© Fotos by Peter Knechtli, OnlineReports.ch
"Unglaubliches Potenzial": Spiess-Nachfolger Oskar Kämpfer
Oskar Kämpfer neuer Baselbieter SVP-Präsident
Der ältere Wirtschaftsvertreter obsiegte klar gegenüber dem Jüngeren Staatsangestellten und Quereinsteiger Ermando Imondi
Von Peter Knechtli
Der 59-jährige Therwiler Unternehmer und Landrat Oskar Kämpfer wird neuer Präsident der Baselbieter SVP und Nachfolger von Dieter Spiess, der die Partei während sechseinhalb Jahren führte. Die Generalversammlung wählte ihn heute Donnerstagabend in Muttenz in einer Kampfwahl, in der Ermando Imondi als Kandidat unterlag.
Der abtretende Präsident Spiess (64) stellte beim mit Spannung erwarteten Traktandum der Wahl des neuen Kantonalpräsidenten den Antrag, die Medien im Raum zu belassen, was die Versammlung so bestätigte. Die SVP, so Spiess weiter, sei es ihren Mitgliedern schuldig, "dass wir eine Zweierkandidatur vorschlagen".
Bei den beiden offiziell gemeldeten Kandidaten handelte es sich um den Therwiler Landrat und Wirtschafts-Ingenieur Oskar Kämpfer und den 49-jährigen Laufentaler RAV-Leiter und ehemaligen Trainer des FC Aesch Ermando Imondi (Bild) aus Zwingen, wo er in stiller Wahl für die nächsten vier Jahre in den Gemeinderat gewählt wurde.
Von 227 Wahlberechtigten erzielte Kämpfer 137 Stimmen, sein Gegenkandidat Imondi kaum auf 82 Stimmen. Sechs Wahlzettel blieben leer, der bisherige Vizepräsident Hans-Jürgen Ringgenberg erzielte zwei Stimmen. Kaum war das Ergebnis bekannt, ging Imondi fair auf Kämpfer zu und gratulierte ihm (Bild hier).
Sehr kontroverse Diskussion
In der für SVP-Verhältnisse ungewohnt kontrovers geführten Diskussion war die Frage aufgeworfen worden, weshalb Kämpfer sein Amt erst am 1. Januar 2013 antreten könne. Kämpfer sagte, der holländische Käufer des von ihm verkauften Unternehmens "Catag" (Chemieapparatetechnik) habe von ihm verlangt, bis zu diesem Termin kein neues politisches Mandat anzunehmen, damit er noch beratend zur Verfügung stehen könne.
Kämpfer ist verheiratet und Vater zweier erwachsener Söhne. Drei Jahre verbrachte er in Mexiko. Er stelle sich als Wirtschaftsvertreter zur Wahl, weil er "mit dieser Partei Ziele erreichen will". Die SVP müsse jetzt stärker aus dem wählerstarken Unterbaselbiet politisieren. Diese Partei habe ein "unglaubliches Potenzial". So sollen insbesondere die jungen Mitglieder stärker in die Führungsgremien eingebunden werden.
Der Eloquentere gegen den Jüngeren
Ermando Imondi stellte sich "als Teamplayer" und mit der Feststellung vor, die Zeit, dass die SVP eine Nischenplayer-Politik machen könne, sei vorbei. Der Vater einer 18-jährigen Tochter meinte weiter, die Nachwuchsförderung habe für ihn "absolute Priorität". Auch die Frauen müssten verstärkt einbezogen werden. Die SVP müsse "verstärkt auf bürgerliche Kräfte zugehen, insbesondere auf die FDP", um bei nächster Gelegenheit wieder den Sprung in die Regierung zu schaffen.
Nach unserer Wahrnehmung lag Kämpfer schon nach den je siebenminütigen Präsentationen vorn: Kämpfer zeigte sich eloquent, strukturiert und perspektivisch vorbereitet als erfahrener Wirtschafts-Mann. Gegen den 59-Jährigen sprach der parteiliche Anspruch der Verjüngung, die der um zehn Jahre jüngere Imondi für sich in Anspruch nahm. Der offenbar erst in den letzten Tagen oder Wochen angefragte Gegenkandidat war sprachlich weniger klar und versprühte vor den dichtgeschlossenen Mitgliederreihen weniger Entschlossenheit als der schliesslich Gewählte.
Ein Faux-pas des scheidenden Präsidenten
Als die beiden Kandidaten den Saal verlassen hatten, um eine freie Diskussion zu führen, machte sich die offensichtlich suboptimal vorbereitete Wahl bemerkbar. Noch bevor die Debatte in der Basis begann sah sich der scheidende Präsident veranlasst, den Gesprächsverlauf vorzudisponieren, wobei es schien, er habe seine übliche Souveränität hinter sich gelassen.
