© Fotos by Beat Ernst und Monika Jäggi, OnlineReports.ch
"Eine Anlage für alle": Neue Voltamatte, Campus Novartis in Basel
Die neue Voltamatte – ein Hauch vom New Yorker Central Park
Der grüne Treffpunkt für Menschen aus aller Welt ist ein weiterer Basler Stadtpark, der sich sehen lassen darf
Von Monika Jäggi
Von der Stadt, in der schon die Kelten wohnten, über den Protest-Ort gegen Mieter-Verdrängung zur grünen Oase: Den neu gestaltete Basler Voltamatt-Park prägt eine wechselvolle Geschichte. Er markiert gleichzeitig einen weiteren Meilenstein der Stadtentwicklung.
"Offen, transparent und grosszügig": So präsentiert die Stadtgärtnerei Basel den neu gestalteten Quartierpark Voltamatte. Nichts erinnert mehr an die Ausschreitungen rund um die Voltamatte im Herbst 2011, als Aktivisten einen hölzernen Turm als Mahnmal auf der Baustelle der Anlage bauten. Während Monaten war die Voltamatte ein besetzter Ort, ein Ort der politischen Auseinandersetzung um Quartieraufwertung und Stadtentwicklung im Zusammenhang mit dem Bau der Nordtangente.
Heute ist der damals abgebrannte Pavillon des Robi-Spielplatzes renoviert, der Hartplatz frisch geteert, Eschen- und Ahornbäume sind gepflanzt und auch der restaurierte Eisbär aus Marmor steht an seinem Platz neben dem neuen Planschbecken.
Fast wie im Central Park
Die Quartierbevölkerung nutzt den Stadtpark bereits, bevor der zuständige Regierungsrat Hans-Peter Wessels (SP) morgen Freitag zur offiziellen Eröffnung schreitet, wie ein Besuch von OnlineReports gezeigt hat. Deutsch- und englischsprechende Familien schlendern über die neue Anlage. Ein Paar nickt: "Tolle Sache hier", sagt es anerkennend. Andere joggen auf dem Rundweg um den Platz, Kinder drehen auf ihren Fahrrädern Runden, Jungs kicken den Fussball.
Die Matte ist belegt mit Jugendlichen, die auf dem Boden sitzen. Sie sprechen unterschiedliche Muttersprachen. Eine vollständig verschleierte Frau mit zwei jungen Mädchen, die das Kopftuch tragen, läuft vorbei. Man wähnt sich schon fast im echten Central Park: eine grosse, zentrale Matte von Baum-Alleen und Hochhäusern umgeben und ein Treffpunkt für Menschen aus aller Welt.
Ein Quartier im Umbruch
Die Voltamatte liegt am äussersten Rand des St. Johanns-Quartiers und nur Schritte von der französischen Grenze entfernt. Sie ist neben dem St. Johanns-Park die einzige grössere Grünfläche im dicht gebauten Quartier. Die Grünanlage liegt an der Kreuzung des Voltaplatzes, zwischen modernen Wohnblöcken, älteren Häuserzeilen und dem Campus Novartis.
Die "Matte" sowie Teile des Quartiers um den Voltaplatz wurden im Zusammenhang mit dem Bau der Nordtangente als Verbindung der schweizerischen Autobahn mit dem französischen Autobahnnetz neu gestaltet. Mit der Umgestaltung der Voltamatte sind die langjährigen Arbeiten an der Nordtangente abgeschlossen.
Von der Brache zur vielfältigen Nutzung
Als Folge eines Wettbewerbs gelangte die Variante von Berchtold Lenzin, Landschaftsarchitekten, Liestal, und Larghi & Stula Architekten, Basel, zur Ausführung. Die Kosten für die Umgestaltung beliefen sich auf 7,8 Millionen Franken. Heute ist die Voltamatte keine einfache Wiese mehr, oder ein Gemüsefeld wie im Sommer 1942 während der Anbauschlacht, sondern eine moderne Quartier-Grünanlage mit einer Grösse von 14'000 Quadratmetern. "Vorher war es eine Wiese, die niemand so richtig beachtete. Heute ist das eine Grünanlage mit vielfältigen Nutzugsmöglichkeiten, nicht nur für das ganze Quartier, sondern auch darüber hinaus," ist Susanne Winkler, Projektleiterin Grünplanung bei der Basler Stadtgärtnerei, im Gespräch mit OnlineReports überzeugt.
