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Das SVP-Nein zum Integrations-"Sahnehäubchen"
Die SVP und ihr überparteiliches Komitee eröffnen den Abstimmungskampf gegen das kantonale Integrationsprogramm 2022/2023 und den Kredit von 1,5 Millionen Franken: Dieses Programm sei "missraten" und es verwöhne die unwilligen Ausländerinnen und Ausländer, statt sie zu fordern. Abgestimmt wird am 28. November.
Liestal, 18. Oktober 2021
Das Referendum gegen den landrätlichen Kreditbeschluss hatte die SVP ergriffen. Inzwischen verleihen aber auch einige Mitglieder der Mitte-Parteien wie Andrea Kaufmann, Nicole Nüssli und Rolf Blatter (FDP) oder Peter Meier (CVP) dem Komitee einen überparteilichen Anspruch.
Neben Blatter waren es die SVP-Landräte Peter Riebli, Hanspeter Weibel und Reto Tschudin sowie Vizepräsident Johannes Sutter, die heute Montagmorgen an einer Medienkonferenz in Liestal ihre Motive gegen den Kredit darlegten.
"Nicht gegen Ausländer gerichtet"
Lange Zeit habe die Kantonalpartei kein Referendum ergriffen. Aber jetzt, so Sutter, "haben wir es als dringend nötig erachtet". Dabei gehe es nicht um die Zuwanderung nicht um die Reduktion der Integrationsbemühungen und der entsprechenden Budgets, und schon gar nicht darum, auf dem Buckel der Ausländerinnen und Ausländer Geld einzusparen.
Sondern, so Fraktionschef Riebli: "Wir wollen nicht kein Integrations-Programm, sondern ein besseres." In Wahrheit beinhalte dieses Programm keineswegs die gesamte Integrationsarbeit des Kantons – sie umfasse gesamthaft "ein Mehrfaches" des zur Diskussion stehenden Betrags. Vielmehr sei sie "das Sahnehäubchen obendrauf". Auf die OnlineReports-Frage, auf welchen Betrag sich die öffentliche Integrations-Arbeit beläuft, herrschte einen Moment betretenes Schweigen: "Das wüssten wir auch gern."
Wer muss zuerst "Offenheit" zeigen?
Im Kern halten die Gegner das Programm für untauglich und für einen Kniefall vor einem Teil der ausländischen Wohnbevölkerung. Landrat Weibel stört sich daran, dass die Regierung in ihrer Kredit-Vorlage an den Landrat zuerst die "Offenheit der Schweizerinnen und Schweizer" einfordert, und erst danach die Anerkennung der Grundwerte der Bundesverfassung durch die Ausländerinnen und Ausländer. Dadurch komme zum Ausdruck, dass die Zielpersonen nicht behördlich zur Integrations-Anstrengung gefordert, sondern "verwöhnt" werden.
Sauer stossen dem Komitee die 27 Massnahmen-Positionen auf. "Da gibt es keine Rahmenbedingungen, keine Erfolgskontrolle, keine Zielsetzungen und keine Konsequenzen", kritisierte Weibel weiter. Es bestehe der Verdacht, dass "nach dem Giesskannenprinzip einfach Geld ausgegeben wird", weil der Bund die Hälfte daran zahle. "Uns geht es nicht um die Höhe des Geldbetrag, sondern darum, dass er sinnvoll, zielgerichtet und erfolgsbasiert eingesetzt wird."
Zwar kann der Kanton mit unwilligen Migranten gesetzlich verbindliche Integrations-Vereinbarungen abschliessen. Aber auf die Frage, wie viele solcher Abmachungen im Kanton schon abgeschlossen worden seien und welches die Konsequenzen von deren Verletzung seien, habe er keine Antwort erhalten.
"Renitente massregeln – Willige fördern"
Viele der Budgetpositionen wie "Öffentlichkeitsarbeit", "kantonale Projektförderung" oder "Stopp Rassismus", legte Blatter nach, hätten "mit Integration nichts zu tun", sondern seien "Luftblasen" und "versickern irgendwo in der kantonalen Verwaltung ohne messbare Effekte". Vieles bewege sich auch auf der "Gschpürsch-mi?"-Ebene. Für die Sprachförderung als wichtigstes Integrations-Instrument sei nur gerade ein Drittel des Budgets reserviert. Nötig wäre ein Anteil von 80 Prozent. Blatter kritisierte auch das Fehlen von Prüfungen und Präsenzkontrollen in den Sprachkursen. Deshalb dürften keine Steuermittel an unwillige Migrierende gehen.
Aus den Aussagen und dem eben veröffentlichen Abstimmungs-Flyer geht klar die Forderung hervor, dass der Kanton stärkere Saiten aufziehen und seine Politik fokussieren müsse. So müssten Integrations-Verweigerer die Konsequenzen tragen müssen – "bis hin zum Entzug der Aufenthaltsbewilligung als ultima ratio" (Riebli). Der Kanton habe schon "zugeben müssen, dass wir im Kanton erste Parallelgesellschaften haben". Deshalb müssten "die Renitenten gemassregelt und die Willigen gefördert werden".
Als Beispiele "missratener Integration" nennt das Flugblatt, dass über 70 Prozent der Spitalbetten von Covid-Patienten mit Migrations-Hintergrund belegt wurden. Im Projekt "Take-off" mit verhaltensauffälligen Jugendlichen hätten 67 Prozent der Teilnehmenden eine ausländische Biografie.
Integrations-Lücke wird bestritten
Die Gegner des aktuellen Programms sind guten Mutes, an der Urne ein Nein zu erzielen. Es sei "Unsinn" zu behaupten, es gebe danach keine staatliche Integrationsförderung mehr. Alles, was in die "Regelstrukturen" wie Schule, Berufsbildung, Sozialversicherung fliesst, werde durch den Abstimmungsgegenstand "gar nicht tangiert".
Auch werde die Integrationspauschale von 18'000 Franken pro Asylfall weiterhin (an die Gemeinden) bezahlt. Fraktions-Chef Riebli ist auch der Meinung, ein Integrations-Programm nach dem Gusto der SVP sei "relativ zackig machbar" und benötige keine zwei Jahre, bis es in Kraft treten könne.
Das Komitee startet auffällig früh in den Abstimmungskampf: An Mitteln vorgesehen sind Plakate, Flyer, eine Homepage, Standaktionen, Social Media-Präsenz, Gastbeiträge. Geplant ist, wie Reto Tschudin verriet, auch ein Podiumsgespräch unter der Teilnahme von Sicherheitsdirektorin Kathrin Schweizer (SP).
Bild von links: Rolf Blatter, Peter Riebli, Reto Tschudin, Hanspeter Weibel, Johannes Sutter