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"Noch sehr lange": Neue Basler LDP-Vorsitzende von Falkenstein
"Die rot-grüne Regierungs-Mehrheit ist eigentlich sehr bürgerlich"
Seit hundert Tagen ist Patricia von Falkenstein neue Präsidentin der Liberal-Demokratischen Partei Basel Basel-Stadt (LDP)
Von Peter Knechtli
Die neue Basler LDP-Präsidentin Patricia von Falkenstein gibt dem politischen Gegner gute Noten: Die rot-grüne Regierungs-Mehrheit betreibe eigentlich eine sehr bürgerliche Politik, sagt die Politikerin nach hundert Tagen Parteipräsidium im OnlineReports-Interview. Von einer Fusion mit dem Freisinn will die Liberale nichts wissen.
OnlineReports: Frau von Falkenstein, Sie sind jetzt genau hundert Tage Präsidentin der Basler LDP. In welchem Zustand befindet sich Ihre Partei?
Patricia von Falkenstein: Meine Partei ist in einem guten Zustand. Bei den letzten Grossratswahlen legten wir zu ...
OnlineReports: ... von neun auf zehn Sitze ...
von Falkenstein: ... und prozentual hatten wir den grössten Zuwachs aller Basler Parteien. Unsere Fraktion arbeitet sehr gut. Ebenso haben wir viele Mitglieder, die gern mitarbeiten.
OnlineReports: Aber was ist vom "revolutionären Ursprung", von dem auf der LDP-Website zu lesen ist, in Ihrer Partei noch geblieben?
von Falkenstein: Revolutionär ist heutzutage nicht mehr so viel. Wir getrauen uns immerhin, gewisse Dinge beim Namen zu nennen. Auch wollen Leute bei uns Mitglied werden, weil wir eine gewisse Einmaligkeit haben – vielleicht gerade, weil es die Liberal-Demokratische Partei nur noch in Basel-Stadt gibt.
OnlineReports: Was ist denn einmalig an Ihrer Partei?
von Falkenstein: Es ist die Zusammensetzung der Partei und ihrer Köpfe. Wir haben viele intellektuelle Mitglieder, die sich ganz speziell bei der LDP zu Hause fühlen. Dies gilt aber interessanterweise auch für Gewerbler. Bei der Kandidatensuche traf ich immer wieder auf Leute, die sagten "Wenn ich kandidiere, dann nur bei euch".
"Die autonomen 'Wagenleute' sind nun
nicht gerade unsere Klientel."
OnlineReports: Wie grenzt sich heute die LDP vom Freisinn ab, der ja seit einigen Jahren "liberal" auch in seiner Partei-Bezeichnung trägt?
von Falkenstein: Wir waren die Ersten, die "Die Liberalen" hiessen. Andere schnallten sich den Begriff erst später an, weil sie merkten, dass das Prädikat "liberal" einfach gut tönt. Wir als LDP vereinigen insbesondere viele freiberufliche Menschen.
OnlineReports: Hat der LDP der FDP-Zusatz "Die Liberalen" über längere Jahre geschadet?
von Falkenstein: Am Anfang hat uns dies geschadet, weil die politisch Interessierten nicht mehr wussten, wer nun eigentlich wer ist. Seit wir uns wieder "LDP Liberal-Demokratische Partei" nennen, hat sich das Durcheinander etwas gelegt – zumindest bei Leuten, die sich politisch interessieren und bei Wahlen und Abstimmungen zur Urne gehen.
OnlineReports: Wird im Verlaufe Ihrer Präsidialzeit eine Fusion der LDP mit der FDP ein Thema?
von Falkenstein: Nein.
OnlineReports: Einer der unkonventionellen Köpfe ist der neugewählte Grossrat Michael Koechlin, der sich für die autonomen "Wagenleute" einsetzt. Wie kam er damit parteiintern an?
von Falkenstein: Mit gemischten Gefühlen, denn diese Leute sind nun nicht gerade unsere Klientel. Das Thema Freiräume anerkennen wir schon; es ist aber nicht gerade geschickt, sich beispielsweise so offiziell für Leute einzusetzen, die sich illegal auf dem Hafengelände befinden. Aber gerade bei uns gibt es eben verschiedene Meinungen und Köpfe.
OnlineReports: Auf der andern Seite des LDP-Spektrums steht Grossrat André Auderset, der sich vermutlich auch bei der SVP wohl fühlen könnte.
von Falkenstein: Das glaube ich nicht. Er äussert sich auch nie dazu. Es gibt sicher gewisse Themen wie Sicherheit, die er – wie Felix Eymann – im Kleinbasel aufnimmt. Aber das hat nichts mit der SVP zu tun, sondern damit, dass das Thema Sicherheit vor allem im Kleinbasel omnipräsent ist. Ich glaube, diese Fraktionsmitglieder würden nie zur SVP wechseln.
"LDP, SVP, FDP und CVP sollten künftig
auch bei Wahlen zusammen antreten."