Ziel des neuen Konzepts war es, den Charakter der Grünanlage als eine von Bäumen umrahmte Matte mit drei grossen Spielbereichen zu erhalten. Die Neugestaltung ist dreiteilig: Die Matte mit öffentlicher Spiellandschaft im hinteren Teil der Anlage, den Robi-Spielplatz direkt an der Voltastrasse sowie der Hartplatz, welcher Spiellandschaft mit dem Robi-Dorf verbindet.
Ein weiteres Element der Umgestaltung ist die Lichtstrasse, die an den Nordteil der Anlage angrenzt. Die Quartierstrasse wird aufgewertet, verkehrsberuhigt und die Voltamatte ab Frühjahr 2013 von Norden her besser erschliessen.
Robi-Dorf: Nicht optimaler Standort
Neu ist, dass der Robi-Spielplatz vom hintersten in den vordersten Teil der Anlage, direkt an die Voltastrassse und den vom Verkehr umtosten Voltaplatz verlegt wurde, und jetzt "Robi-Dorf" heisst. Dort, wo der Robi-Spielplatz vorher war, wurde eine Spiellandschaft gebaut. Diese ist zentral für die Anlage und umfasst neben der Wiese auch einen grossen öffentlichen Spielbereich mit Sanduntergrund, Planschbecken und viel Spielraum für jüngere Kinder.
Das Robi-Dorf steht entlang der Voltastrasse – verwinkelte Pavillons, ein Hauptgebäude aus rostendem Stahl, dazwischen Freiflächen zum Spielen. Das Gelände ist abgeschlossen und von einem Stahlnetz umgeben. Die Pavillons mit ihren extensiv begrünten Dächern sollen den Verkehrslärm von der Voltastrasse dämpfen. Das Stahlnetz gewährt da und dort auch Einblicke – auf eine Skatinganlage, eine Feurstelle, eine Kieslandschaft.
"Der Standort an der belebten Strasse ist nicht ideal", ist sich auch Susanne Winkler bewusst. "Wir haben deshalb intensiv über die Standortfrage diskutiert." Das Robi-Dorf sei für ältere Kinder und zudem ein umzäunter Raum. "So konnten wir den Standort an der Voltastrasse verantworten," erklärt sie. "Um die Sicherheit besonders für jüngere Kinder zu garantieren, haben wir uns entschieden, die offene und öffentliche Spiellandschaft in den hinteren Teil der Anlage zu verlegen."
Verlorene Freiräume zurückgeholt
Mit dem Neubau des Robi-Dorfes wurden die Infrastruktur-Defizite der alten Gebäude und der sanitären Anlagen behoben. Die neuen Innen- und Aussenräume bieten die Voraussetzungen für moderne pädagogische Arbeit. Die Gebäude beherbergen Mal- und Bastelräume, eine Werkstadt, einen Multimediaraum sowie Angebote, die sich speziell an Mädchen oder Buben richten. Die Anlage lässt im Aussenbereich viel Platz und kreativen Freiraum zum Schaffen, Spielen und Bauen. Der neue Ort wurde mit Kindern, aber auch zusammen mit dem Bau- und dem Erziehungsdepartement, der Mobilen Jugendarbeit sowie dem Kinderbüro Basel entworfen.
1957 eröffnete die Pro Juventute auf der Voltamatte einer der ersten Robinson-Spielplätze Europas. Mit einem betreuten Abenteuerspielplatz wurde versucht, Kindern die Freiräume zurückzugeben, die in der Stadt mit dem Bau von Strassen und Häusern verloren gegangen waren.
