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"Praktisch gratis": Sanierungsobjekt Gundeldingerstrasse
Gundeli-Verkehrsknatsch tangiert ein Sanierungsprojekt
Die Verkehrsdiskussionen im Basler Gundeldinger-Quartier reissen nicht ab
Von Christof Wamister
Das Verkehrskonzept im Basler Gundeldinger-Quartier löste heftige Reaktionen aus. Jetzt kommt ein neues Problem hinzu: Die östliche Gundeldingerstrasse beim "Viertelkreis" muss dringend saniert werden. Die Planer wollen dies für eine Verbesserung der Verkehrsführung und der Oberflächengestaltung nutzen. Teile der Quartierbewohner sind skeptisch.
"Vorprojekt Gundeldingerstrasse Ost und Reinacherstrasse Mitte": So lautet der Arbeitstitel eines Vorhabens des Basler Bau- und Verkehrsdepartements (BVD) für eine Sanierung von Strassenabschnitten im östlichen Gundeldingerquartier, die wegen maroden Strassenbelägen und Leitungen ab 2016 notwendig wird. Letzten September wurde die Bevölkerung erstmals über möglich Varianten orientiert, erste Resultate waren für Februar versprochen, nun soll es Ende Mai werden, wie Dagmar Kruch vom Tiefbauamt gegenüber OnlineReports ausführte.
Eine brisante Mischung
Ein lokales Bauprojekt ohne weiteren Belang? Im Gegenteil. Zur Zeit sind die drei Begriffe Gundeldingerquartier, Verkehr und Strassen wieder einmal zu einem explosiven Gemisch zusammengerührt. Der Grund liegt im heftig bekämpften "Verkehrskonzept Gundeldingen". Auf der Basis einer Mitwirkung im Quartier hatte das BVD im vergangenen Sommer eine neue Route für die Buslinie 36, Tempo 30 und Velo-Gegenverkehr auf zwei Hauptachsen des Quartiers vorgeschlagen. Nach einer "Schrecksekunde" von etwa drei Monaten meldete sich vor allem aus der Güterstrasse, durch welche die Buslinie neuerdings bis zum Tellplatz führen soll, heftiger und gut organisierter Widerstand ("Gundeli verkehrt").
Das Resultat war eine Petition mit 3'100 Unterschriften an den Grossen Rat und die Regierung, die zur Folge hatte, dass das zuständige Amt für Mobilität im BVD einen Ausgabenbericht ausarbeitete, der demnächst an die Regierung und von da an den Grossen Rat gehen soll. Die Machbarkeit soll durch ein Ingenieurbüro vertieft geprüft werden. Damit sind diese scheinbar kurzfristig realisierbaren Massnahmen in der verkehrspolitischen Mühle gelandet. Und wie diese mahlt, ist spätestens seit dem Debakel um das Verkehrskonzept Innerstadt bekannt. Der TCS hat sich auf die Seite der Gundeli-Opponenten gestellt und die CVP hat sich unter Führung ihres Regierungsrats-Kandidaten Lukas Engelberger vom Konzept distanziert. Auf die Umleitung der Buslinie müsse verzichtet werden.
Zwei Paar Stiefel
Die staatlichen Planer betonen, dass die Sanierung der Gundeldingerstrasse nichts mit dem Gundeli-Verkehrskonzept zu tun habe und unabhängig davon realisiert werden könne. Das mag aus streng planerischer Sicht richtig sein, im Gundeli sieht man das aber nicht unbedingt so. Die beiden "Projekte" sind insofern miteinander verknüpft, als erstens der Bus Linie 36 bis jetzt in einer Richtung durch die Gundeldingerstrasse verkehrt und zweitens für das Projekt Gundeldingerstrasse Ost ebenfalls Velo-Gegenverkehr ins Auge gefasst wird.
Die in der "IG verkehrt" organisierten Gegner des Verkehrskonzeptes haben auf alle Fälle am Workshop des BVD ihre Opposition angemeldet und kritisieren mittlerweile den Auswertungsmodus der Publikumsumfrage. Sie wirken jetzt aber in der Planungsgruppe Gundeli mit, was von deren Präsident Alain Aschwanden als positives Zeichen gewertet wird. Er ist der Überzeugung, dass die östliche Gundeldingerstrasse unabhängig vom umstrittenen Verkehrskonzept saniert werden könne.
