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Hansjörg Reinau-Krayer: Das Ostergedicht
Binningen, 28. März 2024
Hansjörg Reinau-Krayer wohnt in Binningen und war bis zu seiner Pensionierung am Basler Gymnasium Leonhard als Lehrer für alte Sprachen und Geschichte tätig.
Ostern 2024 – Gestörte Lieferketten
Wie stets sieht man in diesen Tagen
den Osterhasen wieder jagen
durch unser Land, denn ihm ist klar,
man wartet jetzt auf seine War'.
Im Korb befinden sich die Eier,
die er beim Biobauern Meier
wie jedes Jahr erstanden hat,
als guter Kunde mit Rabatt,
von ihm gefärbt alsdann versiert
und von der Gattin schön poliert.
Er hoppelt, wie er's immer tut,
über die Felder wohlgemut;
da hört er, wie's vom Himmel tönt.
Der Hase ist daran gewöhnt:
"Kaum hat man ein paar Tage frei,
fliegt man (was ist auch schon dabei?)
in fremde Länder flugs in Massen,
um sich so richtig zu bespassen."
Doch bleibt es nicht beim lauten Ton,
den's gibt bei jeder Flugaktion,
denn nicht nur ist's ein Jet, der fliegt
über den Köpfen, nein, es biegt
nach unten ab à grande allure,
oh Schreck, eine Kabinentür,
weil man bei Boeing, was verstimmt,
Kontrollen nur sehr locker nimmt.
Es glückt dem Hasen, weil er's checkt,
knapp auszuweichen dem Objekt,
doch wird der Korb, den er verliert
beim Rettungssprung, ganz demoliert
und das Ergebnis nach dem Putsch:
Die Ostereier, die sind futsch.
Was nun? Zum Glück hat Bio-Meier
in seinem Stall noch viele Eier.
Der Hase macht mit neuer Fracht
sich wieder auf noch in der Nacht.
Am nächsten Tag steckt Meister Lampe
im Aufstieg auf der Gotthardrampe
in einer langen Autoschlange
und fragt wie andere sich bange:
"Ist das der übliche Verkehr
an Feiertagen? Oder mehr?
Sind schuld dran Bauern, die rumoren
für ihre Sache auf Traktoren
gleich wie in uns'ren Nachbarländern,
drauf zielend, dadurch zu verändern
zum Besser'n hin, so ihre Klage,
des Landwirts deplorable Lage,
wobei sie droh'n, zu protestieren,
bis die Behörden resignieren?
Liegt es erneut an Aktivisten,
die ohne Rücksicht auf Touristen,
in ihrem, wie sie sagen, Streben,
die Welt zu retten, fest sich kleben
auf viel befahr'nen Autobahnen,
um so die Menschheit zu ermahnen,
noch mehr als bislang dran zu denken,
den CO2-Verbrauch zu senken,
und, so agierend, ihr Versprechen,
das jüngst sie gaben, wieder brechen?"
Im Wissen, dass entspannen kann
Musik, stellt er das Radio an,
und schon ertönt, für manche Gift,
sein Lieblingssong von Taylor Swift:
Er schliesst die Augen ganz verzückt,
lässt dann, der Wirklichkeit entrückt,
selbst Töne geh'n über die Lippen,
sein Kopf fängt an, im Takt zu wippen.
Doch mit der Zeit wird er nervös
und in der Folge richtig bös:
Weil pünktlich man zum Osterfest
die Eier sehen will im Nest
im Süden auch, man kann's begreifen,
fährt Langohr auf den Pannenstreifen,
parkiert dort seinen Cadillac,
bewaffnet sich mit Sack und Pack.
Behend hüpft er dann querfeldein:
So einfach kann die Lösung sein
für seinesgleichen, wie er meint.
Doch bald schon stellen ihm vereint
auf einer Wies', höchst ungelegen,
sich junge Leute ihm entgegen.
Grad wie am Roten Meer die Huthi,
geh'n kompromisslos sie auf tutti,
um den Verkehr, den schlecht sie finden,
nach Möglichkeit zu unterbinden.
"Leer' Deine Eier sofort aus,
höchst schädlich ist der Eierschmaus",
so brüllen sie in hellem Wahn,
"der Mensch soll leben nur vegan!"
Dann stürzen sie sich auf den Hasen,
doch der beginnt gleich wegzurasen,
zwar ohne Korb, doch kehrt zum Glück
er unversehrt nach Haus' zurück.
Schon wieder geht's zu Bauer Meier:
Gefragt sind weit're Ostereier.
Und leider ist, es ist fatal,
es diesmal nicht das letzte Mal.
Denn jetzt, er sitzt im Basler Tram
entspannt und bürstet mit dem Kamm
sein Schnäuzchen, hört durch's Mikrofon
er einen ihm bekannten Ton:
"Es gibt heut' leider in der Stadt,
weil es dort Demonstranten hat,
Behinderungen; im Verkehr
geht augenblicklich fast nichts mehr;
wir bitten dringend um Geduld,
das Malaise ist nicht uns're Schuld."
Dem Hasen dauert das zu lang,
er setzt zu Fuss fort seinen Gang,
bis er urplötzlich registriert,
dass ins Gescheh'n er involviert
jetzt ist: Schon sieht man Steine schwirren
und hört, wie Fensterscheiben klirren;
der Hase sucht erschreckt zu fliehen
vom Kampfplatz weg in Richtung Riehen.
Zu spät: Es schlägt ein grosser Stein
in seinem Korb voll Eier ein.
Des Wurfs Effekt ist höchst fatal:
Der Schaden, leider, ist total.
Wie er sich wieder zeigt bei Meier,
hört er die Hiobsbotschaft: "Eier
gibt’s keine mehr, jetzt heisst es: Warten,
bis uns’re Hühner wieder starten
mit ihrer Eierproduktion;
das dauert eine Weile schon."
Wer jetzt im Garten steht und flucht,
weil er vergeblich Eier sucht
im Nest und lauthals sich beklagt,
dem sei zu seinem Trost gesagt:
zu zweifeln ist nicht im Geringsten,
dass sie geliefert sind bis Pfingsten.
Weiterführende Links:
- Hansjörg Reinau-Krayer: Prosit Neujahr 2024
- 1. August 2023: Hansjörg Reinau-Krayers Wilhelm Tell
- Ostern 2023: Hansjörg Reinau-Krayers Polit-Poesie