Auf Plänen von 1862 ist die Voltamatte eine mit Bäumen bestandene Wiese. Das Gelände wird auch in Zukunft von Bäumen umgeben sein. Im Zuge der Neugestaltung wurden 54 Bäume wegen ihres schlechten Zustandes gefällt. Insgesamt werden im nächsten Frühjahr jedoch 102 neue Bäume gepflanzt. Leitbaum-Art ist die Eiche, Eschen ergänzen den Bestand im neuen Kinderspielbereich, und im "Robi-Dorf" wurden bereits Ahorn gepflanzt. Die Lindenallee entlang der Quartierstrassen sowie der Bestand beim Novartis Campus bleiben bestehen und wurden bereits mit Neupflanzungen ergänzt.
Bedeutende Funde aus der Keltenstadt
Begleitet hat die Arbeiten auch die archäologische Bodenforschung. Vor rund 2'000 Jahren hielten sich hier bereits Menschen auf –- nicht zur Erholung, sondern als Bewohner einer städtischen Keltensiedlung. Begünstigt durch die unmittelbare Nähe des Rheins liefen hier die Fäden eines Netzes von weit gespannten Handelsbeziehungen zusammen. Die Siedlung erstreckte sich von der heutigen Voltamatte über den Campus Novartis bis hinunter an den Rhein und gilt mit einer Ausdehnung von 150'000 Quadratmetern als eine der bedeutensten keltischen Fundstellen Europas. Die Fundstelle ist für Basels Stadtgeschichte und für die frühe Schweizergeschichte von grosser Bedeutung und ist im Schweizerischen Inventar der Kulturgüter von nationaler Bedeutung aufgeführt.
Nur etwa einen Meter unter der Matte liegt eine archäologisch wertvolle Bodenzone mit einer Fläche von 11'000 Quadratmetern. Nach der Vollendung der Nordtangente und des Campus der Novartis bleiben nur noch unter der Voltamatte intakte archäologische Zonen übrig. Die Regierung hat deshalb die Osthälfte der Voltamatte 2007 unter Denkmalschutz gestellt, um sie künftigen Forschergenerationen zu erhalten.
Was immer hier gefunden wird, ist wissenschaftlich wertvoll. "Die Bodenforschung hat die gesamten Bauarbeiten begleitet”, erklärte Winkler, "die Oberfläche der Parkanlage wurde unter grösstmöglicher Schonung der archäologischen Substanz gestaltet". Gefunden wurde, ausser eine paar Scherben, jedoch nichts.
Keine Bezüge zur Vergangeheit
Von Interesse sind auch die städtebaulichen Muster, nach denen die keltische Siedlung angelegt wurde. Beim Voltaplatz führte eine Landstrasse, die heutige Elsässerstrasse, ins Elsass, aber auch in entgegengesetzter Richtung auch auf den Münsterhügel. Die Strassenachse verläuft praktisch rechtwinklig zum Sonnenaufgang am längsten Tag des Jahres. Der antike Strassenzug im St. Johanns-Quartier war für die moderne Stadtplanung prägend, wurde das Quartierstrassennetz doch nach deren Muster angelegt.
"Die ursprüngliche Wettbewerbsaufgabe lautete", so Winkler, "die keltische Vergangenheit in der Umgestaltung künstlerisch aufzunehmen, insbesondere das Wesen des Ortes und die historischen Bezüge der ersten Besiedlung. Leider hat die Jury kein Vorschlag überzeugt". Nach der Umgestaltung gibt es deshalb keine Hinweise auf die interessante Vergangenheit der Voltamatte.
Bloss ein Vorgarten für den Campus Novartis?
Nicht ganz nach Vorstellung der Planer verlief die Freiraumgestaltung beim Übergang Novartis Campus. Angestrebt war eine direkte Quartierverbindung von der Voltamatte zur zukünftigen Rheinpromenade, die entlang des Rheins am Campus Novartis vorbei nach Frankreich führen wird. Daraus wurde nichts. Geblieben ist nur der "direkte" Zugang entlang der Voltastrasse vorbei am Campus und hinunter zur Rheinpromenande.