Velo im Gegenverkehr
Es bestreitet allerdings nun kaum jemand, dass die Zustände am östlichen Ende der Gundeldingerstrasse unbefriedigend sind. Die Tramschienen sind auf der einen Hälfte der Strasse angeordnet und die Haltestelle "Mönchsbergerstrasse" bildet einen für den motorisierten und unmotorisierten Individualverkehr unangenehmen Engpass (Bild).
Ausserdem ist der Strassenabschnitt zwischen Thiersteinerallee und "Viertelkreis" (kleines Bild oben, schwarzer Punkt) ohne Alleebäume ausgesprochen öde. Die Planer des Tiefbauamtes verfolgen nun die Absicht, die Tramlinien in die Mitte der Strasse zu verlegen und für Autos und Tram den Mischverkehr zu ermöglichen. Damit würde der Weg frei für eine Velospur gegen die Fahrtrichtung. "Er ergibt sich praktisch gratis", sagt Florian Mathys vom Amt für Mobilität. Die erwähnte Tramhaltestelle würde in eine sogenannte Kap-Haltestelle umgewandelt, die wegen der hohen Trottoirränder und des schmalen Abstandes zu den Schienen bei den Zweiradfahrern nicht so beliebt ist, aber wegen des Behindertengleichstellungs-Gesetzes zur Norm wird.
Misstrauen gegen Velostreifen
Bei den der "IG verkehrt" nahestehenden Quartierbewohnern stösst der Velostreifen im Gegenverkehr auf Misstrauen. Es werden Sicherheitsargumente angeführt, andere befürchten auch eine Aufhebung von Parkplätzen. Die Buslinie ist demgegenüber sekundär. Sie könnte auch nach der neuen Oberflächen-Gestaltung problemlos durch die Gundeldingerstrasse verkehren. Bei der etwas in die Ferne gerückten Umsetzung des Verkehrskonzeptes würde sie via die Achse Bruderholzstrasse-Tellplatz in die Güterstrasse umgeleitet.
Bis jetzt weniger zur Diskussion steht der Viertel-Kreis, der Verkehrsknotenpunkt am östlichen Ende des Quartiers, berüchtigt für seine schlechten Fussgänger-Verbindungen beim Umsteigen zwischen Tram 16 und Bus 36 und immer wieder neuen Baustellen. Ob dieses spitzwinklige Gebilde in einen Kreisel nach dem Vorbild des Wettsteinplatzes umgewandelt werden kann, wird zur Zeit geprüft. Mit eingeplant wird die Möglichkeit einer Schienenabzweigung für die neue Tramlinie in Richtung Dreispitz und St. Jakob.
1. April 2014
Weiterführende Links:
Quartierkoordination ohne Präsident
Der Präsident der Quartierkoordination Gundeldingen, Dieter Vogel, ist nach dreijähriger Tätigkeit zurückgetreten. Der Widerstand gegen das Verkehrskonzept habe zwar im Vorstand anfänglich eine gewisse Konsternation ausgelöst, aber sein Rücktritt habe nichts damit zu tun, erklärte er gegenüber OnlineReports. Wegen privater Projekte habe er in Zukunft zu wenig Zeit für die Arbeit im Quartier. Ein Nachfolger steht im Moment noch nicht bereit.
Die seit 2001 bestehende Quartierkoordination ist Ansprechstelle für die Mitbestimmung im Quartier und wird von der Christoph Merian Stiftung (CMS) und vom Kanton finanziell unterstützt. Die Abteilung Stadtentwicklung des Präsidialdepartementes und die CMS haben das Gundeli zum Schwerpunktgebiet erklärt. Die Quartierkoordination Gundeldingen nimmt de facto dieselben Funktionen wahr wie die Stadtteilsekretariate in Grossbasel-West und Kleinbasel. Die Schaffung eines Stadtteilsekretariates Grossbasel-Ost war von den betroffenen Quartieren als unzweckmässig abgelehnt worden.