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1. August 2023: Hansjörg Reinau-Krayers Wilhelm Tell

Binningen, 31. Juli 2023

Hansjörg Reinau-Krayer wohnt in Binningen und war bis zu seiner Pensionierung am Basler Gymnasium Leonhard als Lehrer für alte Sprachen und Geschichte tätig.

 

Der Hut auf der Stange

 

Im Cargobike, den Ausstoss meidend
von CO2, an Stau nicht leidend,
von Klima-Klebern applaudiert,
und deshalb auch nicht derangiert,
fuhr hochgemut der Willy Tell,
bewehrt mit Armbrust, ziemlich schnell
(und erst noch in der Dreiss'ger-Zone!)
in Altdorf ein mit seinem Sohne,
um hier, wie es ihm ward befohlen
von seinem trauten Weib, zu holen,
was man nur in der grossen Welt,
und nicht im Schächental erhält.

 

Zum Vater sprach das Kind: "Mich freut's,
dass es schon bald im Gasthof Kreuz
zu essen gibt", und offenbarte
sogleich, was es dabei erwarte:
Weil es schon länger als ein Jahr
veganisch lebte ganz und gar,
galt auf dem Menuplan für's Büebli
als Hit Quinoabrei und Rüebli.
Der Vater andrerseits, er schwor,
er sei und blieb' ein Carnivor;
ihn überkäm' ein grosser Zorn,
würd' er genötigt, sich mit Quorn
und andern Speisen dieser Art
zu nähr'n, auch wenn man damit spart.
"Ich gönne mir, noch kein Verbot
gibt es dafür, ein Entrecôte."

 

Das Vehicule war kaum parkiert,
hat schon Klein-Walther deklamiert:
"Ei, sieh den Hut dort auf der Stange:
Herr Berset ist bei uns zugange!"
Das lag dem Kleinen ziemlich nah,
weil er ihn oft im TV sah.
Des Vaters Blick fiel auf den Hut,
dann packte ihn die grosse Wut:
"Nicht auf Herrn Bundesrates Glatz'
hat diese Mütze ihren Platz,
sie ziert, ich ahn's, ich armer Tropf,
normalerweis' des Landvogts Kopf,
und offenbar ist man geheissen,
die Reverenz ihm zu erweisen.
Es drängt, bevor man uns hier sieht,
sich auf, dass man die Fäden zieht."

 

Doch leider war's dafür zu spät.
"Wer weigert sich, die Majestät,
wenn er vorbeigeht hier, zu grüssen,
den müssen wir nach Order büssen",
so sprachen alsogleich die Wachen,
"Du, Tell, hast künftig nichts zu lachen.
Ab in den Karzer, dort herrscht Not
bei Wasser lediglich und Brot."
Das Söhnlein schrie, es kam herbei
viel Volk und rief: "Gebt Tell uns frei!"
Der Landvogt, der sogleich erschien,
nahm Tell sich vor, dann hiess er ihn, 
den Apfel, den er liess platzieren
auf Walthers Haupt, zu füsilieren
mit seiner Waffe nun zur Straf':
Der Schütz' trat an und schoss – und traf
und machte flugs, gleich einem Dandy,
ein Selfie noch mit seinem Handy.

 

Gross war der Jubel, doch das Ende
des Dramas war's noch nicht: Die Wende
trat ein, als nach dem zweiten Pfeil
Herr Gessler fragte. Dies sei Teil
des Brauchs, die Rüstungsindustrie
sei noch intakt, noch lief're sie,
gab zu versteh'n der wack're Mann
(ob sie auch künftig liefern kann?);
doch als der Landvogt insistierte,
erfuhr er, was ihn irritierte:
"Hätt' statt den Apfel ich mein Kind
getroffen, würd' in Deinem Grind,
ich sag's wohl nicht zu meinem Heil,
jetzt stecken dieser zweite Pfeil."

 

Man schlug ihn sofort in die Bande
und transportierte ihn zu Lande,
alsdann zu Wasser Richtung Gitter.
Urplötzlich gab es ein Gewitter
und es entstand ein Höllensturm
mit Wellen, höher als ein Turm.
Es herrschte allergrösste Not;
schon war gekentert manch ein Boot;
kieloben trieb, ganz abgedriftet,
ein Kahn, mit "Crédit Suisse" beschriftet.
Nur einer schien noch in der Lage,
das Schiff zu retten aus der Plage.
Man löste schnell zu diesem Zweck
von seinen Fesseln Tell, der keck
sogleich am Steuer sich postierte
und durch die Wellen manövrierte
den Nachen, stets dem Ufer nah,
bis er dort eine Platte sah.
Mit allem, was er bei sich hatte,
sprang er auf eben diese Platte,
was ihm gelungen wäre kaum
ohne Tortur im Fitnessraum.
Dann machte er sich rasch davon
in Richtung Küssnacht, wo er schon
nach einer ziemlich kurzen Dauer
auch eintraf, stark verschwitzt und sauer.

 

"Durch diese Gasse, diese hohle,
muss kommen er; zu seinem Wohle
wird's nicht geschehen, hier wird enden
der Wütherich, es wird sich wenden
zum Guten alles, künftig kann
uns nie mehr schaden ein Tyrann;
kein fremder Richter wird uns richten,
auf Fremde wollen wir verzichten
und reden wird uns niemand drein,
mag's Habsburg oder Brüssel sein,
was vor der Tür geschieht, egal:
Auf ewig bleiben wir neutral.
Dennoch kann man sich arrangieren
mit uns – sofern wir profitieren:
dem Schutzschirm gegen die Raketen
wird selbstverständlich beigetreten." 
(Doch merke: was sich lang bewährt,
wird oft ins Gegenteil verkehrt
und es erweist, wenn auch nach Jahren,
sich als ein Flop das Trittbrettfahren!)
Kaum war dies seinem Mund entglitten,
kam auch schon Gessler angeritten,
mit Glück dem Schiffbruch knapp entronnen,
doch immer noch ganz unbesonnen,
nichts ahnend, sorglos, hoch zu Ross.
Da traf ihn auch schon Tells Geschoss
und Tell ward zum Tyrannenkiller:
So jedenfalls erzählt's uns Schiller.

PS:
Urplötzlich war von Glockenklang
die Luft erfüllt, auf jedem Hang
sah züngeln man des Feuers Flammen,
und allerorts sang man zusammen
ein "Tritts im Morgenrot daher"
und freute sich darüber sehr,
und während, vor und nach dem Singen
sah man gar manchen Fahnen schwingen.
Indes fuhr Tell bei leichter Bise
per Kursschiff auf die Rütliwiese
und traf tatsächlich, hol's der Geier,
noch pünktlich ein zur Bundesfeier.




Weiterführende Links:
- Ostern 2023: Hansjörg Reinau-Krayers Polit-Poesie


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"Wie Kamala Harris in ihrem ersten TV-Interview die Kritik von Donald Trump an sich abprallen läs"

bz
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vom 30. August 2024
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Kamala ist halt schon läs.

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