Spiess bezeichnete es als "nicht vorteilhaft", dass Kämpfer sein Amt operativ erst in sieben Monaten antreten könne. Ausserdem mache es keinen Reim, dass Landrat Hans-Jürgen Ringgenberg, der erst vor wenigen Monaten den Rücktritt vom Amt des Vizepräsidenten gegeben hatte, nun als neuer Vize in Kämpfers Mannschaft bis Ende Jahr interimsweise die Partei nach aussen vertrete. An die Adresse der Kandidatur Kämpfer gerichtet, sagte Spiess: "Das ist nicht reimbar. Es macht mir Sorgen, dass der Präsident nicht sofort das Heft in die Hand nehmen kann."
Wie steht es um Doppelmandat und Gesundheit?
Mit seiner unverkennbaren Parteinahme zugunsten der Kandidatur Imondi kam Spiess schlecht an. "Du hast jemanden demontiert", hielt ihm der Allschwiler Landrat Roman Glauser entgegen.
Die Diskussion wogte hin und her. Verwiesen die einen Voten auf den Einbezug der Frauen in den Vorstand, kritisierte Urs-Peter Moos ("die Partei muss auf allen Stufen verjüngt werden") Kämpfers Doppelmandat als Landrat und Parteipräsident. Andere fragten sich, wie es um Imondis Gesundheit bestellt sei, nachdem ihm eine Gallenblasenoperation die Landratskandidatur vereitelt hatte. Ringgenberg wiederum sah sich veranlasst, zum Spiess-Vorwurf "Klärendes" beizusteuern: Er habe seinen Rücktritt als Vizepräsident "allein aus Solidarität zur Partei" erklärt, damit der neue Präsident sein Feld neu bestellen könne.
Schwerer Stand für Staatsangestellten
Mehrere Votanten wie der Aescher Sektionspräsident Peter Lehner erklärten, Imondi sei ihnen schlicht nicht bekannt: "Ich habe ihn noch nie an einer Versammlung gesehen." Imondis Quereinstieg ins aktive Parteileben der Baselbieter SVP äusserte sich dadruch, dass mehrere Votanten seinen Namen falsch aussprachen ("Aimondi"). Ausserdem sei Imondi "ganz sicher kein Wirtschaftsvertreter", sondern als Kiga-Mann ein Staatsangesteller, "über die wir ja immer schimpfen".
Gegen Schluss der Debatte schaltete sich Nationalrat Thomas de Courten ein, bewertete beide Bewerber erst etwa gleich gut, präferierte dann aber Imondi, der dem Landrat nicht angehört. Es sei von Vorteil, wenn der Präsident dem Landrat nicht angehöre, sondern zusammen mit dem Fraktionspräsidenten "zwei Stimmen bilden, die besser gehört werden".
"Durch bei Rot!"
Als es sich schliesslich Präsident Spiess ("Ich lasse mir keinen Maulkorb anlegen") nicht verkneifen konnte, das Wort nochmals zu ergreifen mit dem Vorschlag, bei einer Mehrheit für Kämpfer müsste "jetzt eigentlich Hans-Jürgen Ringgenberg zum Interims-Präsidenten gewählt werden", riss dem Kämpfer-Lager der Geduldsfaden: "Hör jetzt auf!", "Hausaufgaben nicht gemacht!", "Durch bei Rot!", "Abstimmen!", tönte es unüberhörbar aus dem Raunen in den Rängen.
Über die künftige Zusammensetzung der Parteiführung herrschte soviel Durcheinander, dass der Vorstand an der Parteiversammlung vom 17. April gewählt werden soll. Mit einem kräftigen Applaus verabschiedet wurde Kantonalsekretärin Ruth Singer, die Spiess im Hintergrund eine nicht zu unterschätzende einsatzfreudige Stütze war.
Der Kommentar
22. März 2012
Weiterführende Links:
Spiess: "Ein guter Diktator"
In einer kurzen Standortbestimmung, in dem er nicht auf die schrumpfenden Wahlerfolge der SVP im Baselbiet einging, beschrieb Dieter Spiess sein sechseinhalbjähriges Präsidium als "eine schöne, spannende und herausforderungsreiche Zeit". Er habe sich bemüht, "nicht als Manager, sondern als Patron" aufzutreten. Bei allem, was er gemacht habe, habe er nicht die Person, sondern "die Interessen der Partei in den Mittelpunkt gestellt". Er habe sich bemüht, "ein guter Diktator" zu sein. Dies gehöre dazu, "ein Führer zu sein". Er freue sich nun aber, dass er das Amt jetzt abgeben dürfe.