplatzbewirtschaftung" und weitere Massnahmen, die "endlich" den Umsteigeeffekt vom Auto auf Bahn, Tram, Bus und Velo bewirkten. "Nur wenn der Durchfahrwiderstand in der Stadt erhöht wird", werde das Umsteigen auf den öffentlichen Verkehr gefördert. Nötig sei der Baustart für den Margarethenstich und den Doppelspurausbau der Tramschienen. Langfristig sei ein S-Bahn-Ast ins Leimental nötig.
"Von Sachzwang zu Sachzwang"
Es ist doch allen klar, was bei der Realisierung dieses Projektes passiert: Der Verkehr wird sich beim Zolli und am Birsig stauen. Es wird unerträglich sein und wenige Jahre später drängt man uns den Zusammenschluss des Autobahnrings und damit eine weitere Riesenbaustelle auf.
Die Basler Verkehrspolitik hangelt sich auch unter der rotgrünen Regierung von Sachzwang zu Sachzwang. Visionen werden keine entwickelt. Statt dessen realisiert man nach und nach Konzepte aus den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts.
Martin Brändle, Basel