Susanne Winkler wehrt sich gegen die Vorwürfe der Quartieraufwertungs-Gegner, dass mit Steuergeldern ein Vorgarten für die Angestellten des Campus Novartis gebaut wurde – sie haben vom Campus aus einen direkten Zugang in die Grünanlage – oder dass der Robi-Spielplatz verlegt werden musste, um die Aussicht von den Büros aus dem angrenzenden Novartis-Bau nicht zu stören. "Die räumliche Nähe zum Campus ist zufällig. Die Voltamatte ist die letzte grüne Insel, die wir um den Voltaplatz noch haben. Und diesen Platz wollten wir neu gestalten." Der Neuaufbau des "Robi-Dorfes" sei eine funktionale und räumliche Entscheidung. Sie betont: "Es ist eine Anlage für alle."
Es ist absehbar, vielleicht gewollt: Quartierbewohner aus völlig unterschiedlichen Arbeits- und Lebenswelten werden sich auf der Voltamatte aufhalten. Das St. Johanns-Quarter ist nicht mehr das traditionelle Arbeiterquartier früherer Jahre, zumindest nicht hier, um den Voltaplatz. Und mit dieser Neugestaltung wird das Quartier ein weiteres Stück aufgewertet.
20. September 2012
Weiterführende Links:
Voltamatte: Die Meilensteine
mj. Ein Meilenstein in der Geschichte des Voltamattparks ist der Bau der Basler Gasfabrik. 1860 wurde die Gasfabrik östlich der heutigen Voltamatte gebaut, dort, wo heute der Campus Novartis steht. Das Gas wurde aus Steinkohle gewonnen und für die Strassenbeleuchtung der Stadt verwendet. 1889 wurde auf der Matte der grösste Gasbehälter der Schweiz aufgestellt. Der Betrieb wurde 1931 eingestellt. Ein Elektrizitätswerk sowie der Bau der Chemischen Industrie Anfang des 20. Jahrhunderts machten das St. Johanns-Quartier zum Arbeiter- und Industriequartier.
1938 wurde der Spielplatz St. Johann (heute Voltamatte) erstellt. Aus dem Spielplatz entwickelte sich nach und nach ein Park. 1940 wurden ein Limonadenhäuschen sowie eine WC-Anlage eröffnet und 1949 der Marmoreisbär des Künstlers Adolf Weisskopf eingeweiht.
"Ein Stück Quartierheimat"
Vielen Dank für Ihre ausführliche und fundierte Auseinandersetzung mit der Voltamatte, die ja schon länger andauert, quasi "in guten und in schlechten Tagen". Nun ist die neu gestaltete Voltamatte offiziell eröffnet und mit einem Volksfest gefeiert. Mit dem Robinsongelände, dem Kinderspielplatz und viel grünem Freiraum für alle bietet die neue Voltamatte ein echtes Stück Quartierheimat.
Wir erhoffen uns, dass dieser neu belebte Begegnungsort in das ganze Quartier positiv ausstrahlt. Beim vor kurzem neu gestalteten St. Johanns-Park mit dem neu eröffneten Pavillon sehen wir dies bereits erfreulicherweise. Die positive Ausstrahlung umfasst dabei über die verbesserte Lebensqualität hinaus auch die gefühlte und hoffentlich auch die effektive und Sicherheit im Quartier. Ein echter und konkreter Lösungsbeitrag zur derzeit aktuellen Debatte.
„Aufwertung im St. Johann“, rund um den Voltaplatz wird diese Zielsetzung je nach Sichtweise kontrovers bekanntlich diskutiert. Die Rolle des Stadteilsekretariats Basel-West liegt in der Vernetzung der verschiedenen Akteure. Und auch in der Vermittlung der Ansichten und Interessen. Beim Mitwirkungsprojekt „Volta Ost“ konnte ein wichtiger Erfolg erzielt werden: In einer Absichtserklärung des Kanton wurde versichert, die „Wasserstrasse“-Häuser im Baurecht an eine Genossenschaft abzugeben, sofern das Oeltanklager nicht von der IWB benötigt wird. Dies motiviert uns, nun auch bei der Arealentwicklung Volta Nord gemeinsam praxis- und quartiergerechte Lösungen zu erwirken.
Peter Jossi, Präsident Stadtteilsekretariat Basel-West, Basel