Freinacht – wenn die Schweizer Nati heute Spanien rauswirft
Basel, 2. Juli 2021
Die Regierung der Fussball-Stadt Basel zeigt sich generös: Wenn die Schweizer Nationalmannschaft heute Freitagabend den favorisierten Gegner Spanien schlagen und damit zum ersten Mal in ihrer Geschichte in den Halbfinal einer Europameisterschaft einziehen wird, "kann die ganze Nacht gefeiert werden". Wie das Bau- und Verkehrsdepartement mitteilt, hebt seine Chefin Esther Keller in diesem Fall für eine Nacht die Schliessungszeiten der Gastgewerbebetriebe auf.
Die Freinacht gilt für gastronomische Innenräume, wobei die geltenden Corona-Schutzmassnahmen eingehalten werden müssen. Und die sind – mindestens verbal – immer noch recht einschneidend. Bei der Konsumation bestehe eine Sitzpflicht. Stehplätze seien nicht erlaubt. Ebenso müssten die Abstände von 1,5 Metern zwischen den einzelnen Tischen eingehalten werden. Von mindestens einer Person der Gästegruppen sind die Kontaktdaten zu erheben. Die Gästegruppen dürfen nicht durchmischt werden Die Gesichtsmaske darf nur am Tisch abgezogen werden.
Im Aussenbereich dürfen alle Betriebe wie bisher bis maximal 15 Minuten nach dem offiziellen Spielende ihre Gäste bewirten.
Die Departements-Chefin sorgt auch für mögliche mirakulöse Entwicklungen bereits vor: Sollte die Schweiz den Einzug in den Final schaffen oder gar Fussball-Europameister werden, "würde auch für diese Nächte eine Freinacht ausgerufen".
"Fussballereignis hebelt Massnahmen aus"
"Brot und Spiele". Die Kausalität zwischen Halbfinal und der Lockerung von Corona-Schutzmassnahmen ist mir nicht ganz klar. Die Basler Regierung erinnert sich bei dieser Gelegenheit an die Praxis der späten römischen Republik.
Den Fans mag ich es wirklich von Herzen gönnen, aber es mutet schon etwas eigenartig an, dass das Fussballereignis viele der Einschränkungen und Massnahmen einfach so auszuhebeln vermag. Gab es doch vor wenigen Monaten den vergitterten Zollübergang beim Naturbad Riehen, Schweizer Militärhelikopter, die täglich die Landesgrenze abflogen und Soldaten, welche die grüne Grenze in den Langen Erlen bewacht haben. Aber da war natürlich kein Halbfinal in Aussicht, sondern der Weltuntergang!
Stephan Kalt, Basel
"Ein 'Zückerli' für die Fussballgemeinde"
Es scheint so, dass Frau Keller wegen der Allee-Geschichte vorsorgen will für die nächsten Wahlen. Ob aber die Fussballgemeinde Basel ein derart langes Gedächtnis hat, um das mit Auflagen behaftete "Zückerli" in Erinnerung zu behalten, ist eine andere Frage.
Trotzdäm: Hopp Schwyz.
Felix Bornhauser, Basel
"Oder doch eher Willkür total?"
Was doch Fussball alles möglich macht! Bei den Demonstrationen gegen die Corona-Massnahmen schrieen einige sehr laut auf, als sich die 5'000 Leute in Liestal versammelten, ein Grundrecht ausübend.
Nun gibts zwar nur noch rund 10 Prozent Neuinfizierte gegenüber damals, doch werden sich die Fussballfans um einiges länger zusammen aufhalten und sich ungehemmter benehmen. Zudem wird wohl kaum jemand ernsthaft annehmen, die aufgezählten Massnahmen würden brav eingehalten werden. Es spielt schon eine grosse Rolle, wer was unternimmt.
Und warum wird die Bewilligung nur im Fall eines Sieges gegeben? Ist die Ansteckungsgefahr bei einer Niederlage grösser? Der gebeutelten Gastronomie kann doch mehr Bewirtungszeit eingeräumt werden, wenn eine Polizeistunde nicht mehr wegen Pandemiemassnahmen begründbar ist.
Oder doch Willkür total? Ist denn alles so beliebig anpassbar, je nach Gutdünken?
Viktor Krummenacher, Bottmingen
"Schon fast zynisch"
"Bei der Konsumation bestehe eine Sitzpflicht. Stehplätze seien nicht erlaubt. Ebenso müssten die Abstände von 1,5 Metern zwischen den einzelnen Tischen eingehalten werden. Von mindestens einer Person der Gästegruppen sind die Kontaktdaten zu erheben. Die Gästegruppen dürfen nicht durchmischt werden Die Gesichtsmaske darf nur am Tisch abgezogen werden." – Das ist ja schon fast zynisch. Ja, also dann gehe ich wirklich lieber gleich nach Hause.
Daniel Thiret, Riehen