OnlineReports: Aber die LDP pflegt – und das war nicht immer so – doch gute Kontakte zur SVP.
von Falkenstein: Ja, im Moment arbeiten wir gut zusammen, auch wenn es Themen gibt, in denen wir eine andere Meinung haben – etwa radikale Ausländer- oder Sicherheits-Forderungen. Natürlich müssen diese Bereiche debattiert werden, aber nicht verbunden mit extremen Forderungen. Es muss jedenfalls in die Richtung gehen, dass die vier traditionellen bürgerlichen Parteien mit CVP und FDP nicht nur bei Abstimmungen, sondern künftig auch bei Wahlen zusammen antreten.
OnlineReports: Welches Legislaturziel haben Sie als Präsidentin für Ihre Partei definiert?
von Falkenstein: Wir wollen auch nach den nächsten Wahlen in der Regierung vertreten sein und eine bürgerliche Mehrheit anstreben. Im Grossen Rat wollen wir weiter zulegen oder zumindest die bisherige Stärke halten. Zudem müssen wir versuchen, den bisher von der SP gehaltenen linken Ständeratssitz anzugreifen.
OnlineReports: Wie lange wird in Basel-Stadt nach Ihrer Ansicht die rot-grüne Regierungs-Mehrheit noch bestehen bleiben?
von Falkenstein: Wahrscheinlich eben noch lange.
OnlineReports: Wie bitte?
von Falkenstein: Die rot-grüne Regierungs-Mehrheit macht ihren Job ja nicht so schlecht. Ihre Politik ist ja weder rot noch grün, sondern eigentlich sehr bürgerlich.
OnlineReports: Wie lange bleibt Ihr Erziehungsdirektor Christoph Eymann noch Regierungsrat?
von Falkenstein: Mit hundertprozentiger Sicherheit kann ich es nicht voraussagen. Wie ich bisher seine Aussagen interpretiere, wird er diese Legislatur noch zu Ende führen und dann nicht mehr antreten.
OnlineReports: Und die Liberalen halten an einem Regierungssitz fest?
von Falkenstein: Auf jeden Fall. Die CVP verfügt auch über einen Regierungsrat und hat weniger Grossratssitze als wir.
OnlineReports: Wer steht als neues LDP-Regierungsmitglied zur Diskussion?
von Falkenstein: Das ist noch schwierig zu sagen ...
OnlineReports: ... Sie persönlich haben schon auf OnlineReports ein Interesse an einer Kandidatur angemeldet.
von Falkenstein: Ja, das gilt immer noch. Dieser Job würde mich sehr reizen. Aber es gibt auch andere Namen wie beispielsweise den amtierenden Grossratspräsidenten Conradin Cramer oder Grossrat Andreas Albrecht ...
OnlineReports: ... der aber kommenden Februar zurücktritt, um mehr Zeit für seine neue Vater-Rolle zu haben. Ist sein Comeback in die Politik schon im Wahljahr 2016 denkbar?
von Falkenstein: Er verabschiedet sich ja nicht ganz aus der Politik. Er geniesst dann mehr das Familienleben. Abgesehen davon wird er sich sicher weiterhin für die Partei einsetzen. Es könnte ja auch sein, dass er in seiner Anwaltskanzlei etwas Pensum reduziert und dafür wieder intensiver in der Politik tätig ist.
"Die als Shooting Stars gefeierten Grünliberalen haben es nicht mehr so einfach."
OnlineReports: Gehen Sie davon aus, dass die Grünliberalen bei den nächsten Wahlen der LDP gefährlich werden?
von Falkenstein: Das weiss man nie, aber aus den letzten Wahlen gingen sie eher etwas geschwächt hervor, obschon sie mit Emmanuel Ullmann über einen Regierungsratskandidaten verfügte. Parteipräsident David Wüest-Rudin wurde leider abgewählt. Auch in Bern haben es die als Shooting Stars gefeierten Grünliberalen nicht mehr so einfach. Die GLP hat es besonders schwierig bei uns in der Stadt – eben gerade deshalb, weil es uns auch noch gibt.
OnlineReports: Als prononcierte Grün-Partei hat sich die LDP bisher aber nicht profiliert.
von Falkenstein: Das Thema ist aber bei jeder Wahl präsent und zwar in einem wirtschaftsverträglichen Kontext. Abgesehen davon haben wir mit Heiner Vischer einen Grossrat, der sich sehr für dieses Thema engagiert.
OnlineReports: Wohin wollen Sie Ihre Partei inhaltlich führen?
von Falkenstein: Es gibt bezüglich Unternehmenssteuern und dem Mittelstand noch einiges an Entlastungs-Spielraum. Themen sind aber auch Bildung, die Zukunft von Harmos, die Stärkung der Universität und vor allem des Live Sciences-Bereichs – vielleicht auch zulasten von Fächern, die nicht überall angeboten werden müssen.
"Wir müssen unsere Standpunkte
deutlicher als bisher machen."
