Initiative: Wirte wollen Anti-Raucher-Radikalität stoppen
Eine breite Allianz um den den Basler Wirteverband will mit einer Volksinitiative die im Kanton geltende radikale Anti-Raucher-Regelung in Beizen lockern. Ziel ist die Einführung der moderateren Bundeslösung.
Basel, 26. Oktober 2010
Seit 1. April dieses Jahres gilt in Basel-Stadt eine radikale Raucher-Regelung: In öffentlich zugänglichen Bars, Beizen und Discos darf nicht mehr geraucht werden. So hatte vor gut zwei Jahren das Stimmvolk entschieden, indem es eine Initiative der Lungenliga mit einer Mehrheit von 52 Prozent guthiess.
Wie Maurus Ebneter, Delegierter des Vorstands des Basler Wirteverbands, heute Dienstagmorgen an einer Medienkonferenz bilanzierte, können 40 Prozent der Basler Gastbetriebe – vor allem solche mit hohem Küchenanteil – mit dieser Regelung "problemlos" leben. Bei weiteren 40 Prozent hielten sich die Negativ-Effekte in Grenzen. Doch 20 Prozent der fast 900 Restaurants – vor allen jene mit hohem Getränkeanteil am Umsatz – hätten mit dem Rauchverbot ein "schwerwiegendes Problem".
Bisher noch keine "Raucher-Konkurse"
Konkurse als Folge der neuen Raucher-Regelung seien ihm noch keine bekannt, sagte Ebneter auf eine OnlineReports-Frage, "aber die Selbstausbeutung nimmt zu". Der Verbands-Manager räumte ein, dass auch weitere Faktoren wie der starke Franken zu "verstärkten Ertragsschwierigkeiten" mit Umsatzeinbussen von 20 bis 40 Prozent führten.
Jetzt wollen die Wirte im Verbund mit dem Gewerbeverband und auch Exponenten linker Parteien den damaligen Volksentscheid, "den wir respektieren", korrigieren: Morgen Mittwoch lancieren sie eine formulierte Initiative, mit der das kantonale Gastgewerbegesetz geändert werden soll. Paragraf 34 soll neu lauten: "In den öffentlich zugänglichen Betrieben gilt Rauchverbot unter Vorbehalt der bundesrechtlich vorgesehenen Ausnahmeregelungen."
Initiative ermöglicht 150 Raucherlokale
Denn seit der Rauchverbots-Abstimmung in Basel-Stadt trat eine Bundeslösung zum Nichtraucherschutz in Kraft, die moderater ist als die baselstädtische Regelung. Dabei handle es sich laut Wirteverbands-Präsident Josef Schüpfer um einen "guteidgenössischen Kompromiss". Würde Basel die Bundeslösung übernehmen, stünden etwa 150 Raucherlokale zur Verfügung. "Einige Dutzend weitere Betriebe" (Ebneter) würden einen Nebenraum als bedientes Fumoir einrichten. In den Raucherbetrieben würden "höchstens zehn Prozent des Gesamtgastronomie-Umsatzes" erzielt.
Laut der Bundeslösung werden Raucherlokale nur auf Gesuch hin bewilligt, wenn die zugängliche Gesamtfläche höchstens 80 Quadratmeter umfasst, gut belüftet ist, klar als "Raucherlokal" deklariert ist und die darin Beschäftigten der Arbeit schriftlich zugestimmt haben, wie Gewerbeverbandsdirektor und FDP-Nationalrat Peter Malama ausführte.
Der Umsetzungsplan ist ambitiös: Bis Ende Jahr sollen die nötigen Unterschriften gesammelt sein. Danach muss die Regierung innerhalb von 18 Monaten eine Volksabstimmung ansetzen und bei einem positiven Ausgang die Verordnung anpassen, so dass das neue Gesetz schon 2012 in Kraft treten könnte.
"Totalitäre Züge"
LDP-Grossrat André Auderset setzt sich aus liberaler Grundüberzeugung für die Initiative ein. Es falle schwer, "bei den militanten Tabakgegnern keine totalitären Züge zu erkennen". Ähnlich äusserte sich der frühere SP-Grossrat Tino Krattiger: "Wir sind weit weg von einer liberalen Gesellschaft." Eine gewisse Lockerung der Regelung habe auch integrierende Wirkung auf die "Kultur des Zusammenlebens".
