© by Valerie Zaslawski, OnlineReports.ch
"Dieser Mann müsste mit allem rechnen": Einbürgerungs-Politikerin Kaiser-Tosin
Fall Khalsa: "Eine Ausschaffung wäre unmenschlich"
Bürgerrätin Sonja Kaiser-Tosin, Präsidentin der Einbürgerungskommission, zur Zukunft des Turban-Mannes
Von Valerie Zaslawski
Obschon der Basler Sikh und Strassenwischer Dalip Singh Khalsa vor 23 Jahren ein Flugzeug entführte, soll er in Basel eine Aufenthaltsbewilligung erhalten. Diese Meinung vertritt Bürgerrätin Sonja Kaiser-Tosin, Präsidentin der Basler Einbürgerungskommission, im OnlineReports-Interview.
OnlineReports: Was ging in Ihnen vor, als Sicherheitsdirektor Hanspeter Gass letzte Woche im Grossen Rat Herrn Khalsa als Mittäter einer Flugzeugentführung enthüllte?
Sonja Kaiser-Tosin: Ich habe davon nichts gewusst. Deshalb hat mich diese Information sehr getroffen. Dies vor allem auch deshalb, weil ich schon Mitte Oktober letzten Jahres ein Mail an das Sicherheits-Departement geschrieben habe mit der Bitte, dass man nicht eine Entscheidung treffen solle, die man hinterher bereuen müsse. Herr Khalsa geniesst ja in der Bevölkerung ein sehr grosses Wohlwollen.
OnlineReports: Hat die Tatsache, dass Herr Khalsa Mittäter einer Flugzeugentführung war, Ihre Meinung verändert?
Kaiser-Tosin: Sie hat meine Meinung nicht verändert, aber man darf eine Flugzeugentführung nicht bagatellisieren. Herr Khalsa muss wissen, dass eine solche Aktion von der Bevölkerung als sehr bedenklich eingeschätzt wird. Doch immerhin sollte anerkannt werden, dass er seine Strafe inzwischen abgesessen hat.
"Eine Ausschaffung
wäre ein Stück weit menschenunwürdig."
OnlineReports: Kann ein Mensch, der seit 13 Jahren in unserer Stadt lebt und sich dank seiner freundlichen Ausstrahlung auf seine Weise integriert hat, nun ausgeschafft werden?
Kaiser-Tosin: Das wäre ein Stück weit menschenunwürdig. Er hat sich in diesen 13 Jahren hier eingelebt und in seiner ursprünglichen Heimat wäre er fremd. Dieser Mann hat bereits 1999 seine Flugzeugentführung öffentlich gestanden, das Sozialamt offerierte ihm eine Stelle als Strassenwischer und das Baudepartement verlängerte kürzlich diese Anstellung bis nach der "Euro 08". Wenn er jetzt Ende Januar aus der Schweiz ausgeschafft werden soll, wäre das bedenklich.
OnlineReports: Regierungsrat Gass sprach von der Möglichkeit, beim Kanton Basel-Stadt eine Aufenthaltsbewilligung zu beantragen. Das Gesuch ist unterdessen beim Sicherheitsdepartement eingetroffen. Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um die Bewilligung zu erteilen?
Kaiser-Tosin: Laut dem neuen Integrationsgesetz, das seit Mitte Oktober letzten Jahres in Kraft ist, muss er die deutsche Sprache einigermassen beherrschen. Das ist bei Herr Khalsa leider noch nicht der Fall. Aber er hat bewiesen, dass er ein friedfertiger Mensch ist. Ich finde positiv, dass Herr Gass mindestens das Türchen der Aufenthaltsbewilligung noch offen gelassen hat.
OnlineReports: Falls Herr Khalsa die Aufenthaltsbewilligung erhält - darf er dann endgültig in der Schweiz bleiben?
Kaiser-Tosin: Ich gehe davon aus, dass er dann wirklich in unserem Land bleiben kann – und zwar solange er möchte. Er sollte dann selbst bestimmen können, ob er bleiben möchte oder nicht.
OnlineReports: Wie schätzen Sie die Gefahr einer allfälligen Rückkehr nach Indien ein, speziell bezogen auf die Tatsache, dass Herr Khalsa ein Flugzeug entführt hat?
Kaiser-Tosin: Da das Thema in der Öffentlichkeit wieder so aktuell ist und so stark diskutiert wird, muss dieser Mann - falls er nach Indien zurückgehen würde – mit allem rechnen. Das weiss man ja auch von seinen zwei Mittätern, die bei der Flugzeugentführung mitgewirkt haben und beide erschossen wurden.
"Was ich menschlich für ihn machen kann,
werde ich machen."
OnlineReports: Haben Sie Herrn Khalsa bei dem Gesuch zur Erteilung einer Aufenthalts-Bewilligung geholfen?
Kaiser-Tosin: Nein ich habe nicht geholfen. Ich habe aber gehört, dass ein Grossrat das Gesuch einreichen wird. Eine unterstützende Person sollte reichen.
OnlineReports: Unterstützen Sie ihn noch weiterhin oder haben Sie genug gemacht?
Kaiser-Tosin: Was ich menschlich für ihn machen kann, werde ich machen. Ich bin jedoch ganz klar der Meinung, dass es nun Sache der Regierung und des Parlaments ist, die gesetzlichen Hürden zu bewältigen. Menschlich werde ich aber tun, was ich kann. Auch erwarte ich von unserem Land, dass wir uns so jemandem gegenüber menschenwürdig verhalten.
22. Januar 2008
Weiterführende Links:
"Dank an Sonja Kaiser-Tosin"
Ich danke Sonja Kaiser-Tosin, dass Sie sich engagiert für eine menschliche Lösung für den "Turban-Mann" einsetzt.
Dalip Singh Khalsa war vor 23 Jahren an einer Flugzeugentführung beteiligt, weil er und seine Glaubensgenossen auf die Verfolgung der Sikh aufmerksam machen wollten. Dabei kamen keine Flugpassagiere zu Schaden und es zeugt von einer eigenartigen Gesinnung, ihn als potentiellen Mörder hinzustellen. Dalip Singh Khalsa hat für seine Tat im Gefängnis gebüsst und es kann ihm nicht verübelt werden, dass er bei uns um Asyl nachsucht.
Wenn ich die Äusserungen gewisser Leserbriefschreiber, insbesondere von Herrn Auderset lese, man müsse dem Gesetz Nachachtung verschaffen, dann erinnert mich dies an die Befehlsempfänger-Haltung, die vor 70 Jahren bei unseren nördlichen Nachbarn dazu geführt hat, dass unschuldige Menschen zu Tode kamen, weil es so befohlen wurde. Zeigen wir einmal Mut und Flagge für echte Menschlichkeit und protestieren gegen Fremdenhass.
Bruno Honold, Basel