OnlineReports: Prägend für das Image der LDP sind vor allem einzelne hervorragende Köpfe, die aber irgend einmal abtreten werden. Was wollen Sie unternehmen, um den Exponenten der Jungliberalen zu mehr Bekanntheit zu verhelfen?
von Falkenstein: Es geht darum, sie zu unterstützen in dem, was sie tun. Gute Ideen sind vorhanden. Die Schwierigkeit bei unserem Nachwuchs besteht darin, dass er beruflich häufig unterwegs ist oder im Ausland studiert – und dann eben auch Anderes im Kopf hat als Politik. Manchmal muss man auch etwas stupsen.
OnlineReports: Wen würden Sie unter die jungliberalen Hoffnungsträger einreihen?
von Falkenstein: Sicherlich meinen Vizepräsidenten Philip Schotland, der auch Präsident der Jungliberalen ist, dann die Zwillinge Michael und Lukas Hug oder auch Diana Blome und Andrea Schotland, die jetzt Michael Wieser heiratet, der auch einmal Präsident der Jungliberalen war.
OnlineReports: Wo wollen Sie – im Vergleich zu Ihren Vorgänger Christoph Bürgenmeier – die Akzente setzen, um das Profil der LDP zu schärfen?
von Falkenstein: Wir müssen unsere Standpunkte deutlicher als bisher machen. Wir müssen auch stärker auf unsere Leute zugehen und ihnen unser Wissen mitteilen, damit mehr Sympathisanten generiert werden können. Dies nicht nur über die Medien, sondern auch durch verstärkte interne Kommunikation. Ich will vermehrt mit den Leuten reden und sie für unsere Positionen empfänglich machen.
OnlineReports: Nur gerade zwei von zehn Fraktionsmitgliedern sind Frauen. Sind Sie damit zufrieden?
von Falkenstein: Nein, das reicht nicht. Ich weiss aber wirklich nicht, wie die Frauen-Beteiligung gefördert werden könnte. Viele Frauen, die auf der LDP-Liste kandidierten, haben einen Job, Kinder und Familie. Da hat Politik oft einfach keinen Platz.
OnlineReports: Was stört Sie am aktuellen politischen Zustand des Kantons Basel-Stadt am meisten?
von Falkenstein: Was mich stört? Natürlich geht es uns gut. Aber ich weiss nicht, ob das so bleibt. Wir geben im Moment etwas viel Geld aus für Dinge, die es nicht wirklich braucht.
OnlineReports: Zum Beispiel?
von Falkenstein: Ich denke beispielsweise an den Strassenbau mit seinen zusätzlichen Inselchen und Velostreifen. Oder im ÖV-Bereich: Braucht es hier ein neues Tram und dort eine neue Haltestelle oder Anzeigetafeln, die dann doch nicht funktionieren? Das frage ich mich schon.
8. August 2013
Weiterführende Links:
Gesprächspartnerin
Patricia von Falkenstein ist seit 18. Oktober 2006 Basler Grossrätin der Liberal-Demokratischen Partei (LDP). Vergangenen April wurde sie zur Parteipräsidentin und Nachfolgerin von Christoph Bürgenmeier gewählt. Die 52-jährige Juristin ist Mutter zweier Kinder.
"Hoffnung auf Gegengeschenk?"
Wenn jemand Aussagen macht wie Patricia von Falkenstein: "Die rot-grüne Regierungs-Mehrheit macht ihren Job ja nicht so schlecht. Ihre Politik ist ja weder rot noch grün, sondern eigentlich bürgerlich", so kommt die heutige LDP-Präsidentin politisch nicht draus oder dann arbeitet sie willentlich den rot-grünen Politikern zu – um sich womöglich später mal ein (persönliches) Gegengeschenk zu erhoffen. Viele möchten doch in den Regierungsrat gewählt werden!
Augen auf Frau von Falkenstein! Wer will denn die Mittlere Brücke für den motorisierten Privatverkehr sperren? Wer macht den Autofahrern, die in unserem Kanton wohnen, das Leben immer schwerer? Wer heckt zulasten der Gewerbetreibenden immer neue Vorschriften aus? Wer verhätschelt die Randständigen (vorab Drögeler) in unserem Kanton?
Eine Fusion von LDP und FDP soll es (wie wir ja alle seit langem wissen) auch laut Frau von Falkenstein nicht geben. Dies ist auch eine Meinung! Darf man nun den Aussagen der LDP-Präsidentin in diesem Interview glauben schenken, so geht es parteipolitisch künftig wohl eher Richtung Annäherung der liberal-demokratischen Ziele an jene der Sozialdemokraten!
Ja, die heutige LDP-Führung ist mit ihrem Linksdrall schon einmalig (geworden)! Deren Wählerinnen und Wähler sind aber nicht auf den Kopf gefallen – glaubwürdigere Partei-Alternativen gibt es ja alleweil.
Markus Borner, alt Grossrat SD, Basel