Unterstützung erhält das Volksbegehren von allen vier Basler Jung-Parteien – so auch von den Jungsozialisten. Juso-Präsidentin Sarah Wyss begründet den Support "nicht mit der Absicht, den Arbeitnehmerschutz zu kappen", sondern damit, einem "sinnvollen und akzeptablen Kompromiss" zum Durchbruch zu verhelfen.
Auch Tabakgegner machen mobil
Selbst wenn das Volk diese Absicht vom Volk mit Erfolg krönen sollte, wird der Verein "Fümoar" laut Vorstandsmitglied Thierry Juillard vermutlich nicht aufgelöst werden, weil einzelne nichtöffentliche Betriebe immer noch über den Vereinsweg das Rauchen ermöglichen wollen.
Allerdings liegt die Basler Raucher-Zukunft noch in dichten Rauchschwaden: Während die Initianten in Basel-Stadt auf die moderatere Bundeslösung drängen, will die Lungenliga mit einer eidgenössischen Volksinitiative die radikale Basler Lösung auf das ganze Land ausdehnen, wo derzeit in 18 Kantonen eine weniger strenge Lösung gilt.
"Ultimativ perverse Aussage"
Auf in die nächste Runde: Ein knappes halbes Jahr nach Inkrafttreten des Volksentscheids von 2008 für einen umfassenden Schutz insbesondere des Service-Personals vor Passivrauchen starten die Wirte und ihre Spezis bereits den Versuch, den Willen einer Mehrheit der Basler Bevölkerung auszuhebeln. Wer den Argumenten der Neu-Initianten nicht beipflichtet, der wird pauschal als "totalitär" beschimpft (Zitat Herr Grossrat Auderset – kleine Anmerkung: Mit solchen Ausdrücken, die sich beispielsweise auf das Hitler-Regime beziehen, sollte ein verantwortungsvoller Mensch vorsichtig umgehen).
Ultimativ pervers ist die Aussage auf dem Flyer der Initianten: "Leben und Leben lassen". Sterben und sterben lassen wäre realistischer, bei über 300 Passivrauch-Toten pro Jahr allein in der Schweiz; natürlich weigern sich die Initianten, solche Fakten anzuerkennen – alles Panikmache, und einige Gegen-Studien (finanziert von der Tabakindustrie) sind schnell hervorgezaubert. Der Verweis darauf, dass Service-MitarbeiterInnen "schriftlich zustimmen" müssen, in einem Raucherbetrieb zu arbeiten, ist Augenwischerei. Servicemitarbeitende, insbesondere ab einem gewissen Alter, können sich leider ihren Arbeitsplatz mitnichten aussuchen. Viele würden ihre "schriftliche Zustimmung" gezwungenermassen geben, um nicht arbeitslos zu werden. (Ich dachte eigentlich, die SP wäre eine Arbeitnehmer-Partei – für gewisse ParteiexponentInnen gilt dies offensichtlich nicht.)
Mit der Aufweichung der von 53 Prozent der Basler Bevölkerung angenommenen Gesetzesregelung (die durch unsägliche Fümoar-"Vereine" bereits auf unzumutbare Weise unterlaufen wird), wäre kein vollumfänglicher ArbeitnehmerInnen-Schutz mehr möglich. Das Argument, ein gewisser Prozentsatz an Service-Mitarbeitenden "rauche ja selber", sticht ebenfalls nicht: Passiv-Qualm ist nachweislich noch gesundheitsschädigender als der, den der aktive Raucher selber einatmet. Wer täglich stundenlang im Qualm arbeiten muss ("Lüftungen" helfen da gemäss einer ETH-Studie auch nicht), der nimmt eine massiv erhöhte Dosis krebserregender Stoffe auf.
Es bleibt zu hoffen, dass die Wirte mit ihrem Trotz-Gebaren bei der aufgeklärten Basler Bevölkerung abblitzen. Alles andere wäre ein Armutszeugnis für diese Stadt.
Andrea Bollinger, Grossrätin SP, Basel
"Am schlimmsten ist die Pafferei an Haltestellen"
Es sollte kontingentierte Nichtraucher-Restaurants geben. Noch besser endlich rauchfreie öffentliche Räume wie Bahnhöfe und Parks! Am schlimmsten ist allerdings die Pafferei an Haltestellen sowie im Bahnhof SBB Basel. Avanti eidgenössiche Präventivmediziner!
Michael Przewrocki, Basel